Erhaltung der Arbeitskraft

Vom hektischen Alltag in den hektischen Urlaub?


Ute Jürgens

Auf das schnelle Agieren und Wegschaffen der Arbeit geeicht, fällt es oft schwer, im Urlaub das Tempo zu entschleunigen. Unbewusst behält man das Abarbeiten auch beim Besichtigen, Essen, Lesen und dergleichen bei oder hat eine Vielzahl von Terminen zu absolvieren.

Auch für Apothekenleiter sollte der Satz aus den Arbeits­verträgen gelten: „Der Urlaub dient der Erhaltung der Arbeitskraft und ist entsprechend zu gestalten.“ Allzuoft befindet sich jedoch die Großhandelskiste mit Fachzeitschriften im Kofferraum oder das Fachbuch auf dem Nachttisch im Hotel. Tägliche Kontrollanrufe im Betrieb, ständige Erreichbarkeit per Handy und eine anstrengende Tagesplanung verhindern das Ankommen bei sich selbst und die entsprechende Erholung.

Urlaubs-Burn-out

Leistungsbezogene Apotheker machen in den Ferien gern im gleichen Tempo weiter – sei es mit Abenteuer- bzw. Sporturlaub, anstrengenden Rundreisen oder besichtigungsintensiven Städtetouren. Ein plötzlicher Zusammenbruch, Müdigkeit oder Kreislaufbeschwerden können dann Vorboten eines Burn-outs sein. Soweit muss es nicht kommen, Anzeichen dafür sind jedoch recht häufig und stellen sich gerade im und nach dem Urlaub ein. Wer sich am Ferien­ende noch ausgelaugt fühlt oder drei Tage nach Arbeitsbeginn schon wieder „in den Seilen hängt“, kann kaum die Augen davor verschließen, dass womöglich etwas aus dem Ruder läuft.

Die Hintergründe für dieses Verhalten liegen laut Bernd Sprenger, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Autor des Buches „Die Illusion der perfekten Kontrolle“, auch in der „zunehmend hibbeligen Gesellschaft, die von einem permanenten Zuviel geprägt ist“. Will man auf keinen Fall etwas auslassen, dreht man auch als Apotheker, der andere durchaus gut zum Thema Entspannung beraten kann, weiter an der gleichen Schraube von Hast, Perfektion und „immer mehr“ – und hält das für erholsam.

Ein fataler Irrtum, dem vor allem jene aufsitzen, die ohnehin dazu neigen, sich dauerhaft zu überfrachten – weil sie der Idee erliegen, allem gerecht werden zu müssen, glauben, mit reiner Willenskraft alles erreichen zu können und alles im Griff zu haben. Verliert man seine Grenzen aus dem Blick und presst sowohl seinen Körper als auch die Psyche aus wie eine Zitrone, dann verbringt man oft noch nicht einmal einen Ak­tivurlaub, sondern „powert durch“. Sprenger betont: „Der Wechsel zwischen Anstrengung und Loslassen gehört zum Leben dazu. Man muss die Illusion der perfekten Kontrolle auf­geben, um dem Burn-out zu entkommen.“

Absolute Zwangsruhe

Zwanghaft verordnete Ruhe ist allerdings auch keine Alternative. Pauschale Vorstellungen, wonach man nur entspannen kann, wenn man wenig tut und kein Handy dabei hat, sind Unsinn. Es ist für viele auch sehr belastend, nicht erreichbar zu sein oder sich zur Ruhe zu zwingen – Zwang ist das Gegenteil von Erholung. Jeder Mensch entspannt anders, manche geraten unter neuen Druck, wenn sie sich perfektionistisch plötzlich Inaktivität verschreiben.

Wo ist also der richtige Weg zwischen dem Laptop unterm Sonnenschirm und einem herausfordernden Nichtstun? Manchmal helfen die Zeichen der Umgebung einem selbst auf die Sprünge: Was stellt sich zum Beispiel die Familie unter einem gelungenen Urlaub vor? Wer hat welche Erwartungen und was macht allen Spaß? Wenn es im Urlaub regelmäßig Konflikte mit dem Partner gibt, ist dies ein deutlicher Hinweis, dass man eventuell auf einem falschen Gleis fährt. Daher sollte man sich schon vor den Ferien besinnen, wie Erholung und Entspannung eintreten können.

Was tun, was lassen?

Diese Frage können die wenigsten Vielarbeiter spontan beantworten. Empfohlen wird daher vom Arzt, Coach und Burn-out-Experten Jörg-Peter Schröder, möglichst allein ein paar Tage wegzufahren, bevor es mit der Familie in Urlaub geht. Apothekenleiter, die nur noch für ihren Job brennen, haben oft den Bezug zu sich selbst verloren. Als Mensch mit Bedürfnissen und Interessen existieren sie nicht mehr. Sie wissen nicht, was ihnen guttut, was sie glücklich macht. Deswegen ist Abstand und Zeit für sich allein wichtig – ohne schlechtes Gewissen, irgendjemandem nicht gerecht zu werden.

Als Apotheker kann man Seminarfahrten um zwei Tage verlängern. Falls Sie glauben, sich das nicht leisten zu können, stellen Sie sich vor, das Seminar würde zwei Tage länger dauern. Für den Betrieb wäre es doch machbar, oder? Man begibt sich also z.B. zwischen Zuhause und Veranstaltungsort in eine ruhige Kurstadt. Eine Variante: Man fährt im Urlaub drei Tage vor der Familie los, lässt sich dann unterwegs abholen und reist gemeinsam am Ferienort an.

Ungewohnt, aber hilfreich ist es, sich in diesen ruhigen Tagen alleine niederzulassen und seinen Gedanken freien Lauf zu gönnen. Was kommt an Ideen, Wünschen, schlechtem Gewissen ob des Nichtstuns und anderen Dingen auf? Hilft die Überlegung, wie man sich bar aller Pflichten verhalten würde, um sich auszuruhen? Wahrscheinlich ist ein pflichtenloses Dasein kaum noch vorstellbar, zu sehr sind wir im täglichen Aktionismus gefangen. Schröder: „Der Manager muss im Urlaub lernen, sich wahrzunehmen. Spüren, wie sehr er sich ausgepowert hat. Nur dann wird er seine Einstellung zum Job überdenken.“ Es gilt, eine Urlaubsform zu finden, die zu den geliebten Handlungsmustern passt, ohne zu schaden. Auszubrennen hat auch immer etwas damit zu tun, es allen recht machen zu wollen, nicht „Nein“ sagen zu können, seine eigenen Be­dürfnisse zu übergehen. Und sich letztlich aber auch für unentbehrlich zu halten.

Neue und alte Paradigmen

Auch wenn es keine simplen Patentrezepte gibt: Letztlich ist eine Rückkehr zum Einfachen zu empfehlen und die Befriedigung der Basisbedürfnisse in den Vordergrund zu stellen – angemessene Bewegung, ausreichend Schlaf, gesundes Essen, wenig Alkohol. Sinnvoll sind auch Über­legun­gen zur Beziehung, zur Familie und zu Freunden. Wenn es Schwierigkeiten oder ein „Zuwenig“ gibt, steht die Frage nach Abhilfe im Raum. Das Klarwerden über eigene Ziele, die Frage nach Spaß am Leben und an der Arbeit gehören genauso dazu wie die Einstellung zu sich selbst: „Schätze ich mich selbst wert – auch wenn ich nichts Außergewöhnliches leiste?“

Einige Tätigkeiten entpuppen sich als Energieräuber, andere füllen dagegen die Speicher neu auf. So klärt sich langsam das Bild, wie Arbeits- und Urlaubsleben zu gestalten sind. Manchmal stehen Paradigmenwechsel an, man braucht Mut, Zeit und Zuversicht. Bevor man – sich in der Zwickmühle fühlend – resigniert, kann man die professionelle Hilfe eines Coachs in Anspruch nehmen.

Es geht eben im Urlaub nicht darum, sich schnell mit Well­ness oder anspruchsvollem Training wieder fit für die nächste Runde zu machen. Vielmehr sollte man die Zeit nutzen für Erkenntnisse und das Abgleichen von Wünschen und Wirklichkeit.

Ute Jürgens, Kommunikations-trainerin und Einzelcoach,
KomMed, 28865 Lilienthal,
E-Mail: KomMed@freenet.de


Buchtipps

Bernd Sprenger: Die Illusion der perfekten Kontrolle, Kösel Verlag, 2009, 17,95 €

Thomas M. H. Bergner: Burnout-Prävention, Schattauer Verlag, 2010, 29,95 €

beide zu beziehen über den Deutschen Apo­theker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(07):8-8