Aktien

Börsenlieblinge mit Enttäuschungspotenzial


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wer frühzeitig auf die Aktien von Nokia, Amazon oder gar Apple gesetzt hatte, konnte sein Geld vervielfachen. Gerade jetzt drohen einigen Börsenlieblingen jedoch Risiken, denn die Gewinnne sprudeln längst nicht mehr so ungehemmt wie noch zu Beginn der Euphorie.

Ende der 1980er-Jahre war der Nokia-Konzern finanziell fast am Ende. Dann begann der Mobilfunkboom und Nokia wurde mit einer ausgefeilten Produktpalette schnell zur weltweiten Nummer eins. Anleger, die das Potenzial der Finnen frühzeitig erkann­ten, konnten gut verdienen: Die Aktie kletterte von – bereinigt – 0,06€ im Herbst 1992 auf über 47€ im Sommer 2000. Doch dann erschütterte nicht nur der Technologiecrash die Weltbörsen, auch das Nokia-Management begann sich zunehmend auf seinen Erfolgen auszuruhen. Andere, speziell Apple, machten dem finnischen Unternehmen mit leistungsstärkeren Produkten Konkurrenz. Heute kostet das Nokia-Papier gerade einmal 2,60€.

Ähnlich erging es dem amerikanischen Yahoo-Konzern, einst gefeierter Betreiber von Such­maschinen: Zwischen 1996 und 2000 kletterte der Aktienkurs von rund 0,50€ auf mehr als 100€, was einem Gewinn von über 20.000% entspricht. Der nachfolgende Börsencrash und die Erfolge des technologisch besser aufgestellten Google-Konzerns sorgten dann jedoch für einen Rückschlag auf nur noch rund 4,50€. Heute dümpelt der Kurs zwischen 10€ und 13€ vor sich hin.

Denn längst haben Börsianer andere „Lieblinge“ entdeckt – etwa den Google-Konzern, dessen Aktie 2004 noch für rund 83€ zu haben war. Trotz mehrerer deut­licher Rückschläge und etlicher Warnungen kletterte das Papier mittlerweile auf über 550€. Aller­dings konnten auch die Zahlen mithalten: Seit 2005 stiegen die Umsatzerlöse von 6,1 Mrd.US-$ auf 37,9 Mrd.US-$, das Ergebnis nach Steuern verbesserte sich von 1,5 Mrd.US-$ auf 9,7 Mrd.US-$ und auch das Kurs/Gewinn-Verhältnis ist inzwischen mit 22 in einen moderaten Bereich gesunken.

Kampfpreise sollen den Markt erobern

Von soliden Gewinnen kann beim Amazon-Konzern vorerst keine Rede sein. Auch er konnte zwar den Umsatz in den vergangenen sieben Jahren von 8,5 Mrd.US-$ auf 48,1 Mrd.US-$ ausbauen, jedoch zehrt der harte Preiskampf an den Gewinnen. Das Ergebnis nach Steuern wurde im gleichen Zeitraum gerade einmal auf 0,6 Mrd.US-$ verdoppelt, je Aktie verdiente das Unternehmen 2011 nur 1,39US-$. Angesichts des aktuellen Kurses von rund 200€ erscheint das Kurs/Gewinn-Verhältnis von 125 sehr ambitioniert.

Zumindest bewertungstechnisch sieht es beim dritten Publikumsliebling besser aus: Die Apple-Aktie ist zwar in den vergangenen 15 Jahren von rund 3€ auf aktuell mehr als 530€ oder um 17.600% gestiegen, jedoch konnten auch die fundamentalen Zahlen mithalten. 2011 verdiente das Unternehmen nach Steuern 26,0 Mrd.US-$, was einem Ergebnis je Aktie von 28US-$ entspricht. Mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von knapp 15 auf Basis des erwarteten Gewinns für das laufende Jahr ist das Papier moderat bewertet.

Doch ob die fundamental überbewertete Aktie von Amazon oder das solidere Apple-Papier: Derart hohe Kurssteigerungen bergen ein enormes Enttäuschungspotenzial. Eine weltweite Konjunktureintrübung, veränder­te politische oder technische Rahmenbedingungen, eine Abkehr der Fans oder eine verfehl­te Firmenpolitik können ein erfolgsverwöhntes Unternehmen schnell zum Börsenflop werden lassen. So hatte der Markt dem Facebook-Konzern beim Börsengang im Frühjahr 2012 so viel Potenzial zugetraut, dass zeitweise fast 40€ für das Papier bezahlt wurden. Mittlerweile verunsichern kritische Stimmen zur „Datensammelwut“ des Unternehmens die Anleger, der Kurs ist um 50% gefallen.

Dies zeigt, dass sich mit entsprechenden Fantasien an der Börse gut verdienen lässt. Mit jedem Kursanstieg ist jedoch das weitere Potenzial kritisch zu hinterfragen, bei einer sich abzeichnenden Trendwende ist ein schneller Ausstieg meist sinnvoll.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(19):13-13