Helmut Lehr
Schuldzinsen für die Finanzierung eines vermieteten Objekts sind regelmäßig als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig. Wird das vermietete Objekt veräußert, ist eine andere Beurteilung angezeigt. Zu unterscheiden ist dann, ob mit dem Darlehen sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen oder reine Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten finanziert wurden.
Ein Werbungskostenabzug für nachträgliche Schuldzinsen ist nach bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung nur dann weiter möglich, wenn mit dem Darlehen sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen finanziert wurden1), weil dieser direkte Veranlassungszusammenhang auch durch die Veräußerung nicht (mehr) entfällt. Wurden hingegen Anschaffungs- oder Herstellungskosten finanziert, soll der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Schuldzinsen und (vormaliger) Einkunftsquelle nach der Veräußerung nicht mehr vorliegen. Diese Unterscheidung ist nicht nur für den steuerlichen Laien schwer verständlich, sondern stößt auch unter Fachleuten auf breite Ablehnung.
Hinweis: Entgegen früherer Verwaltungsauffassung spielt es schon seit einiger Zeit keine Rolle mehr, ob der erzielte Veräußerungserlös zur Tilgung des Darlehens ausgereicht hat bzw. hätte2).
Tendenz zur Recht-sprechungsänderung
Mit Urteil vom 16. März 20103) hat der Bundesfinanzhof unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass bei der Veräußerung von GmbH-Anteilen (§17 Einkommensteuergesetz) nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten abzugsfähig sein können, soweit der Veräußerungserlös nicht zur Schuldentilgung ausreicht. Dabei wurde zumindest angedeutet, dass diese Abzugsmöglichkeit künftig ebenfalls bei nachträglichen Schuldzinsen aus Vermietung und Verpachtung gelten könnte – auch dann, wenn mit dem Darlehen die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des veräußerten Objekts finanziert wurden.
Hinweis: Die Finanzverwaltung will dies erwartungsgemäß nicht aus dem Urteil „herauslesen“ und hält daher an ihrer bisherigen Auffassung fest4).
Musterverfahren anhängig
Mit Urteil vom 1. Juli 20105) hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die nach der Veräußerung eines vermieteten Grundstücks gezahlten Schuldzinsen, die nicht auf die Zeit der Vermietung entfallen, nach wie vor nicht abzugsfähig sind, wenn mit dem Darlehen zuvor der Erwerb des Objekts finanziert wurde. Dies soll weiterhin auch dann gelten, wenn das aufgenommene Darlehen mit einem den Veräußerungserlös übersteigenden Betrag valutiert.
Hinweis: Gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg ist mittlerweile ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig6). Betroffene Steuerzahler sollten deshalb ihre nachträglichen Schuldzinsen als Werbungskosten bzw. Verlust aus Vermietung geltend machen, auch wenn mit dem Darlehen ursprünglich Anschaffungs- oder Herstellungskosten finanziert wurden. Ablehnende Bescheide sind anzufechten. Nach Hinweis auf das anhängige Verfahren müssen die Finanzämter die Einsprüche ruhen lassen.
1) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 1 vom 1. Januar 2006, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 19.
2) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 16 vom 15. August 2006, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17.
3) Aktenzeichen VIII R 20/08.
4) Vgl. Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main, Rundverfügung vom 21. Januar 2011, Aktenzeichen S 2211 A – 17 – St 214.
5) Aktenzeichen 13 K 136/07.
6) Aktenzeichen IX R 67/10.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(10):17-17