Helmut Lehr
Steuerrisiko Veräußerungsgewinn
Sofern sich der Zugewinnausgleich außerhalb eines Erbfalls vollzieht, hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte einen Anspruch in Geld im Zeitpunkt der Güterstandsbeendigung. Dieser ist vom anderen Ehegatten zu erfüllen. Vielfach wird es jedoch so sein, dass der Ausgleichsverpflichtete nicht über genügend Barmittel verfügt und daher andere Vermögensgegenstände – insbesondere Immobilien – übertragen muss. Dabei handelt es sich – steuerjuristisch formuliert – um eine Leistung an Erfüllungs statt, da ein anderer als der geschuldete Gegenstand (Geld) hingegeben wird.
Die Hingabe des Grundstücks an Erfüllungs statt gilt als Veräußerungsgeschäft und kann deshalb zu einem steuerpflichtigen „Spekulationsgewinn“ führen, wenn das Objekt innerhalb von zehn Jahren vor der Übertragung an den Ehegatten angeschafft worden ist. Gründe für ein Absehen von der Besteuerung liegen nach Ansicht der Finanzverwaltung in Ehescheidungsfällen nicht vor2), daher dürfte auch in anderen Fällen auf die Besteuerung nicht verzichtet werden.
Hinweis: Werden Grundstücke übertragen, die zuvor (vollständig) für eigene Wohnzwecke genutzt wurden, entfällt die „Spekulationsbesteuerung“. Das Risiko einer steuerpflichtigen Gewinnrealisierung besteht also insbesondere bei der Übergabe von vermieteten Objekten3) und wenn Gegenstände des Betriebsvermögens übertragen werden.
Vermeidungsstrategien
Gerade bei fortbestehender Ehe könnte man einfache Gestaltungen in Betracht ziehen, um einen unerwünschten Veräußerungsgewinn zu vermeiden, beispielsweise einen Verzicht auf den Ausgleichsanspruch durch den berechtigten Ehegatten oder die Erfüllung durch Begründung eines Darlehensverhältnisses mit dem Ausgleichsverpflichteten als Darlehensnehmer.
Hinweise: Diese einfachen „Lösungen“ haben jedoch Nachteile. So stellt der Verzicht auf den Ausgleichsanspruch eine Schenkung dar, die entweder Schenkungsteuer auslöst oder zumindest den persönlichen Ehegattenfreibetrag (ggf. teilweise) aufzehrt. Wird ein Darlehen vereinbart, sind die Zinsen beim vereinnahmenden Ehegatten als steuerpflichtige Kapitaleinkünfte zu behandeln, während der Zahlende diese einkommensteuerlich nicht absetzen kann.
Neuer Gestaltungsansatz
Da auch andere Lösungsalternativen teils mit erheblichen Risiken behaftet sind, wurde in der steuerrechtlichen Fachliteratur kürzlich ein neuer Ansatz vorgestellt4), der vergleichsweise einfach umsetzbar ist. Danach kann/sollte die Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung durch einen anderen Gegenstand vereinbart werden. Soll heißen: In einem Ehevertrag wird im Vorfeld der Beendigung der Zugewinngemeinschaft geregelt, dass bei Beendigung kein Anspruch auf Geld besteht, sondern ein konkreter Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand (z.B. das vermietete Objekt). Dies hat zur Folge, dass der geschuldete Gegenstand bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft keine Geldforderung mehr ist. Folglich entsteht ein Anspruch auf eine Sachleistung und eine Leistung an Erfüllungs statt scheidet aus.
Hinweis: Da offenkundig insoweit nur eine Übertragung an Erfüllungs statt von der Finanzverwaltung als Veräußerungsgeschäft beurteilt wird, führt ein streng gegenstandsbezogener Zugewinnausgleich zu keinem (steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinn, weil der Zugewinnausgleich selbst ertragsteuerlich als unentgeltlich gilt.
Vertraglich eindeutig regeln
Damit die Gestaltung funktioniert, muss der gegenstandsbezogene Zugewinnausgleich im Vorfeld einer Güterstandsbeendigung klar geregelt werden. Denkbar ist die Vereinbarung auch bereits zu einem Zeitpunkt, in dem sich noch keine Güterstandsbeendigung abzeichnet. Es sollte unbedingt vermieden werden, dass der Zugewinnausgleich vertraglich als Forderung in Geld beziffert und der zu übertragende Gegenstand lediglich auf die Forderung angerechnet wird.
Hinweis: Eine wissenschaftlich fundiert begründete „Gestaltungsalternative“ gibt natürlich keine 100%ige Sicherheit, dass die Finanzverwaltung die gewählte Vorgehensweise auch akzeptiert. Daher sollte eine entsprechende vertragliche Umsetzung stets nur in Absprache mit dem steuerlichen Berater und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten erfolgen.
Vorsicht bei „versteckten“ Veräußerungsgewinnen
Wer glaubt, er könne ein bislang vermietetes Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung bedenkenlos ohne nennenswerte Steuerbelastung übertragen, weil sich dessen Wert seit der Anschaffung nicht wesentlich erhöht hat, irrt womöglich. Denn bei der Ermittlung eines etwaigen Spekulationsgewinns sind die ursprünglichen Anschaffungs-/Herstellungskosten um zwischenzeitlich geltend gemachte Abschreibungen/Sonderabschreibungen zu vermindern. Das bedeutet: Zumindest in Höhe der bisherigen Abschreibungen könnte ein steuerpflichtiger Gewinn entstehen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(17):18-18