Ute Jürgens
Es reicht nicht, wenn man im Besitz der Wahrheit ist und Gesundheitswissen um sich herum verbreitet. Sieht das Team den Chef täglich naschen, mittags Fertiggerichte essen und hört zudem Spüche wie „Sport ist Mord“, lassen sich auch die Angestellten eher hängen, anstatt für ihre Gesundheit zu sorgen.
Die Arbeitsfähigkeit erhalten
Wie die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA) berichtet, gehen der deutschen Wirtschaft bislang jährlich mehr als fünf Milliarden Euro durch Fehlzeiten und Folgekosten verloren, weil Führungskräfte und Mitarbeiter an gesundheitlichen Problemen leiden. Häufigste Ursache: falsche Ernährung und zu wenig körperliche Bewegung. Gesundheitsförderndes Verhalten auch am Arbeitsplatz ist also kein „lustiges Event“, sondern schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen dringend notwendig. Gesunde Menschen sind belastbarer, kommunikativer und produktiver. Konkrete Zahlen zum betriebswirtschaftlichen Nutzen von Fördermaßnahmen zum Gesundheitsverhalten liefern etwa die Untersuchungsergebnisse der US-amerikanischen Medizinerin Amy L. Tucker, wonach Mitarbeiter mit guter körperlicher Fitness um 61% weniger Fehlzeiten verursachen als inaktive.
Der Apotheker als Gesundheitsmanager
Heute muss oft weniger Personal mehr leisten. Entweder muss bei den Personalkosten gespart werden oder es lässt sich einfach niemand Geeignetes finden. So steigt die Belastung für den Einzelnen, stressbedingte Krankheiten sind programmiert.
Umso wichtiger ist der gesunde Ausgleich zur Arbeit. Ein erster Schritt besteht darin, das gesunde Verhalten zu erleichtern. Die Apothekenleitung kann beispielsweise eine Firmenmitgliedschaft im Fitnessstudio oder in örtlichen Sportvereinen „sponsern“ und regelmäßig einen Physiotherapeuten einladen. Dieser bespricht zunächst mit dem Chef und den Angestellten, wie man sich schonend bewegt, sitzt und schwere Gegenstände wie z.B. Kisten trägt. Zudem begeht man gemeinsam die Apotheke, um ungesunde Arbeitsplätze aufzuspüren und diese entsprechend zu verändern.
Die Apothekenleitung motiviert das Team enorm, wenn sie gesundes Verhalten vorlebt. Dabei geht es nicht um demonstratives Übertreiben, Marathonlauf und Dauerdiät, sondern beispielsweise um die tägliche halbe Stunde Bewegung, die von Experten immer wieder als Basis gefordert wird und die – sofern dies möglich ist – bereits mit dem Rad als Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit realisiert werden kann. Vielleicht hat das Team auch Lust, sich für Sportarten wie Walking oder Gymnastik zusammenzufinden, gemeinsam macht dies einfach mehr Spaß. Wenn von den Mitarbeitern gewünscht, ist es sinnvoll, die Maßnahmen so zu konzipieren, dass auch das private Umfeld einbezogen werden kann.
Sitzt man während der Arbeit länger am Computer, sind anschließend Ausgleichsübungen sinnvoll. Wenn der Chef auch hier mit gutem Beispiel vorangeht, werden diese Bewegungen für alle selbstverständlich. Die Übungen zeigt der Physiotherapeut dem Team bei einem seiner Besuche. Hier besteht eventuell auch die Gelegenheit für kurze Schulter- oder Nackenmassagen. Verspannungen, die Kopfschmerzen und Unkonzentriertheit verursachen, bleiben so aus.
Die Maßnahmen sollten für einen Zeitraum von mindestens ein bis drei Jahren angelegt sein und regelmäßig bewertet werden. Das geschieht am besten schriftlich durch eine Mitarbeiterumfrage und unter Einbeziehung des Steuerberaters, der entsprechende Zahlen zu Krankheitstagen liefert.
Was bedeutet Gesundheit?
Die WHO definiert heute den Begriff Gesundheit positiv als Zusammenspiel aus physischem, psychischem und sozialem Wohlbefinden. Dieses Wohlbefinden entscheidet wesentlich über die Leistungskraft eines Menschen. Daher lohnt es sich für Unternehmen, ihren Teil dazu beizutragen – und das umso mehr, als die Anforderungen an die Flexibilität und Belastbarkeit der Mitarbeiter generell wachsen, wie Gesundheitsforscher im Auftrag der AOK festgestellt haben. Dazu kommt, dass das durchschnittliche Alter der Mitarbeiter beständig steigt und entsprechenden Krankheiten vorgebeugt werden sollte.
Der Begriff der Salutogenese geht auf Aaron Antonovski zurück, der mit seinem empirischen Ansatz das Gesundheitswesen auf den Kopf stellte. Der 1994 verstorbene Soziologe wurde berühmt durch seine Stressforschung. Er untersuchte, was Menschen gesund erhält – vorher stand immer die Frage, was krank macht, im Mittelpunkt. Es ist weniger entscheidend, wie hoch gesundheitliche Risiken und Belastungen sind, sondern mehr, ob man genügend Ressourcen zur Verfügung hat, um mit den Risiken und Belastungen fertig zu werden. Mit anderen Worten: Es geht darum, sein physisches und psychisches Immunsystem zu stärken.
Als wichtigste Ressource für Gesundheit benannte Antonovski den Glauben an die Vorhersehbarkeit, Beeinflussbarkeit und Sinnhaftigkeit des Lebens. Auf den Arbeitsplatz bezogen bedeutet dies, dass Mitarbeiter sich besser fühlen, wenn Anordnungen der Apothekenleitung durchschaubar sind, wenn sie in Entscheidungsprozesse und Planungen mit einbezogen werden und begreifen, welchen Sinn die großen und kleinen Unternehmensstrategien haben.
Die Apotheke profitiert
Vorgelebte und geförderte Fitness bewirkt den Rückgang des Krankenstandes, eine verminderte Fluktuation des Personals und eine Verbesserung der Arbeitsqualität. Die Bindung an den Betrieb und die Identifizierung damit steigen. Jemand, der sich wohlfühlt, wird immer engagierter beraten, passende Produkte zusätzlich empfehlen und insgesamt motivierter handeln als jemand, der sich körperlich und psychisch gerade eben über Wasser hält.
Im Wesentlichen kristallisieren sich für moderne Unternehmen zwei Ansatzpunkte heraus:
- Die Organisation und die Arbeitsbedingungen werden verbessert.
- Das Gesundheitsverhalten der Mitarbeiter wird durch Bewegungs-, Ernährungs- und Entspannungskurse gestärkt.
Idealerweise greifen beide Punkte ineinander. Denn das beste Anti-Stress-Seminar oder Lauftraining nutzt nichts, wenn der Mitarbeiter im Anschluss daran in ein „vergiftetes“ Betriebsklima zurückkehren muss.
Jeder Einzelne hat es selbst in der Hand, auf körperliche und emotionale Fitness zu achten sowie leistungsfähig zu bleiben – und damit ein Stück weit aus eigener Kraft seinen Verbleib im Unternehmen zu sichern und zum Unternehmenserfolg beizutragen. Das Vorbild in Person der Apothekenleitung wirkt durch eigene Aktivitäten für sich motivierend. Werden unwillige Angestellte unter Druck gesetzt, bewirkt das bei diesen eher Unlust und Widerstand.
Bei den entsprechenden Vorhaben können auch die Filialapotheke, eine Arztpraxis oder andere Betriebe mit ins Boot geholt werden. Ideenaustausch, gemeinsames Buchen von Trainern, Köchen und anderen Fachleuten bauen die Maßnahmen aus und festigen die neuen Gewohnheiten.
Ute Jürgens,
Kommunikationstrainerin und Einzelcoach,
KomMed, 28865 Lilienthal,
E-Mail: KomMed@freenet.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(11):8-8