Apotheker in der Europäischen Union

Drei Fragen an Heinz-Günter Wolf


Claudia Mittmeyer

Heinz-Günter Wolf ist Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerver­bände, Präsident des Zusammenschlusses der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU) und Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen.

Wie kann verhindert werden, dass die z.B. in Italien stattfindende weitreichende Entlassung von Arzneimitteln aus der Apothekenpflicht sich negativ auf andere europäische Länder auswirkt?
Bei Arzneimitteln liegt die Entscheidung über die Apothekenpflicht im Ermessen der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten. Dies ergibt sich nicht nur aus der laufenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sondern ist letztlich auch in der neuen EU-Richtlinie gegen Arzneimittelfälschungen verankert. Insofern müssen sich die Apotheker hier in Deutschland keine Sorgen über abweichende Gesetzgebung in anderen Ländern machen. Andererseits muss man akzeptieren, dass sich einzelne Handelskonzerne auf verschiedenen Wegen über die aus ihrer Sicht bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen beschweren. Sol­che Vorstöße hört man sich in Brüssel sicherlich auch deshalb an, weil es nach Durchsetzung von Binnenmarkt und Wettbewerb klingt.

Letztlich muss diese Debatte aber politisch geführt werden. Und da sehen wir Apotheker uns als Anwälte der Verbraucher. Unser bestes Argument ist, dass Apothekenpflicht gleich Patientenschutz ist. Dafür setzen wir uns auch auf europäischer Ebene vehement mit dem ZAEU ein.

Wo sehen Sie die wesentlichen Vorzüge des deutschen Apothekensystems im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn?
Als ZAEU-Präsident habe ich in diesem Jahr das Privileg, rund 400.000 Apotheker aus 31 Ländern in europäischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen zu vertreten. Deshalb ist es mir ganz besonders wichtig, auf die große Vielfalt des Apothekenwesens in Europa hinzuweisen. Sie lässt sich mit historischen, geografischen oder ökonomischen Faktoren erklären. Nehmen Sie nur die Apothekendichte als Beispiel. Da reicht die Spannbreite von Dänemark mit 17.200 bis zu Griechenland mit 1.200 Einwohnern pro Apotheke. Der EU-Durchschnitt beträgt 3.300 und Deutschland liegt mit 3.800 fast genau in der Mitte. Doch wer wollte entscheiden, welcher Wert in dieser und anderen Kategorien der jeweils „optimale“ ist? Das muss wohl jedes Land alleine diskutieren.

Entscheidend ist, dass der Patient im Mittelpunkt aller Bemühungen steht. Was Deutschland betrifft, so haben wir hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Je­der Patient kann sich auf „seine“ Apotheke verlassen. Natürlich bin auch ich froh darüber, was der Europäische Gerichtshof im Jahr 2009 gesagt hat: Er hat anhand des Fremd- und Mehr­besitz­ver­bots bestätigt, dass die Ver­brau­cher­schutz­in­stru­men­te hierzulande sinnvoll ineinandergreifen. Dazu kommen die Nie­der­lassungsfreiheit für Apotheker und die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel als zwei weitere Elemente ei­nes verbraucherschutzfreundlichen Wettbewerbs unter den Apotheken.

Welche Ergebnisse hat die ZAEU-Generalversammlung En- de Juni in Berlin gebracht?
Mehr als 100 Vertreter von Apothekerorganisationen aus mehr als 25 europäischen Ländern haben in Berlin über die Zukunft der Arzneimittelversorgung und -sicherheit in Europa diskutiert. Dabei haben wir festgestellt, dass Apotheker in ganz Europa hochwertige Dienstleistungen für Patienten erbringen und ihre Kernaufgabe – die Gewährleistung einer sicheren und effizienten Arzneimittelversorgung – mit großem Engagement erfüllen. Wirt­schaftlicher Druck und regulative Veränderungen stellen aller­dings manchmal infrage, ob die Apotheke auch in Zukunft noch überlebensfähig sein wird. Die Diskussion hat gezeigt, dass wir in Zukunft auch neue Wege der Zusammenarbeit mit unseren Kol­legen aus den anderen Heilberufen suchen und finden müssen.

Ein weiteres Thema war die Unterstützung der Apotheker in ganz Europa für die Europäische Kommission in ihrem Kampf gegen Arzneimittelfälschungen. So wurde auf der ZAEU-General­versammlung intensiv über die Optionen und Chancen einer europaweiten Arzneimittelauthen­tifizierung für alle Medikamentenpackungen diskutiert. Prominenter Gastredner aus Brüssel war Nils Behrndt, stellvertretender Kabinettschef von John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik. Er plädierte ausdrücklich für eine enge Einbeziehung der Apotheken in den Prozess der Authentifizierung von Medikamentenpackungen. Diesen Vorschlag greifen wir Apotheker natürlich gerne auf und wollen uns auch wei­terhin aktiv in die Debatte einbringen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(15):3-3