Jasmin Theuringer
Die Vergütung der geringfügig Beschäftigten wird in der Regel einfach auf 400,00€ monatlich festgesetzt. Erst das Verhältnis der Vergütung zur wöchentlich geschuldeten Arbeitszeit zeigt, ob dies angemessen ist.
Beispiel
Die ursprünglich vollzeitbeschäftigte PKA P geht nach einem Jahr der Beschäftigung in Elternzeit. Sie möchte während der Elternzeit etwas dazuverdienen und einigt sich mit dem Apothekenleiter A auf eine Beschäftigung an 15 Stunden in der Woche und ein monatliches Gehalt in Höhe von 400,00€. Nach einem Jahr kündigt P und verlangt rückwirkend mehr Gehalt.
Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und das Monatsgehalt von 400,00€ entsprechen einem Stundenlohn von ca. 6,15€. Die tarifliche Vergütung würde bei P – umgerechnet auf den Stundensatz – bei 9,20€ liegen. Die vereinbarte Vergütung liegt daher um mehr als 30% unter dem Tarifgehalt. Selbst wenn beide Vertragsparteien mit dem Inhalt des Arbeitsvertrags einverstanden waren und diesen unterzeichnet haben, kann sich der Mitarbeiter noch nachträglich auf die Unwirksamkeit einzelner Regelungen berufen. Die Vereinbarung einer Vergütung, die um mehr als 20% unter der tariflichen Vergütung liegt, ist nach herrschender Rechtsprechung unwirksam – auch in nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen. Die Vergütungsvereinbarung ist daher unwirksam, P kann die sog. übliche Vergütung – in der Regel das Tarifgehalt – verlangen.
Die Nachforderung von Gehalt hat vor allem für den Apothekenleiter weitreichende Folgen. Durch die Gehaltsnachzahlung wird die Einkommensgrenze für eine geringfügige Beschäftigung überschritten, das Arbeitsverhältnis wird sozialversicherungspflichtig. Die Beiträge zur Sozialversicherung sind von A nachzuentrichten, auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung wird er abführen müssen.
Die Möglichkeit, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vom Arbeitnehmer zurückzuverlangen, wird durch das SGBIV erheblich eingeschränkt. In §28g SGBIV heißt es, dass der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung durch Abzug vom Lohn zu realisieren ist. Wenn dieser Abzug unterbleibt – etwa wie hier, weil das Arbeitsverhältnis irrtümlich als geringfügige Beschäftigung behandelt wurde – kann er nur in den nächsten drei Folgemonaten nachgeholt werden. Diese Möglichkeit scheidet im Beispielsfall aus, da das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht. Ausnahmen gelten nur, wenn der Arbeitgeber ohne Verschulden gehandelt hat. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers sind an dieser Stelle sehr hoch. Ein Arbeitgeber, der einen deutlich unterhalb des Gehaltstarifvertrags liegenden Monatslohn zahlt, wird sich nicht auf fehlendes Verschulden berufen können. A kann die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung also nicht von P zurückverlangen.
Bei der Vereinbarung der Arbeitsbedingungen geringfügig Beschäftigter sollten diese also stets an dem gemessen werden, was vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern der Apotheke zusteht.
Weihnachtsgeld
Beispiel
P hat während ihrer Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte – anders als die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter des A – kein Weihnachtsgeld erhalten. Auch dies verlangt sie nun nachträglich von A.
In Apotheken ist es üblich, den 400-€-Kräften kein Weihnachtsgeld zu zahlen, da mit der Zahlung eines zusätzlichen Gehalts die Jahresentgeltgrenze für geringfügige Beschäftigungen von derzeit 4.800,00€ überschritten wird. Diese allgemein übliche Praxis ist aber mit geltendem Recht nicht in Einklang zu bringen.
Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen ergibt sich ein Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung aus §18 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter (BRTV). Der BRTV unterscheidet nicht nach vollzeit-, teilzeit- oder geringfügig beschäftigten Mitarbeitern. Jeder dieser Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung.
Bei außertariflichen Arbeitsverhältnissen kann ebenfalls ein Anspruch bestehen. Dieser Anspruch des geringfügig Beschäftigten kann sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, wenn die übrige Belegschaft ein Weihnachtsgeld erhält. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellt die Herausnahme der geringfügig Beschäftigten von der Zahlung des Weihnachtsgeldes eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, da überproportional viele Frauen im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse arbeiten. Die Schlechterstellung treffe daher in erster Linie Frauen, was gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie verstoße. Wenn also A sämtlichen Mitarbeitern ein Weihnachtsgeld auszahlt, darf er P nicht davon ausnehmen.
Tarifgebundene Apothekenleiter sowie solche, die freiwillig oder aufgrund einzelvertraglicher Regelung regelmäßig ein Weihnachtsgeld zahlen, sollten bei der Vereinbarung der Vergütung und der Arbeitszeit mit geringfügig Beschäftigten darauf achten, dass diese monatlich nicht mehr als 368,00€ erhalten. Dann wird auch bei Zahlung eines Weihnachtsgeldes die Geringfügigkeitsgrenze von 4.800,00€ im Jahr nicht überschritten.
Urlaub
Beispiel
Im Ausgangsfall wird P regelmäßig montags bis mittwochs an jeweils fünf Stunden eingesetzt. P möchte einen Montag freinehmen. A gewährt ihr den freien Tag, verlangt aber, dass sie in dieser Woche zusätzlich donnerstags arbeitet, um keine Gehaltseinbußen zu erleiden. P beruft sich darauf, Anspruch auf bezahlten Urlaub zu haben. A verneint dies mit der Argumentation, sie sei doch nur eine Aushilfe.
Häufig wird von 400-€-Kräften verlangt, dass sie Ausfalltage nacharbeiten. Hierbei wird oft nicht danach unterschieden, ob der Mitarbeiter sich einen Tag freinehmen möchte, ob er arbeitsunfähig erkrankt ist oder ob der übliche Einsatztag auf einen Feiertag fällt. Geringfügig Beschäftigte sind rechtlich gesehen vollwertige Arbeitnehmer. Bei einer geringfügigen Beschäftigung handelt es sich um eine Teilzeitbeschäftigung. Besonderheiten gelten ausschließlich im Hinblick auf Steuern und Sozialversicherung, nicht jedoch im Arbeitsrecht. P hat daher – wie alle anderen Mitarbeiter auch – Anspruch auf bezahlten Urlaub, auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, ohne dass sie dafür nacharbeiten muss.
Beispiel
A beschäftigt eine Approbierte als geringfügig Beschäftigte. Diese wird nur freitags eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt aufgrund beiderseitiger Tarifbindung dem BRTV. Die Approbierte verlangt den tariflichen Urlaubsanspruch von 33 Werktagen und meint absurderweise, sie könne sich deshalb 33 Freitage im Jahr freinehmen.
Hierbei wird übersehen, dass der tarifliche Urlaubsanspruch in Werktagen ausgedrückt wird und somit eine Beschäftigung des Arbeitnehmers an sechs Tagen in der Woche voraussetzt. Wird der Arbeitnehmer an weniger Tagen beschäftigt, so ist der Urlaubsanspruch in Arbeitstage umzurechnen. Das geschieht nach der Formel: Urlaub in Werktagen geteilt durch 6 (Werktage wöchentlich) multipliziert mit der Anzahl der tatsächlichen wöchentlichen Arbeitstage. Im Beispielsfall also: 33:6x1=5,5 Arbeitstage Urlaub. Die Approbierte hat somit einen Urlaubsanspruch von 5,5 Tagen. Nimmt sie sich einen Freitag frei, so verbraucht sie davon einen Tag.
Variante
A setzt die Approbierte regelmäßig mittwochs sowie jeden zweiten Freitag ein.
Bei einer unregelmäßigen Arbeitszeit ist zur Berechnung des individuellen Urlaubsanspruchs ein Durchschnitt zu bilden. Im obigen Beispiel arbeitet die Approbierte durchschnittlich an 1,5 Tagen in der Woche. Ihr Urlaubsanspruch beträgt also 33:6x1,5=8,25 Tage. Nimmt sie sich eine Woche Urlaub, so ist zu schauen, ob es sich um eine Woche handelt, in der sie ohne Urlaub freitags hätte arbeiten müssen. Dann benötigt sie zwei Urlaubstage für eine Woche Urlaub. Hätte sie freitags ohnehin frei gehabt, benötigt sie für die Urlaubswoche nur einen Urlaubstag.
Kündigung
Beispiel
A beschäftigt in seiner Apotheke sechs Vollzeitmitarbeiter, eine PKA-Auszubildende, einen Pharmaziepraktikanten sowie sieben 400-€-Kräfte, darunter zwei Boten und eine Putzhilfe. Der Bote B ist seit 1,5 Jahren als 400-€-Kraft in der Apotheke tätig. Am 30. September händigt ihm A die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober aus. B möchte die Kündigung nicht akzeptieren und beruft sich auf das Kündigungsschutzgesetz. A verweist darauf, dass B keinen Vertrag habe und somit auch keine Rechte.
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterscheidet nicht danach, ob ein Mitarbeiter Vollzeit arbeitet oder auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung. Ebenso wenig wird danach unterschieden, ob der Mitarbeiter einen schriftlichen Vertrag hat oder per Handschlag eingestellt wurde. Das KSchG ist daher ohne Weiteres auf 400-€-Kräfte anzuwenden. Ein Arbeitnehmer kann sich auf Kündigungsschutz berufen, wenn sein Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht und das KSchG auf den Betrieb anwendbar ist. Da B bereits seit 1,5 Jahren für A tätig ist, kommt es nur noch darauf an, ob das KSchG für die Apotheke gilt.
Das KSchG nimmt sog. Kleinbetriebe von seinem Anwendungsbereich aus, also solche mit höchstens 10 Arbeitnehmern. A beschäftigt insgesamt 15 Personen, dennoch handelt es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des §23 KSchG. Auszubildende werden bei der Feststellung der Zahl der Arbeitnehmer nicht berücksichtigt. Zu den Auszubildenden gehören nicht nur PKAs während der Ausbildungszeit, sondern auch PTA-Anwärter während des Praktikums sowie Pharmaziepraktikanten. Gezählt werden alle weiteren Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob es sich um typische Apothekenmitarbeiter handelt oder beispielsweise um die Putzhilfe. Jeder Arbeitnehmer wird mit einem Zählwert belegt, der von der Anzahl der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden abhängig ist. Bei einer Beschäftigung von bis zu 20 Stunden in der Woche beträgt der Zählwert 0,5, bei bis zu 30 Stunden 0,75 und über 30 Stunden beträgt er 1. So gelangt man bei der Apotheke des A auf 9,5 Mitarbeiter, es handelt sich also um einen Kleinbetrieb. B kann sich nicht auf Kündigungsschutz berufen.
Variante
A händigt B am 1. Oktober das Kündigungsschreiben aus. Dieser beruft sich darauf, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist nicht beachtet wurde.
Die Fristen, die ein Apothekenleiter bei Ausspruch einer Kündigung zu beachten hat, können sich aus §19 BRTV oder aus §622 BGB ergeben. Nach dem BRTV gilt eine Grundkündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Eine am 1. Oktober ausgesprochene Kündigung kann daher ein Arbeitsverhältnis nicht zu Ende Oktober beenden, die Kündigung müsste spätestens am 30. September zugehen.
Im Beispielsfall ist der BRTV aber nicht auf B anwendbar, da er als Bote nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des BRTV fällt. Für B gilt daher das Gesetz. Nach §622 BGB ist in den ersten zwei Jahren der Beschäftigung eine Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Letzten eines Monats einzuhalten. A konnte mit der am 1. Oktober ausgesprochenen Kündigung die Vier-Wochen-Frist wahren. Das Arbeitsverhältnis des B endet daher am 31. Oktober.
Buch-Tipp
Jasmin Theuringer:CheckAp 400-€-Minijobs in der Apotheke, Deutscher Apotheker Verlag, 2011, 18,90 €
zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(22):8-8