Jasmin Theuringer
Eine Freistellung des Arbeitnehmers bedeutet, dass der Arbeitgeber auf die Erbringung der Arbeitsleistung durch den Mitarbeiter verzichtet. Alle weiteren Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bleiben bestehen, insbesondere die Pflicht des Arbeitgebers, die Vergütung fortzuzahlen. Eine Freistellung wird meist nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung für die Zeit zwischen Zugang der Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist ausgesprochen.
Beschäftigungsanspruch
So verlockend eine Freistellung auf den ersten Blick für den Mitarbeiter klingen mag, gibt es doch auch Arbeitnehmer, die nicht freigestellt werden, sondern bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses im Betrieb bleiben möchten. Dann stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber den Mitarbeiter auch gegen dessen Willen nach Hause schicken kann.
Aus dem Arbeitsverhältnis folgt nicht nur die Pflicht des Arbeitnehmers, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit zu erbringen, sondern auch dessen Anspruch auf Beschäftigung, der Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Auf der anderen Seite kann das Interesse des Arbeitgebers stehen, den Mitarbeiter nicht mehr zu beschäftigen. Die jeweiligen Interessen sind gegeneinander abzuwägen, es kommt auf die konkreten Beweggründe des Arbeitgebers für die Freistellung an.
Das Interesse des Arbeitgebers überwiegt in der Regel dann, wenn er die Kündigung aufgrund einer strafbaren Handlung des Mitarbeiters oder des konkreten Verdachts einer solchen ausgesprochen hat. Macht er in diesem Fall von der Möglichkeit der fristlosen Kündigung keinen Gebrauch, so ist es ihm dennoch nicht zuzumuten, den Mitarbeiter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Auch ein Filialleiter, der beabsichtigt, sich in unmittelbarer Nähe der Filiale mit einer eigenen Apotheke niederzulassen, muss in der Regel nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt werden. Zu groß ist die Gefahr, dass er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist seine Tätigkeit nicht nur im Interesse seines Arbeitgebers ausübt.
Freistellung und Urlaub
Bei einer widerruflichen Freistellung verzichtet der Arbeitgeber zunächst auf die Arbeitskraft des Mitarbeiters, kann sich dies aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch einmal anders überlegen. Der Arbeitnehmer hat also nur bedingt die Möglichkeit, über seine Zeit frei zu verfügen. Er kann etwa die widerrufliche Freistellung nicht für eine Fernreise nutzen. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, Zeiten einer widerruflichen Freistellung mit offenen Urlaubsansprüchen zu verrechnen. Der widerruflich freigestellte Mitarbeiter kann vielmehr nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangen, dass noch offene Urlaubsansprüche in Geld abgegolten werden.
Häufiger dagegen ist die unwiderrufliche Freistellung. Der Arbeitgeber verzichtet dabei endgültig auf die Arbeitskraft des Mitarbeiters und ist an diese Erklärung gebunden. Doch auch in diesem Fall erlischt ein Urlaubsanspruch des Mitarbeiters keinesfalls automatisch. Es ist vielmehr erforderlich, die unwiderrufliche Freistellung ausdrücklich unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche zu erklären. Zu Beweiszwecken sollte dies stets schriftlich, am besten direkt mit der Kündigungserklärung, geschehen.
Erkrankt der freigestellte Mitarbeiter, so kann er während der Dauer der Erkrankung keinen Urlaub antreten. Die Arbeitsunfähigkeit überlagert die Anrechnung der Freistellung auf noch offene Urlaubsansprüche mit der Folge, dass der Arbeitnehmer auch insoweit eine finanzielle Urlaubsabgeltung mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnis-ses beanspruchen kann.
Sozialversicherungsrechtliche Folgen
Im Übrigen bestehen sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis fort, auch die Pflicht, für den Mitarbeiter unverändert Sozialabgaben abzuführen. Dies wurde durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. September 2008 (Aktenzeichen B 12 KR 22/07 R) klargestellt.
Wettbewerbsverbot
Der Arbeitnehmer ist wäh-rend der Freistellung nach wie vor verpflichtet, sich dem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten. Eine Tätigkeit in der Konkurrenzapotheke ist daher erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zulässig. Eine Zuwiderhandlung kann der Arbeitgeber – notfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung – unterbinden.
Anderweitiger Verdienst
Nimmt der Arbeitnehmer während der Freistellung eine andere (nicht konkurrierende) Tätigkeit auf, muss er sich den dort erzielten Verdienst nicht auf das anrechnen lassen, was er von seinem bisherigen Arbeitgeber während der Freistellung erhält. Er hat also die Möglichkeit, während dieser Zeit einen zusätzlichen Verdienst zu erzielen. Dieser sogenannte Zwischenverdienst ist nur dann auf die Vergütung anrechenbar, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren.
Firmenwagen
Ob der freigestellte Mitarbeiter einen Firmenwagen zurückgeben oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist behalten darf, hängt von der Nutzungsvereinbarung ab, die die Parteien mit der Überlassung des Fahrzeugs getroffen haben. Handelt es sich um ein Fahrzeug, das ausschließlich zu dienstlichen Zwecken überlassen wurde, so kann es mit Beginn der Freistellung zurückverlangt werden. Denn ab diesem Zeitpunkt kommt eine rein dienstliche Nutzung des Fahrzeugs schließlich nicht mehr in Betracht.
In Apotheken häufiger wird jedoch der Fall sein, dass das Fahrzeug zumindest auch für private Zwecke überlassen wurde. Dann stellt die Überlassung des Fahrzeugs einen Teil der Vergütung für die Arbeitsleistung dar. Der Arbeitgeber darf dem freigestellten Mitarbeiter daher ein zur privaten Nutzung überlassenes Fahrzeug nicht nehmen. Entzieht er dem freigestellten Mitarbeiter dennoch den zur Privatnutzung überlassenen Pkw, so kann der Mitarbeiter Schadensersatz geltend machen, dessen Höhe sich nach dem zu versteuernden Nutzungsvorteil richtet.
Fahrtkosten
Eine Fahrtkostenerstattung für den Arbeitsweg verliert bei einer Freistellung ihren Sinn, sodass sich die Frage stellt, ob diese weiter gezahlt werden muss. Grundsätzlich ist während einer Freistellung die vollständige Vergütung fortzuzahlen. Eine gesetzliche Regelung existiert zum Beispiel im Zusammenhang mit dem sogenannten Annahmeverzugslohn, den der Arbeitgeber im Fall einer unwirksamen Kündigung zu zahlen hat. Hier muss ein Fahrtkostenersatz nicht geleistet werden, weil der Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen erspart. In gleicher Weise ist die Höhe der fortzuzahlenden Vergütung bei der Erkrankung des Mitarbeiters geregelt. Es spricht also nichts dagegen, auch im Fall einer Freistellung den Fahrtkostenersatz nicht weiterzuzahlen.
Handelt es sich bei dem Fahrtkostenersatz allerdings um eine Pauschale, deren Höhe sich nicht an den tatsächlichen Aufwendungen des Mitarbeiters orientiert, so ist diese als Bestandteil der Vergütung fortzuzahlen.
Jasmin Theuringer,
Rechtsanwältin,
Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater,
40212 Düsseldorf,
E-Mail: theuringer@bellinger.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(11):10-10