Das Minimaxprinzip

Mit wenig Aufwand viel erreichen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Ob in der Industrie, beim Staat oder in der Gesellschaft: Es werden häufig größere Summen bewegt, teils richtige Materialschlachten geschlagen – für oft erschreckend geringe Resultate. Der „Fortschrittsfalle“ und dem „abnehmenden Grenznutzen“ kann man aber clever begegnen.

  • Der Blickwinkel der Kunden: Wie können Sie mit überschaubaren Aufwendungen Ihre At­traktivität für die Kunden deutlich steigern?
  • Die betriebsinterne Perspek­tive: Wie lassen sich Aufwand und Nutzen bei der Optimierung der Betriebsabläufe und der Orga­nisation sowie bei der Verbesserung wirtschaftlicher Kenn­zahlen gut austarieren?

Attraktivität steigern

Betrachten wir zunächst die Apotheke mit den Augen des Kunden. Hier geht es darum, die eigene Apotheke von der Konkurrenz abzusetzen durch ein entsprechendes Erscheinungsbild und Ambiente, die beson­dere persön­liche Note und immer wieder neue positive Überraschungsmomente.

Entscheidend ist dabei, sich darauf zu konzentrieren, was in der Wahrnehmung der Kundschaft die größte Rolle spielt und hohe Erinnerungs- und Wiedererkennungswerte verspricht. Was hingegen von den Menschen kaum registriert wird, muss auch nicht aufwendig umgestaltet werden. Hier bestehen oft erhebliche Differenzen zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung, und dies wird durch die Anbieter zahlreicher Apothekendienstleistungen verstärkt. Eine günstige Lösung verspricht geringere Gewinne, deshalb raten Berater und Anbieter meist zu Komplettmodernisierungen und tiefgreifenden Um­gestaltungen.

Ob den Kunden das gefällt oder einen Nutzen bringt, spielt überraschend oft nur eine Neben­rolle. Im Gegenteil: Eine grund­legende Neumöblierung wird in etlichen Fällen nicht einmal po­sitiv wahrgenommen, denn sie bricht nicht selten mit der bisherigen Tradition sowie lieb gewonnen Eigenheiten der Apotheke und schreckt ältere konservative Kunden sogar ab. Da sind klei­nere Lösungen, die gezielt die von den Kunden registrierten Schwachpunkte beseitigen und zudem noch einige „Glanzpunkte“ setzen, weitaus intelligenter und billiger.

Sicher spielen auch weitere Überlegungen eine Rolle: der zeitliche Horizont (wie lange kann bzw. soll die Apotheke am derzeitigen Standort unter der jetzigen Leitung noch betrieben werden), steuerliche Erwägungen (wobei steuerliche Absetzbarkeit zwar bedeutet, dass die Investition netto bestenfalls nur etwa die Hälfte kostet, aber sie kostet unter dem Strich immer noch...) oder eben die Erkenntnis, dass der Betrieb so „abgewohnt“ ist, dass tatsächlich ein grundlegender Umbau Erfolg versprechender erscheint als eine ständige Flickschusterei, die am Ende dann doch teurer kommt.

Manch einer mag sich von der gegenwärtigen Euro-Hysterie anstecken lassen und lieber jetzt noch „richtig“ investieren in der Erwartung, der Geldwert schwinde bald wie Schnee in der Sonne. Dazu ist zu sagen, dass Angst selten ein guter Ratgeber ist. Selbst wenn man eine krisenhafte Zuspitzung erwartet, ist eine wenig werthaltige bzw. zu teure, dem Nutzen unangemessene Investition keine besonders cle­vere Antwort. In vielen Fällen ist daher das „Minimaxprinzip“ – minimaler Aufwand, maximaler Ertrag – die empfehlenswer­tere Lösung.

Betrachten Sie zunächst den Sympathiewert Ihrer Apotheke. Was hebt den Betrieb angenehm aus der Masse heraus? Wie hoch ist der Wiedererkennungswert? Was nennen Ihre Kunden zuerst, wenn Sie nach der Apotheke gefragt werden? Sympathie ist vielschichtig und hier spielen vor allem die Menschen selbst eine herausragende Rolle. An erster Stelle stehen natürlich die Freundlichkeit und das menschlich gewinnende Wesen der Akteure. Dieses Thema soll hier nicht weiter vertieft werden. Wohl aber können Sie eine solche positive Ausstrahlung durch recht einfache Maßnahmen weiter verstärken:

  • Bereits kleine Accessoires und Akzente bei Kleidung und Erscheinung können viel aus­machen. Es muss nicht unbedingt die einheitliche Berufskleidung von Kopf bis Fuß sein, es reichen durchaus gewisse verbindende, für den Kunden deutlich erkennbare Elemente.
  • Die Kundenbegrüßung und -verabschiedung sollte bei ausnahmslos jedem Mitarbeiter einen angemessenen „Mindeststandard“ erfüllen, der Kunde muss sich angenehm wahrgenommen und willkommen fühlen.


Voraussetzung ist jedoch ein „fruchtbarer Boden“, auf welchem diese sympathiefördernden Aktionen gedeihen können, und der heißt Motivation und Arbeitsfreude. Stimmt das Klima nicht, nützen nette Äußerlichkeiten auch nichts mehr. Und selbst bei der Mitarbeitermoti­vation hilft viel nicht unbedingt viel: Kleine Aufmerksamkeiten, Lob, gewisse Freiheiten und Spaß wirken oft stärker als teure zusätzliche Gehaltsbestandteile.

Machen Sie sich weiterhin Gedanken um einen Sympathieträger, der die Apotheke fortan begleitet. Ob ein originelles Logo, eine Figur („Maskottchen“) oder ein bekanntes Wahrzeichen wie ein historisches Gebäude: Steigern Sie so Ihren Wiedererkennungswert. Eine lustige Fantasiefigur, eben das Apothekenmaskottchen, bietet dabei viele Vorteile: Es kann auf Briefbögen, Tragetaschen oder im Internet erscheinen, überlebensgroß am Eingang stehen, als Kleinfigur als Schlüsselanhänger dienen und vieles mehr, wobei man hier dann wieder den Aufwand betrachten muss.

Wer sich für ein historisches Wahrzeichen entscheidet, kann darüber nachdenken, ein liebevoll aufgebautes, nicht zu kleines und hübsch beleuchtetes Modell davon in der Offizin oder im Schaufenster als Blickfang aufzustellen. Der Wiedererkennungswert ist hierbei groß.

Einrichtung und Äußeres

Befinden sich äußeres Erscheinungsbild und Inneneinrichtung nicht gerade in einem desolaten Zustand, können Sie eine solche im Grundsatz solide, wenn auch nicht allzu attraktive Basis durch einfache Maßnahmen erheblich aufwerten:

  • Neue Farbe wirkt oft Wunder; ein noch wenig entdecktes, kreativ nutzbares Spielfeld sind übrigens die Raumdecken.
  • Durch eine gründliche Tiefenreinigung von Leuchtschildern, Fenstereinfassungen, Blenden oder Türeinfassungen tritt eine Menge neuer Glanz zutage.

  • Setzen Sie Lichtakzente. Da­zu bedarf es meist nicht einer komplett neuen Beleuchtung. Einige geschickt positionierte Deckenfluter und Spots, das Spiel mit Farben, die Nutzung der inzwischen langsam praxistauglichen LED-Technik, der Verzicht auf die eine oder andere veraltete Lichtquelle (auch Abschalten kann wirken): Hier können Sie „Glanzpunkte“ setzen. Licht lockt Leute und wird das Ambiente Ihrer Apotheke positiv verändern.
  • Beleben Sie die Offizin und werten Sie sie mit natürlichen Elementen auf: Grünpflanzen (aus hygienischen Gründen sind künstliche Pflanzen vorzuziehen, die es aber in erstaunlich lebensechter Form gibt), Wasserspiele bzw. Springbrunnen, größere eindrucksvolle Mineralien, vielleicht sogar ein Aquarium oder Terrarium (wobei sich hier immer die Frage der Pflege stellt – ein ungepflegtes Becken wirkt nicht gerade imagefördernd).
  • Duftakzente mittels elektrischer Duftspender und eine Musikbeschallung sind ebenfalls mit überschaubaren Kosten realisierbar. Da hier Geschmacksfragen dominieren, sollten Sie nicht übertreiben. Dass die richtigen Düfte anregend und motivierend wirken können (auch für das Per-sonal), ist indes erwiesen.
  • Kunst in Form von wechselnden Ausstellungen kann einer Offizin, entsprechenden Platz vorausgesetzt, zu einer neuen Lebendigkeit verhelfen und das Bild der Apotheke entscheidend prägen. Sie sollten allerdings „Überzeugungstäter“ sein und da­hinterstehen; nur als reine Marketingmaßnahme geplant, wird dies schnell als solche entlarvt und wirkt dann kontraproduktiv.

  • „Technikfreaks“ werden heute auf Flachbildschirme setzen. Entscheidend ist hier der Inhalt, und da mangelt es vielfach noch an guten Angeboten, die über plumpe Werbung und Allerweltsinformationen hinausgehen. Doch lassen sich die Geräte ohne Weiteres mit eigenen Bildern, Präsentationen etc. bespielen, sodass Ihre Kreativität auch hier ihren Ausdruck finden kann.
  • Wer noch weiter gehen möchte, sollte sich einmal mit der heutigen Robotertechnik beschäftigen. Man staunt, was es alles für inzwischen gar nicht mehr so hohe Preise gibt. Roboter-Staubsauger, Service-Roboter, „Späher“ und Kunstwesen aller Art – von ernsthaft bis verspielt und abgehoben gibt es alles Mögliche. Damit lässt sich durchaus Aufmerksamkeit gewinnen, das hat nicht jeder. In unserer schnelllebigen Welt verblassen indes solche Eindrücke rasch wieder – technische Spielereien haben eine eher kurze Halbwertszeit.


Seien Sie kreativ und verlassen Sie ausgetretene Wege: Stellen Sie einfach einmal an einem Wochenende das bewegliche Mobi­liar in der Offizin um, lassen Sie der Fantasie freien Lauf. Nicht selten werden Sie feststellen, dass bereits ein simples Umplatzieren verschiedener Einrichtungsgegenstände Ihrer Apotheke ein viel besseres Aussehen verleihen kann! Noch das eine oder andere Element dazugestellt, einen kleinen neuen „Glanzpunkt“ gesetzt – und alles sieht schon ganz anders aus.

Übrigens: Auch im Backoffice gelingt es durch vorurteilsfreies kreatives Herangehen oft, einge-fahrene Wege zu verlassen sowie Abläufe und das Alltagsleben zu vereinfachen. Interessanterweise muss man sich aber zu so einem Schritt aktiv durchringen; in der Alltagsroutine kommt niemand auf die Idee, den im Weg stehenden Schrank, den völlig unsinnig platzierten Rechner oder das Chaos der ganzen Kataloge und Sammelsurien einmal anzugehen, sondern man arrangiert sich mit diesen Unpässlichkeiten und nimmt sie irgendwann gar nicht mehr richtig wahr.

Kleine Freuden mit Pfiff

Sofern Sie nicht in direkter Konkurrenz zu einer Apotheke mit ausgefeiltem Marketingkonzept und Kundenbindungsprogramm stehen, können Sie auch mit viel geringerem Aufwand Ihre Kunden bei Laune halten: Geben Sie von Herzen und mit Sinn und Verstand! Eine situationsbezo­gene Zugabe, die dem Kunden weiterhilft (z.B. ein geringwertiges, aber wichtiges Zubehörteil wie eine Spritze, eine Batterie oder ein Adapter, das Schlüssel­lämpchen in der dunklen Jahreszeit, der Eiskratzer usw.), hinterlässt einen dauerhaften Eindruck. Des­gleichen eine Blume, der kleine Glücksklee, ein „Trostpflaster“ für die Kleinen oder schlicht ein Obststück – passend zum Anlass können Sie hier punkten, wenn die Kunden merken: Hier denkt und fühlt jemand mit. Und unter dem Strich ist dies in der Regel recht günstig.

Mit kleinen Neuerungen, öfter einmal einem Infoblatt zu einem aktuellen Thema und Aktionen, die die Interessen und Bedürf­nisse der Kunden gezielt aufgreifen, halten Sie den Betrieb lebendig, ohne die Kosten auswuchern zu lassen.

Gezielte Provokationen?

Eine vom reinen Kostenaufwand her in der Regel günstige, allerdings auch gefährliche Gratwan-derung ist die gezielte Provokation, mit der Sie sich eindrücklich von der Konkurrenz abheben. Das kann ein provokanter Slogan sein, der sorgfältig bedacht gewisse Grenzen überschreitet, aber nicht so, dass das Ganze ins Gegenteil kippt und abschreckt. Hier zählt die Kombination aus entwaffnender Ehrlichkeit und Offenheit, verbunden mit Witz, Charme und Intelligenz.

Das können weiterhin gewisse Ausstellungsstücke und Präsentationen sein zu Themen und mit Darstellungen, an die sich andere bisher nicht herangewagt haben oder zu denen es schlicht bisher kein „Fertigfutter“ von der Industrie oder von Medienpartnern gibt. Zu nennen sind hier exotische geheimnisvolle Tiere oder Pflanzen (ggf. temporär ausgeliehen), „Körperwelten“, d.h. ungewöhnliche anatomische Dar­stellungen, aber auch bekannte Themen, die einmal ganz anders und unkonventionell aufbereitet werden.

Die gezielte und wohldosierte Provokation als Marketing- und Profilierungsinstrument ist die ganz hohe Schule der Werbung. Sie ist nicht ohne Risiko, bietet aber eben auch die große Chance, Ihre Apotheke dauerhaft so in den Köpfen zu verankern, dass die Kunden ihr den Vorzug vor der „langweiligen“ Konkurrenz geben.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(01):7-7