Börsensegmente

Schwarze Schafe vor der Verbannung


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Auswahl ist kaum noch zu überbieten: Mit mehr als 12.000 in- und ausländischen Aktien zählt die Frankfurter Börse zu den weltweit wichtigsten Handelsplätzen. Doch unter Weltkonzernen tummeln sich auch schwarze Schafe – die Anleger tunlichst meiden sollten.

Sie werden in kostenlosen Börsenbriefen, per Fax-Rundschreiben oder in dubiosen E-Mail-Spams beworben: die Aktien kleiner und kleinster Unternehmen aus dem In- und Ausland, oftmals ohne nennenswerte Umsätze und mit eher zweifelhaften Gewinnerwartungen. Ein rechtzeitiger Einstieg, so wird versprochen, könnte dem Anleger zu Reichtum verhelfen. Präsentiert werden dabei häufig abenteuerliche Storys, angefangen von Goldfunden in Afrika über die Entdeckung neuer Ölvorkommen bis hin zu Erfindungen, die mindestens so revolutionär seien wie seinerzeit die Einführung des Mobiltelefons.Und in der Tat kann sich die Kurs­entwicklung sehen lassen: Werden die Papiere zunächst nur für wenige Cent gehandelt, springt der Börsenkurs binnen kürzester Zeit auf 0,50€ oder sogar 1,00€ und mehr. Auch die Umsatzzahlen schnellen von einigen Hundert auf mehrere Hunderttausend Exemplare nach oben – pro Tag, versteht sich.

Kursverlust programmiert

Doch der Kursanstieg ist weitgehend „hausgemacht“: Es sind allein die umfangreichen Werbemaßnahmen, die den Kurs nach oben klettern lassen. Von langer Dauer ist die Hausse jedoch nicht, denn sobald die Werbeaktion beendet ist, fällt die Notierung wieder in den Centbereich zurück. Das Geschäft machen allein die Initiatoren, die das Papier zunächst in marktgerechten Stückzahlen billig gekauft haben und jetzt, zum Höhepunkt der Euphorie, kräftig Kasse machen.

Das Nachsehen haben Anleger, die in der Hoffnung auf den schnellen Gewinn zu Höchstkursen eingestiegen sind. Hoffnungen auf Schadensersatz können sie sich freilich nicht machen, denn die Drahtzieher agieren meist aus dem Ausland, zudem hat die Börsenaufsicht wenig Möglichkeiten zum Einschreiten oder gar Verhängen strafrechtlicher Sanktionen. Aktien, die etwa in Spam-Mails oder per Fax durch unbekannte Ab­sender beworben werden, sollten Anleger daher generell meiden, selbst wenn die Zukunftsprognosen durchaus plausibel und attraktiv erscheinen.

Countdown zum 1. Oktober

Auch die Frankfurter Wertpapierbörse hat die Problematik erkannt: Per 1. Oktober 2011 werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Börsennotierung kleiner und kleinster Unternehmen am „First Quotation Board“ des Open Markets drastisch verschärft. Wollen Unternehmen hier weiterhin notiert werden, müssen sie einen aktuellen Prospekt vorlegen, der von einer anerkannten in- oder ausländischen Behörde gebilligt wurde. Alternativ ist der Nachweis eines Grundkapitals von mindestens 500.000€ (bisher: 250.000€) erforderlich, testiert von einem zugelassenen Wirtschaftsprüfer. Bisher genügt allein die Bestätigung eines Rechtsanwalts. Weiterhin müssen die Anteilscheine nunmehr einen Mindestnennbetrag, einen rechnerischen Nennbetrag oder einen rechnerischen Wert von mindestens 0,10€ repräsentieren. Bisher gängige Kleinst-Stücklungen von z.B. 0,0001 Kanada-Dollar sind dann nicht mehr möglich. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sollen die Börsenzulassung zumindest in Frankfurt verlieren, allerdings denkt man auch an den anderen deutschen Börsen ähnlich.

Das Problem jedoch: Wird die Börsennotiz gestrichen, entfällt auch die Handelbarkeit für diese Werte. Beteiligungen an eher zweifelhaften Firmen, die in diesem Marktsegment geführt werden, sollten daher frühzeitig verkauft werden, denn ohne Börsennotiz sind die Aktien meist wertlos. Nicht davon betroffen sind allerdings die Aktien des „Second Quotation Board“, die auch an ausländischen Börsen gehandelt werden. Hier geht die Frankfurter Börse davon aus, dass bereits im Heimatland ausreichende Rahmenbedingungen bestehen, um schwarzen Schafen den Börsenzugang zu verwehren.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(14):16-16