Lebenserwartungsfonds

Makabres Geschäft mit dem Tod


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Je früher ein Mensch stirbt, umso höher ist die Rendite – Lebensversicherungs­fonds basieren auf einer etwas eigenwilligen Moralauffassung. Doch nicht mehr jede Idee lässt sich problemlos lancieren: Die Deutsche Bank kauft auf Druck der Öffentlichkeit jetzt ein Produkt zurück.

Fonds als „Wohltäter“

Gegenüber Kritikern präsentieren sich die Fondsgesellschaften als „Wohltäter“, die es Schwerkranken ermöglichen, ihre Policen zu einem vergleichsweise hohen Preis zu verkaufen und so selbst noch vom ersparten Geld zu profitieren. Genauer betrachtet, wird die Geldanlage jedoch zu einem makabren Geschäft mit dem Tod. Je früher einer der Versicherten stirbt, umso eher kommt die Versicherungssumme zur Auszahlung und umso höher ist die Rendite für die Geldan­leger. Übersteigt die Lebensdauer jedoch die in den Gutachten vermutete Restlebenszeit, wirft das Investment nur geringe Erträge ab und kann – wenn die Police „zu teuer“ eingekauft wurde – sogar zum Verlustgeschäft werden.

Dies bekommen derzeit Anleger zu spüren, die vor fünf bis acht Jahren den „optimistischen“ Prognoserechnungen vertrauten: Vie­le Fonds erfüllen die Erwartungen nicht, die Renditen einiger Produkte sind – dank einer längeren Lebensdauer der Versicherten – eher mager. Kritik erfahren auch Fondsgesellschaften, die bei der Emission bereits mit veralteten Sterbetafeln arbeiteten und so die Renditepro­gnosen schönen konnten.

Während man für die Lebensversicherungsfonds aufgrund der schnellen Geldauszahlung an die Schwerkranken noch etwas Verständnis aufbringen könnte, erfahren die ebenfalls vor rund fünf Jahren entwickelten Lebenserwartungsfonds mittlerweile harte Kritik. Sie basieren allein auf statistischen Berechnungen hinsichtlich der Lebenserwartung einer von der Fondsgesellschaft ausgewählten Zielgruppe von meist mehreren Hundert Menschen im Alter zwischen 70 und 85 Jahren. Je früher diese sterben, umso höher ist die Rendite für Anleger. Üblich sind zwischen 8% und 10%, wenn die Referenzpersonen maximal 12 Monate länger leben als erwartet, bei höchstens 24 Monaten sind es meist nur 3% und bei einem noch längeren Leben geht die Rendite gegen null oder wird sogar negativ. „Wettgegner“ ist im Übrigen keineswegs eine Ver­sicherungsgesellschaft, sondern regelmäßig der Emittent der Fondsanteile selbst.

Dass Anleger jedoch – insbesondere bei schlechten Renditen –auch einmal nachdenklich werden, wird jetzt deutlich beim db Kompass Life 3-Fonds der Deutschen Bank, aufgelegt im Jahr 2007 und rund 200Mio.€ schwer: Auf Drängen der Öffentlichkeit wird engagierten Sparern derzeit ein Rückkaufsan­gebot unterbreitet. Dabei wird allerdings nicht unbedingt das Konzept selbst als verwerflich dargestellt, sondern insbesondere Vertrieb und Konstruktion. Viele Anleger wussten nach eigenen Angaben gar nicht, in was sie investierten, auch die jetzt offenkundigen Risiken waren wahrscheinlich manchem Investor nicht bekannt. Darüber hinaus stellen sich Fragen hinsichtlich der Prospekthaftung, aber auch die Sittenwidrigkeit als solche könnte noch die Gerichte beschäftigen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(12):14-14