Leerverkäufe

Handelsverbot hat nur politische Bedeutung


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wenn die Kurse an den Weltbörsen einbrechen, sind die Schuldigen schnell ausgemacht: Wagemutige Spekulanten – so ist zu lesen – überschwemmen die Märkte mit Leerverkäufen. Doch das Verbot dieser Transaktionsart in Deutschland hat allenfalls politische Bedeutung.

  • Bei gedeckten Leerverkäufen leiht sich der Spekulant das gewünschte Basisprodukt z.B. bei einer Fondsgesellschaft aus und verkauft es unmittelbar an der Börse zum aktuellen Tageskurs. Er hofft, es nach einer bestimmten Zeit günstiger wieder an der Börse erwerben zu können, um es dem Verleiher zurückzu­geben. Die Wertpapierleihe kostet einen festen Obolus, der für die Fondsgesellschaft eine wichtige Ertragsquelle darstellt.
  • Ungedeckte Leerverkäufe sind wesentlich kurzfristiger angelegt. Hier verkauft der Anleger z.B. am frühen Morgen eine Aktie, die er gar nicht besitzt, da er während des Tages einen starken Kursrückgang erwartet. Tritt dieser ein, kauft er die Aktie zurück, sodass die Transaktion glattgestellt wird und er einen entsprechenden Gewinn macht.


Beide Varianten bringen allerdings nur Profit, wenn der Kurs des ausgewählten Papiers tatsächlich fällt. Legt er jedoch wider Erwarten zu, kann das Geschäft hohe Verluste mit sich bringen. Denn das Problem beider Leerverkaufsarten liegt darin, dass die Spekulation quasi ohne eigenen Kapitaleinsatz erfolgt. Ein Spekulant kann z.B. 100.000 Munich Re-Aktien mit einem Wert von fast 1 Mio.€ verkaufen und später zurückkaufen, ohne Kapital einsetzen zu müssen. Büßt das Papier während der Börsensitzung auch nur 2€ ein, hat er ohne Berücksichtigung der Spesen an einem einzigen Tag 200.000€ Profit gemacht. Das Ganze kann aber auch schiefgehen: Sollte die Aktie um 2€ steigen, muss er sie entsprechend teurer an der Börse zurückkaufen und verbucht einen Verlust von 200.000€.

Marktentwicklung nach Wunsch

Zudem kommt es zu nicht un­er­heblichen Marktbeeinflussungen. Ist z.B. einem Emittenten eines Optionsscheins daran gelegen, dass der Kurs der Allianz-Aktie zum Abrechnungszeitpunkt des Optionsscheins unter einem bestimmten Level liegt (was ihn wertlos macht), kann er mit kurz zuvor gestarteten umfangreichen Leerverkäufen den Markt unter Druck setzen. Die Aktie fällt, der Optionsschein wird wertlos und so ganz nebenbei hat der Leerverkäufer auch noch mit diesem Verkauf und anschließendem billigeren Rückkauf einen Profit gemacht. Je nach Vo­lumen können solche Transak­tionen sogar ganze Märkte zum Absturz bringen.

Entsprechend wurden erstmals 2008 und zuletzt 2011 Leerverkäufe auf bestimmte Werte in Deutschland, aber auch in europäischen Nachbarländern verboten. Die Wirkung war jedoch allenfalls politischer Natur. Denn zum einen liegt der Schwerpunkt dieser Transaktionen in den USA, wo auch deutsche Papiere rege gehandelt werden. Zum anderen haben sich längst internationale außerbörsliche Handelsplattfor­men gebildet, die insbeson­dere professionellen Anlegern umfassende Transaktionsmöglichkeiten bieten; privaten Anlegern ist der Zugang dagegen weitgehend verwehrt.

Dennoch besteht auch hierzu­lande weiterhin die Möglichkeit, auf fallende Kurse zu setzen. Zu nennen sind etwa Transaktionen an der Terminbörse Eurex, beispielsweise der Kauf einer Verkaufsoption (vgl. AWA-Ausgabe Nr. 14 vom 15. Juli 2011, Seite 15). Aber auch mit Put-Optionsscheinen und den noch relativ neuen Short-ETFs sind entsprechende Absicherungs- bzw. Spekulationsstrategien problemlos möglich. Wer vom schnellen Auf und Ab der Notierungen während einer Börsensitzung profitieren will, kann mit Day Turbos (vgl. AWA-Ausgabe Nr. 8 vom 15. April 2011, Seite 15) die passende Strategie finden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(24):14-14