Steuer-Spartipp

Beruflicher Umzug: Doppelte Mietkosten absetzen


Helmut Lehr

Neuer Familienwohnsitz

In der Praxis war bislang umstritten, welche Aufwendungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig sind, wenn ein sog. gestreckter Fami­lienumzug vorliegt, der letztlich auf beruflichen Gründen beruht.

Beispiel: Die Familie Lenz lebte in Hamburg und hatte dort ihre gemeinsame Familienwohnung. Zum 1. November 2009 nahm Herr Lenz eine neue Beschäftigung in Köln auf. Zusammen mit seiner Ehefrau mietete er deshalb zum 1. Dezember 2009 eine 165m2 große Wohnung in der Nähe von Köln an. Herr Lenz übernachtete nun in der Wohnung in Köln und fuhr lediglich am Wochenende nach Hause zur Familie. Wie von Beginn an geplant, zogen Frau und Kinder erst im Februar 2010 in die Kölner Wohnung, die seither den Lebens­mittelpunkt der Familie darstellt.

Hinweis: Herr Lenz machte die Mietzahlungen für die neue Wohnung bis zum Einzug der Familie in voller Höhe als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt verwies auf die Grundsätze zur doppelten Haushaltsführung und berücksichtigte die Mietkosten nur anteilig für eine 60m2 große Vergleichswohnung.

Voller Werbungskostenabzug

Mit Urteil vom 13. Juli 20112) hat der Bundesfinanzhof in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Kosten für einen beruflich veranlassten Umzug in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig sind. Daher können zumindest für die Umzugs-phase die (umzugsbedingten) doppelten Mietzahlungen unbeschränkt abgezogen werden. Während dieser Phase spielt es keine Rolle, ob bzw. dass (auch) die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorgelegen haben.

Hinweis: Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs beginnt die Umzugsphase grundsätzlich mit der Kündigung und endet mit Ablauf der Kündigungsfrist für die alte Wohnung. Deshalb kann Herr Lenz die Mietkosten für die neue Wohnung in Köln bis zum Umzugstag absetzen und danach – bis zum Ende der Umzugsphase – die Miete für die alte Wohnung in Hamburg.

Optimale Vorgehensweise

Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs ergibt sich, dass die Belastung mit doppelter Miete während der Umzugsphase durch den Umzug veranlasst ist und deshalb zu Werbungskosten/Betriebsausgaben führt, sofern der Umzug aus beruflichen Gründen erfolgt. Welche Mietkosten begünstigt sind, wird faktisch durch den Zeitpunkt des Familienumzugs bestimmt, da mit dem Einzug der Familie in die neue Wohnung diese zum neuen Lebensmittelpunkt wird. Die zumindest rein steuerlich optimale Vorgehensweise stellt sich daher wie folgt dar:

  • Ist die Miete der alten Wohnung (erheblich) höher als die Miete für die neue Wohnung, sollte der Umzug möglichst schon kurze Zeit nach der Kündigung (Beginn der Umzugsphase laut Bundesfinanzhof) erfolgen, weil fortan – bis zum Ende der Umzugsphase – die Miete für die alte Wohnung absetzbar ist.
  • Ist die Miete für die neue Wohnung (deutlich) höher, sollte der Umzug erst kurz vor Ende der Umzugsphase (Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist) erfolgen, um die Miete für die neue Wohnung möglichst „lange“ abzusetzen.


Hinweis: Während einer solchen Phase spielen aber auch zahl­reiche außersteuerliche Gründe eine wichtige Rolle, sodass die Beteiligten gut überlegen müssen, ob der erzielbare Steuervorteil die Abläufe bestimmen soll.

Bedeutung für alle offenen Fälle

Die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sollte ab sofort „umgesetzt“ werden. Doppelte Mietzahlungen können in vergleichbaren Fällen noch im laufenden Veranlagungsverfahren berücksichtigt werden oder im Rahmen eines Einspruchs bzw. einer Klage3). Wer bereits einen bestandskräftigen Steuerbescheid erhalten hat, kann insoweit keine Änderung mehr beantragen.

Weitere Umzugskosten absetzen

Bei beruflich veranlassten Umzügen sind nicht nur etwaige doppelte Mietkosten begünstigt, sondern auch z.B. umzugsbedingte Unterrichtskosten für die Kinder. Außerdem gibt es eine Pauschale für sonstige Umzugskosten, die die Finanzverwaltung in Anlehnung an das Bundesumzugskostengesetz mehr oder weniger regelmäßig (leicht) erhöht. Zuletzt wurden die aktuellen Werte mit Schreiben vom 5. Juli 20114) durch das Bundesfinanzministerium bekannt gemacht. Danach beträgt der Höchstbetrag für die Anerkennung umzugsbedingter Unterrichtskosten für ein Kind 1.617€, sofern der Umzug nach dem 31. Juli 2011 beendigt wurde (zuvor nach dem 31. Dezember 2010: 1.612€). Verheirate­te können für sonstige Umzugsauslagen aktuell einen Pauschbetrag von 1.283€ und Ledige einen Betrag von 641€ steuerlich geltend machen. Für jede weitere Person (insbesondere Kinder) erhöht sich dieser Betrag um 283€.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(21):18-18