Claudia Mittmeyer
Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Folgen des Versorgungsgesetzes für Versicherte und Leistungserbringer?
Das Versorgungsgesetz richtet sich weniger an die Versicherten, sondern in erster Linie an Leistungserbringer – und hier im Besonderen an die niedergelassenen Ärzte. Das Ziel, das der Gesetzentwurf verfolgt, nämlich dem sich abzeichnenden Ärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken, ist ein wichtiges Anliegen. Doch die Bundesregierung möchte die Mediziner vor allem durch monetäre Anreize aufs Land locken. Mit Geld allein wird es aber nicht gelingen, dass sich mehr Ärzte in ländlichen Gegenden niederlassen. Entscheidend sind noch ganz andere Faktoren. Ob ein Arzt aufs Land zieht, hängt zum Beispiel auch davon ab, ob der Ehepartner dort einen Job findet, ob genügend Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen oder wie das kulturelle Angebot vor Ort aussieht.
Statt einfach mehr Geld in die Hand zu nehmen, sind mehr kreative Ideen und Lösungsansätze notwendig. Neben der klassischen Landarztpraxis hätte man beispielsweise die Bedeutung von Medizinischen Versorgungszentren stärken können, um der drohenden medizinischen Unterversorgung in ländlichen Regionen zu begegnen. Außerdem hätte ich es grundsätzlich begrüßt, wenn man im Gesetzentwurf mehr Gewicht auf qualitative Aspekte der Versorgung gelegt hätte.
Welche Alternativen zu den Rabattverträgen könnten Sie sich zumindest mittelfristig vorstellen und welche Rolle spielt dabei das ABDA-KBV-Konzept?
Derzeit ist keine vergleichbar wirksame Alternative zu den Rabattverträgen in Sicht. Mit den Rabattverträgen hat der Gesetzgeber den Kassen ein wettbewerbliches Instrument an die Hand gegeben, mit dem die Ausgaben für Arzneimittel zumindest gedämpft werden können, ohne dass die Qualität der Versorgung leidet. Die TK spart allein mit ihren Generika-Rabattverträgen bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr ein. Und bei der Umsetzung der Rabattverträge kann auch die im ADBA-KBV-Konzept vorgesehene Wirkstoffverordnung durch den Arzt bereits zum Einsatz kommen. Schon heute kann der Arzt lediglich den Wirkstoff verordnen und der Apotheker entscheidet dann, welches Medikament er dem Patienten aushändigt – zumindest in den Fällen, in denen der Arzt die Aut-idem-Regelung nicht ausgeschlossen hat.
Auch der im ABDA-KBV-Konzept geplante deutlich lesbare Aufdruck des Wirkstoffes auf der Arzneimittelpackung ist im Sinne der TK. Das kann zu einer gewissen Aufklärung beitragen. Wenn die Patienten dadurch besser verstehen, dass ihr bisheriges Medikament ohne Probleme ausgetauscht und auf ein Rabattvertragsarzneimittel umgestellt werden kann, könnte dies ohne Frage einen positiven Effekt auf die Arzneimitteltherapie haben.
Darüber hinaus muss man abwarten, wie die Regelungen des sogenannten Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes, kurz AMNOG, wirken. Mit dem AMNOG hat der Gesetzgeber endlich einmal den Versuch unternommen, den steigenden Ausgaben im Arzneimittelbereich nicht mit den üblichen Kostendämpfungsmaßnahmen zu begegnen. Stattdessen hat die Politik endlich strukturelle Veränderungen insbesondere bei der Preisbildung neuer Präparate angestoßen. Welche Wirkung diese Regelungen entfalten, hängt nun von der konkreten Umsetzung ab.
Welche Wünsche haben Sie seitens der gesetzlichen Krankenversicherung an die öffentlichen Apotheken?
Aus Sicht einer Krankenkasse haben wir natürlich das Interesse, dass unsere Versicherten eine kompetente Arzneimittelberatung in den öffentlichen Apotheken bekommen. Das gemeinsame Ziel muss sein, Compliance und Adherence und damit die Qualität der Arzneimitteltherapie insgesamt zu verbessern. Doch um überhaupt in der Lage zu sein, die Versicherten kompetent beraten zu können, müssen die Apotheker über eine entsprechende Informationsbasis verfügen. Die TK bietet deshalb ihren Kunden einen persönlichen Arzneimittelkontoauszug an, den sie im Internet oder in den Kundenberatungen der TK abrufen können.
Diese Versicherteninformation Arzneimittel, kurz TK-ViA, listet alle in den vergangenen zwei Jahren zu Lasten der Kasse verordneten Medikamente des Versicherten übersichtlich auf. Außerdem enthält die Medikamenten-Übersicht zusätzliche Informationen wie zum Beispiel den Hinweis auf Arzneimittel, die für ältere Patienten laut der sog. Priscus-Liste ein gewisses Gefahrenpotenzial darstellen können. Bekommt ein TK-Versicherter über 65 Jahren ein Priscus-Medikament verschrieben, wird diese Verordnung in seiner TK-ViA hervorgehoben. Darüber hinaus bekommt der Kunde einen erläuternden Begleitbrief von der TK. Anhand der TK-ViA können Patienten die Therapie mit ihrem behandelnden Arzt und ihrem Apotheker besprechen. Ich wünsche mir daher, dass die Apotheker solche Informationsangebote nicht als Eingriff in ihren Kompetenzbereich verstehen, sondern als Unterstützung bei ihrer täglichen Arbeit.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(17):3-3