Dr. Bettina Mecking
Vorheriges Einverständnis des Kunden erforderlich
Bei den von Apothekenleitern gespeicherten Kundendaten handelt es sich in der Regel um den Namen, die Adresse, das Geburtsdatum, die Krankenkassenzugehörigkeit sowie um das Medikationsprofil des Kunden. Dabei werden heute in den Apotheken immer mehr Daten zum Zweck der pharmazeutischen Betreuung gespeichert. Die Daten werden üblicherweise durch die Verwendung von Kundenkarten erlangt. Beim Erhalt einer Kundenkarte willigt der Kunde durch seine schriftliche Einverständniserklärung üblicherweise jedoch nur in das Speichern seiner personenbezogenen Daten auf einem Datenträger beim Apotheker seines Vertrauens ein, selten umfasst diese Erklärung auch eine Einwilligung zur Weitergabe der Daten für den Fall eines Apothekenverkaufs.
Beim Umgang mit personenbezogenen Daten muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des Persönlichkeitsrechts der Kunden beachtet werden (§1 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz – BDSG). Apotheker unterliegen als Geheimnisträger im Sinne des Strafgesetzbuchs (StGB) einer besonderen Schweigepflicht. Ihnen ist das Offenbaren eines zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisses, das ihnen in ihrer Eigenschaft als Heilberufler bekannt geworden ist, strikt untersagt. §203 StGB stellt die Zuwiderhandlung mit der Androhung von bis zu einem Jahr Freiheitsentzug unter Strafe.
Nicht nur die Gesundheitsdaten, sondern auch der Name und das Geburtsdatum des Patienten sowie alle anderen personenbezogenen Daten gehören dabei zu den „Geheimnissen“ des §203 StGB. Geheimnisse sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den die Daten betreffen, ein von seinem Standpunkt aus sachliches Interesse hat. Unerheblich ist dabei, auf welchen Bereich sich das Geheimnis bezieht.
Vor diesem Hintergrund muss der Kunde frei darüber entscheiden können, ob er seine Daten, die häufig über sensible Einzelheiten Aufschluss geben, an einen anderen Apotheker weitergeben will oder nicht. Daher ist bei einem Verkauf der Apotheke erneut eine vorherige schriftliche Einverständniserklärung des Betroffenen erforderlich. Ein Sonderfall, in dem Kraft Gesetzes darauf verzichtet werden kann, liegt bei der Übertragung eines Apothekenbetriebs nicht vor. Eine stillschweigende oder gar mutmaßliche Einwilligung reicht nicht aus.
Parallelen zum Verkauf einer Arztpraxis
Vielmehr gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen, die der Bundesgerichtshof (BGH) für den Verkauf einer Arztpraxis im Hinblick auf die Patientendaten aufgestellt hat. Danach ist eine Praxisveräußerung einschließlich der Übertragung der Patientenkartei ohne die eindeutige und unmissverständliche Einwilligung der Patienten in die Weitergabe der Akten, die sie betreffen, wegen Verstoßes gegen §203 StGB in Verbindung mit §134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich unwirksam (z.B. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1995, Aktenzeichen VIII ZR 25/94). Nach Feststellung des BGH verletzt eine derartige Veräußerung das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten sowie die ärztliche Schweigepflicht, da sich die Arzt-Patienten-Vertrauensbeziehung nicht ohne Weiteres auf einen Praxisnachfolger übertragen lässt.
Deshalb muss auch ein Apotheken-Kaufvertrag den Schutz der Kundengeheimnisse gewährleisten. Bloße vorherige oder begleitende Hinweise auf den Übergang der Apotheke, z.B. mittels eines Schildes an der Eingangstür, in der Tagespresse oder auf mündlichem Weg an die Patienten, genügen nicht, um den Zugriff des Nachfolgers auf die Kundendaten zu rechtfertigen. Der Bundesgerichtshof gab aber bisher auch keine klare „Handlungsanweisung“ für eine Übergabe der sensiblen Kundendaten und formulierte keine genauen Anforderungen an die Einwilligung der Kunden.
„Zwei-Schrank-Modell“
Aus Praktikabilitätsgründen wurde daher für die Übergabe einer Arztpraxis bei manuell geführten Patientenkarteien das „Zwei-Schrank-Modell“ entwickelt. Dabei behält der Veräußerer die informationsrechtliche Verfügungsbefugnis an den Altakten und übergibt sie dem Erwerber in einem verschlossenen Schrank. Dieser verpflichtet sich wiederum im Übernahmevertrag, die Kartei für den Veräußerer zu verwahren und nur fallbezogen Zugriff auf einzelne Akten zu nehmen, wenn ein früherer Patient ihn zur Behandlung aufsucht. Die alte Akte darf bei einem entsprechenden Einverständnis dieses Patienten entnommen und durch den Erwerber fortgeführt werden. Das Einverständnis ist dabei in der Akte zu dokumentieren.
Für die Übergabe elektronisch geführter Patientendaten gilt, dass der alte Bestand zu sperren und der Zugriff hierauf z.B. mittels Passwort zu sichern ist. Für einen erstmaligen Zugriff auf einen Patientendatensatz durch den Nachfolger ist die Zustimmung des Patienten erforderlich. Liegt diese vor, darf der Datensatz vom Nachfolger freigeschaltet und weitergenutzt werden.
Die Patientenkartei muss hinsichtlich der Patienten, deren Einverständniserklärung noch nicht vorliegt, verschlossen bzw. bei EDV-mäßiger Erfassung durch ein Passwort gesichert werden.
Schriftliche Zustimmung
Bei einer Apothekenübergabe ist nach den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorgaben die Einwilligung der Kunden zur Weitergabe der Kundendaten vom Verkäufer an den Käufer in schriftlicher Form einzuholen. Insoweit müsste der Verkäufer vor einer Übermittlung seiner bei ihm gespeicherten Kundendaten an den Käufer die schriftliche Einwilligung von jedem betroffenen Kunden einholen. Dies könnte z.B. dadurch geschehen, dass der Verkäufer in einem Rundbrief mit Rückantwortkarte seine in die Kundenkartei aufgenommenen Kunden um die Einwilligung bittet, ihre gespeicherten Daten dem Käufer der Apotheke übermitteln zu dürfen. Datenschutzrechtlich ausreichend wäre es auch, analog zur oben beschriebenen Vorgehensweise bei Arztpraxen, die verschlüsselten Daten dem Käufer ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Kunden mit der Maßgabe zu überlassen, die notwendige Einwilligung vor der Verwendung von diesen einzuholen.
Der aus Sicht der Kunden wie auch aller sonstigen Beteiligten klarste Weg zur Übergabe ist die schrittweise und behutsame Einführung des Übernehmenden im Rahmen einer entsprechenden Vorstellung durch den Veräußerer. Dieser Weg verspricht auch am ehesten Rechtssicherheit. Vielfach dürfte sich ein Apothekenübergang nicht von einem Tag auf den anderen vollziehen, sodass ein derartiges Vorgehen zumindest für die aktuellen Kunden auch möglich sein wird. Diese können dann bei ihrem Besuch in der Apotheke befragt und um ihr Einverständnis gebeten werden, sobald die Person des Nachfolgers feststeht. Bei größeren Apotheken mag dies sehr aufwendig sein – bei genauem Hinsehen ist es jedoch der einzige juristisch „saubere“ Weg.
Bei Stilllegung einer Apotheke darf wegen des Gebots der apothekerlichen Schweigepflicht und des Selbstbestimmungsrechts der Kunden bzgl. der Daten und Informationen, die sie betreffen, auch kein unabgestimmter gesonderter Verkauf der Kundenkartei an eine Nachbarapotheke erfolgen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(03):10-10