Helmut Lehr
Seit dem Kalenderjahr 2010 können Eltern auch die (Basis-) Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für ihre Kinder als Sonderausgaben steuerlich geltend machen1). Dies setzt voraus, dass die Eltern die Aufwendungen im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung getragen und einen Anspruch auf Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag haben.
Auswirkungen auf den Grenzbetrag
Bislang war umstritten, ob die entsprechenden Kosten auch (noch) bei der Berechnung des Jahresgrenzbetrags im Rahmen der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes berücksichtigt werden dürfen. Für volljährige Kinder gibt es das Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag nämlich nur, wenn deren Einkünfte und Bezüge nicht die Grenze von 8.004 € übersteigen. Hier war zu befürchten, dass die Finanzverwaltung von einer „Doppelbegünstigung“ ausgehen und die Versicherungsbeiträge einfach außer Acht lassen würde.
Hinweis: Der Fiskus zeigt sich insoweit jedoch großzügig und hat nun bestätigt, dass die Versicherungsbeiträge „der Eltern“ die Einkünfte und Bezüge des Kindes mindern – trotz des (zusätzlichen) Sonderausgabenabzugs2).
Einkünfteprüfung soll künftig entfallen
Wird der jüngst vom Koalitionsausschuss beschlossene 37-Punkte-Plan zur Steuervereinfachung tatsächlich zügig umgesetzt, könnte es beim Kindergeld/Kinderfreibetrag für volljährige Kinder zu einer wesentlichen Erleichterung kommen. Die Prüfung der Einkünfte und Bezüge soll nämlich ersatzlos entfallen, eventuell sogar rückwirkend zum 1. Januar 2011.
Hinweis: Es wird aber auch künftig nicht so sein, dass beispielsweise neben einer regulären Erwerbstätigkeit eine Pro-forma-Ausbildung absolviert werden kann, die den Eltern das Kindergeld sichert. Aller Voraussicht nach wird das Kindergeld nämlich dann nicht gewährt werden, wenn die Ausbildung offenkundig lediglich „Nebenzweck“ ist.
Längeres Auslandsstudium
Für Kinder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (oder einem EU- bzw. EWR-Staat) erhalten die Eltern kein Kindergeld. Nach der Rechtsprechung genügt ein Aufenthalt von fünf Monaten im Jahr in der Wohnung der Eltern, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten.
Hinweis: Der Bundesfinanzhof hat in einer neueren Entscheidung3) klargestellt, dass es insoweit (nur) auf die Dauer der Inlandsaufenthalte während des Studiums im Ausland ankommt. Daher kann für ein Kind, das sein Auslandsstudium im Oktober beginnt, das Kindergeld für November/Dezember versagt werden, obwohl es sich in den ersten Monaten des Jahres ausschließlich im Inland aufgehalten hat.
Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes
Generell vertritt die Finanzverwaltung offiziell die Auffassung, dass Kinder ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, sofern sie sich lediglich zum Zweck einer zeitlich begrenzten Schul- oder Berufsausbildung im Ausland aufhalten4). Im oben genannten Streitfall hatte die Tochter direkt nach dem Abitur allerdings ein voraussichtlich 60 Monate dauerndes Studium in den USA aufgenommen.
Hinweis: Die Dauer des Auslandsaufenthalts ist nicht allein entscheidend für die Frage, ob der inländische Wohnsitz beibehalten wird. Eine Rolle könnten z.B. auch familiäre Bindungen spielen. In Grenzfällen sollte entsprechend argumentiert werden. Außerdem ist im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen zu berücksichtigen, dass ggf. nur das Kindergeld auf dem Spiel steht, nicht jedoch die Kinderfreibeträge, weil diese nicht an die unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes geknüpft sind. Der Verlust des Kindergelds bleibt daher in vergleichbaren Fällen womöglich ohne negative wirtschaftliche Auswirkung.
Günstigerprüfung
Ob das unterjährig ausgezahlte Kindergeld oder die im Rahmen der Einkommensteuererklärung geltend zu machenden Kinderfreibeträge günstiger sind, entscheidet das Finanzamt mittels automatisierter Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung). Ist der Steuervorteil durch die Freibeträge größer, werden die Freibeträge vom Einkommen abgezogen. Im Gegenzug rechnet der Fiskus das Kindergeld zur fälligen Steuer hinzu, fordert es quasi wieder zurück.
Nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf 5) spielt es gar keine Rolle, ob das Kindergeld tatsächlich beantragt und in welcher Höhe und an wen es ausgezahlt wurde. Im Streitfall hatten die Eltern kein Kindergeld beantragt und es infolgedessen auch nicht erhalten. Wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung war dies auch nachträglich nicht mehr möglich. Dennoch hat das Finanzamt das Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet, weil der Ansatz der Freibeträge günstiger war.
Revisionsverfahren
Gegen die ablehnende Entscheidung ist nun das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig (Aktenzeichen III R 13/10). Allerdings dürften die Erfolgsaussichten nicht sonderlich hoch sein, weil der Gesetzeswortlaut relativ eindeutig ist. Danach ist bei der Günstigerprüfung nur der „Anspruch auf Kindergeld“ zu berücksichtigen, nicht das tatsächlich ausgezahlte Kindergeld.
Hinweis: Auch der Bundesfinanzhof hat bereits mit Beschluss vom 15. Dezember 20066) klargestellt, dass insoweit (nur) auf den Anspruch abzustellen ist. Das Kindergeld sollte daher im Zweifel immer beantragt werden, auch wenn frühzeitig klar ist, dass sich die Freibeträge im Ergebnis günstiger auswirken.
1) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 24 vom 15. Dezember 2009, Seite 10 bis12.
2) Vgl. Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, Runderlass ESt-Nr. 189 vom 9. Juli 2010, Aktenzeichen III B S 2506-1/2007.
3) Vgl. Urteil vom 28. April 2010, Aktenzeichen III R 52/09.
4) Vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs, 63.6.1 Absatz 2.
5) Vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Aktenzeichen 14 K 2364/08 E.
6) Aktenzeichen VII B 7/06 nv.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(01):18-18