Schuldenkrise

Niedrige Zinsen enteignen die Kleinsparer


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Schuldenkrise treibt vielfache Blüten: Aus Angst vor einer Hyperinflation und möglichen Währungsreform setzen Sparer zwar auf Sachwerte, kaufen aber auch deutsche Staatsanleihen. Die hier bezahlten extrem niedrigen Zinsen lassen jedoch die Realvermögen schrumpfen.

Inflation senkt Schuldenlast

Genau das ist jedoch die mehr oder minder bewusste Strategie der Bundesregierung und anderer, vergleichsweise finanzstarker Euroländer: Die niedrigen Zinsen führen nicht nur zu einem Boom in der Wirtschaft – und damit zu steigenden Steuereinnahmen. Vielmehr werden damit auch die Schulden quasi „weginflationiert“. Denn wenn für eine Anleihe lediglich z.B. 1,1% Zinsen vergütet werden (müssen), während die aktuelle Inflationsrate bei rund 2,0% liegt, sinkt die reale Schuldenlast allein durch die Inflationsrate jährlich um fast 1,0%.

Eine solche als „finanzielle Repression“ bezeichnete Entwicklung ist keineswegs neu. So wurden nach dem Zweiten Weltkrieg amerikanische Banken und Versicherungen dazu gedrängt, niedrig verzinste amerikanische Staatsanleihen zu kaufen. Gleichzeitig wurde dafür gesorgt, dass Anleger weder auf andere Produkte ausweichen noch ihr Geld ins Ausland transferieren konnten. Experten gehen davon aus, dass die USA auf diese Art und Weise ihre Staatsschuldenlast jährlich um 3% bis 4% reduzieren konnten.

Eine solche extreme Entwicklung ist heute zwar infolge der liberalisierten Kapitalmärkte nicht mehr möglich, zu unterschätzen ist die Problematik aber nicht. Denn über den negativen Realzins leistet letztlich jeder Sparer eine „Sondersteuer“, die er nicht einmal wirklich bemerkt. Funk­tionieren wird dies zumindest so lange, bis der Sicherheitsaspekt an Bedeutung verliert und Anleger den niedrig verzinsten Geld­anlagen den Rücken kehren.

Ohnehin ist der einzige Ausweg die Wahl von Anlagen, die mittel- bis langfristig höhere Erträge bringen, als die aktuelle Infla­tionsrate aufzehrt. Die Möglichkeiten reichen von festverzinslichen Un­ternehmensanleihen über Papiere aus Schwellenländern bis hin zu dividendenstarken Aktien und Sachwertanlagen, z.B. Immobilien. Allerdings drohen auch hier Risiken: Da immer mehr Sparer etwa den Bundes­anleihen den Rücken kehren, erlebten z.B. Unternehmensanleihen in den vergangenen zwölf Monaten einen enormen Boom. Die Folge: Steigende Kurse und damit sinkende Renditen – die oft in keinem gesunden Verhältnis mehr zu den Risiken stehen. Als Sparer sollten Sie sich daher angebotene Produkte genau ansehen und nur dort investieren, wo ein erhöhtes Risiko auch mit einem angemessenen Rendite­aufschlag (Anleihen) bzw. Kurs­potenzial (Aktien) bezahlt wird.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(14):13-13