AMNOG

Maßnahmen zum Jahresende


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Umstellung der Großhandelsvergütung, sicher einer der einschneidenden Punkte für die Apotheken, steht vor der Tür. Was sollte jetzt bis zum Jahresende erledigt werden? Lohnt noch eine Bevorratung? Und wie kann eine clevere Verhandlungsstrategie aussehen?

Wie geht es weiter mit den Großhandelskonditionen?

Jetzt wird es Ernst: Zu welchen Konditionen wird ab Januar geliefert? Durch das AMNOG sollten Großhandel und Apotheken gleichermaßen mit je rund 200 Mio.€ p.a. belastet werden. Der heutige vorgeschaltete 0,85%ige Abschlag (bezogen auf den Herstellerpreis und vom Apothekeneinkaufspreis abgezogen) entspricht auf wenige Millionen Euro genau den Einbußen, welche die neue Großhandelstaxe mit sich bringt. Insoweit ändert sich rein rechnerisch für den Großhandel fast nichts. Werden heute bereits die 0,85% an die Apotheke „durchgereicht“, wären theoretisch keine Veränderungen an den Rabatten nötig.

Tatsächlich jedoch gebietet die neue Aufschlagssystematik (0,70€ nicht rabattfähiger Fixaufschlag und 3,15% variabler Aufschlag, gedeckelt bei 37,80€ bei den Hochpreisern bei Rx-Arzneimitteln ohne Tierarzneimittel) eine Umstellung der Rabattkonditionen.

Die neue Grundrabatt-Formel dürfte also künftig lauten: bis knapp 3,0% Rabatt plus x% Skonto, Hochpreiser extra. Unge­achtet dessen sollten Sie für sich einen Zielnachlass definieren:

Ist-Rabatt in % Ende 2010, effektiv inklusive Skonto (ohne Hochpreiser)

  • plus die bereits 2011 erfolgten Rabatt-/Skontokürzungen bzw. Gebührenerhöhungen in % vom Rx-Einkaufsvolumen
  • minus statistisch 0,8%-Punkte infolge Taxumstellung im Schnitt
  • plus/minus Strukturkomponente (niedrigpreisig: bis ca. plus 0,5%-Punkte, hochpreisig: bis ca. minus 0,5%-Punkte)
  • minus Beitrag zur Verbesserung des Großhandelsertrages (bis ca. 0,5%-Punkte)

= Ziel-Nachlass 2012.

Beispiel: Bis 2010 haben Sie 5% effektiven Nachlass auf Rx ohne Hochpreiser bei Ihrem Hauptlieferanten erhalten. 2011 wurden die Konditionen effektiv bereits um 0,75%-Punkte gekürzt. Sie sind eher hochpreisig (Packungswert Rx 35€ zu Herstellerpreisen) aufgestellt.

Dann betrüge der fair kalkulierte Zielnachlass für 2012 4,20%: 5% Ausgangsrabatt, plus 0,75% bereits erfolgte Rabattkürzung 2011, minus durchschnittlich 0,8% durch Taxumstellung, minus 0,25% wegen Hochpreisigkeit, minus 0,5% zur Gewinnverbesserung für den Großhandel. In dieser Kalkulation hat der Großhandel übrigens seine Lasten bereits vollumfänglich weitergereicht, das Strukturrisiko (in die­sem Falle Hochpreisigkeit) ist berücksichtigt und der Ertrag ist um 0,5%-Punkte verbessert worden. Das ist sehr fair – und deshalb sollte dieser Rechengang die Verhandlungsuntergrenze dar­stellen!

Das Verhandlungsergebnis könn­te somit lauten: 2,75% Rabatt plus 1,5% Skonto oder 2,95% Rabatt plus 1,25% Skonto. Dies entspräche dann einem Nachlass von 4,20% bis 4,25%. Die Hochpreiser sind extra zu verhandeln, eine 50/50-Teilung des Fixbetrags von 37,80€ liegt nahe.

Aber aufgepasst: Durch Rabattstaffeln oder Ausschlüsse bei Rabatt und Skonto kann sich dieses Ergebnis schnell wieder verwässern, das Gleiche gilt für sonstige Gebühren und Abschläge z.B. bei Retouren.

Als Bonbon können Sie in der Verhandlung mit dem Umpolen von Non-Rx-Direktbestellungen in Richtung Großhandel winken. Wie erwähnt, liegen hier für den Großhandel Renditepotenziale.

Wer absolut rechnen möchte, was auf Ebene von Großhandel und Apotheke verbleibt, sollte unsere Excel-Datei im AWA-Internet-Auftritt nutzen.

Jetzt noch bevorraten?

Da der neue Fixzuschlag des Großhandels von 0,70€ im nächsten Jahr vor allem die billigeren Packungen spürbar teurer machen wird, liegt der Gedanke an eine Bevorratung nahe. Unter 36,80€ zum Netto-Apothekeneinkaufspreis verteuert sich der Einkauf rechnerisch ab 2012 – ohne Berücksichtigung möglicher Rabattverschlechterungen im nächsten Jahr, was häufig noch übersehen wird. Durch niedrigere Rabatte verschiebt sich diese Grenze weiter nach oben. Schlechtere Rabatte ab 2012 sprächen somit zusätzlich für ein Vorziehen von Käufen. Doch lohnt sich eine Bevorratung, wenn man die absoluten Beträge betrachtet?

Hierzu wird eine durchschnittliche Apotheke mit 30.000 Rx-Packungen p.a. und einer dem Schnitt entsprechenden Wertverteilung angeschaut. In die Betrachtung gehen nicht nur die Auswirkungen der neuen Bezugs­konditionen ein, sondern auch die Kapital- und Lagerkosten, die vom Packungswert abhängen – teurere Packungen haben höhere Risiken. Zusammengefasst ergeben sich folgende Resultate, unterstellt wurden um 1,5%-Punkte schlechtere Rabatte ab 2012 und ein monatlicher Kapital- und Lagerkostensatz von 1%:

  • Das lohnendste Preissegment liegt bei Apothekeneinkaufspreisen bis etwa 7,50€ netto. Hier konzentrieren sich im Schnitt fast 50% der Packungen, gleichzeitig hält sich die Kapitalbindung in Grenzen.
  • Die rechnerisch optimale zusätzliche Bevorratungsdauer über die normale Lagerhaltung hinaus bewegt sich im Bereich von etwa sechs Monaten unterhalb eines Einkaufspreises von 5,00€ und etwa drei bis vier Monaten ab 5,00€ bis ca. 7,50€.
  • Oberhalb von etwa 7,00€ bis 8,00€ ist die Bevorratung zunehmend weniger sinnvoll. Die Kapitalkosten und das Lagerrisiko fressen den Vorteil rasch auf.
  • Absolut müssten zum optimalen Ausschöpfen der Einkaufsvorteile rund 7.000 Packungen im Wert von gut 20.000€ zusätzlich bevorratet werden – das ist wirklich viel! Der erreichbare effektive Einkaufsvorteil dürfte sich dagegen im Bereich von et­wa 2.000€ bis 3.000€ abspielen, oh­ne Ansatz der Kapital- und Lagerkosten sind es knapp 4.000€ – ein nicht allzu großer Betrag im Hinblick auf den hohen Kapital­einsatz und die Raumprobleme (etliche Tausend Packungen!). Genauere individuelle Rechnungen erlaubt unser Excel-Blatt.


Vergessen werden darf bei alldem nicht, dass über dem Rx-Segment viele Fragezeichen hängen: Rabattverträge, Verordnungsumstellungen, das Verfallrisiko im Zusammenwirken mit schlechteren Retouren­kon­diti­o­nen. Somit bleibt festzuhalten: Eine ambitionierte Bevorratung erscheint angesichts der absolut zu generierenden Vorteile sehr riskant. Sie dürfte nur für ausgewählte überschaubare und billige Einzelprodukte unter etwa 7,50€ in Betracht kommen.

Drohen Lagerwertverluste?

Bei vielen Reformen mussten die Apotheken zusätzlich zu Margenabsenkungen noch Lagerwertverluste hinnehmen. Das ist diesmal zumindest im Durchschnitt anders. Statistisch ist sogar eine leichte Aufwertung des Rx-Warenlagers in der Größenordnung von gut 1% zum Januar 2012 zu erwarten. Grund ist, dass die Einkaufspreise auf Apothekenebene zum nächsten Jahr infolge der neuen Großhandelsvergütung, aber zusätzlich auch im Gefolge mutmaßlich schlechterer Rabatte im Durchschnitt etwas steigen. Mit anderen Worten: Ihr Warenlager wird zur Abwechslung einmal etwas wertvoller. Absolut hält sich das freilich in Grenzen; ein durchschnittliches Lager – nur der Rx-Anteil ist betroffen – dürfte im überschaubaren Bereich von etwa 1.000€ profitieren. Der Hauptgrund liegt allerdings in den mutmaßlich schlechteren Großhandelsrabatten nächstes Jahr; blieben die Rabatte gleich, hielten sich Aufwertung (unter 36,80 € Netto-Apothekeneinkaufs­preis) und Abwertung bei teureren Packungen in etwa die Waage.

Abwertungen drohen bei den höher- und hochpreisigen Produkten in den letzten beiden Taxstufen: in der vorletzten Stufe durch Kürzung des Großhandelsaufschlags von 6,00% auf 3,15%, bei den Hochpreisern durch einen um 34,20€ reduzierten Fixaufschlag. Dafür fällt der 0,85%- Abschlag weg und geringere Rabatte wirken nächstes Jahr in­soweit dieser erzwungenen Preis­absenkung entgegen. So dürften sich die Abwertungen im Schnitt mit rund 1% in diesen beiden letzten Taxstufen ebenfalls in Grenzen halten. Zudem: Wer hat schon viele Hochpreiser über längere Zeit auf Lager?

Was wird aus dem Direkteinkauf?

Auf den ersten Blick wird das Direktgeschäft spürbar entwertet – im Rx-Segment; das OTC-Geschäft bleibt dagegen zumindest gesetzlich unangetastet.

Wird bislang noch oftmals die Großhandelsmarge „durchgereicht“ (das sind in der untersten Preisstufe bis 3,45€ Netto-Apo­thekeneinkaufspreis immerhin 13,04%, erst oberhalb 6,00€ wird die Großhandelsspanne dann einstellig), plus Skonto und Valuta, so wird hier künftig nach dem Willen des Gesetzgebers ebenfalls ein Deckel in Höhe der dann geltenden Großhandelsmargen (ca. 3%) eingezogen, aber nach wie vor zuzüglich Skonto und Valuta.

Indes wird gerne die wertmäßige Bedeutung überschätzt, sodass die Frage erlaubt sein muss, ob sich für normale Apotheken große Klimmzüge wirklich lohnen. Regelhaft weniger als 5% nach Wert entfallen auf die unterste Taxstufe bis 3,45€, selbst bis 6,00€ Einkaufswert wird die 5%-Marke oft nicht erreicht oder nur knapp überschritten, während nach Anzahl die unterste Stufe gegen 25% und der Bereich bis 6,00€ gut 40% ausmachen. Selbst eine Apotheke mit einem stolzen Rx-Einkaufsvolumen von 2Mio.€ (entsprechend etwa 60.000 bis 70.000 Packungen) wickelt insgesamt, also über Großhandel und Direktbezug, oft allenfalls um 100.000€ in diesem heute noch „margenstarken“ Bereich ab. Sogar bei einem Direktbezugsanteil von einem Drittel und einem Rabattverlust von 8%- bis 10%-Punkten lassen sich die Einbußen auf einen niedrigen vierstelligen Betrag um 3.000€ beziffern, bei einer solchen Top-Apotheke wohlgemerkt. Im Durchschnitt spielt sich das Ganze auf einem weitaus niedrigeren Level ab.

Der Kauf ab Menge 1 dürfte daher künftig oft lohnender sein als Großeinkäufe mit hoher Kapitalbindung und Handlingkosten; im Endergebnis ist somit eine wertmäßig allerdings überschaubare Warenlagerreduktion durch die Verringerung der Lagertiefe denkbar.

Rechentool online

Eine Excel-Datei mit Rechnungen zur Großhandelstaxe und Bevorratung finden Sie hier zum Download

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(22):5-5