Reiserecht

Entschädigung bei verspäteter Ankunft


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Flugverspätungen, Annullierungen und Überbuchungen sind keine Ausnahme. Geht es jedoch um die – gesetzlich vorgeschriebene – Entschädigung der Passagiere, sind die Airlines meist knausrig. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt Klartext gesprochen.

Nur wenige Betroffene klagen

Hinsichtlich der „außergewöhn­lichen Umstände“ haben jedoch mittlerweile mehrere Gerichte festgestellt, dass in der Regel weder technische Defekte noch erkranktes Personal die Verweigerung der Zahlung rechtfertigen. Die Fluggesellschaft habe selbst dafür zu sorgen, dass ausreichend Kapazitäten bereitgehalten werden. Hinsichtlich der Definitionsfrage „Verspätung/Annullierung“ hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2009 entschieden (C 402/07 und C 432/07), dass beide Definitionen gleichzustellen sind, da dem Passagier in beiden Fällen Unannehmlichkeiten entstehen. Nachdem jedoch die Fluggesellschaften weiterhin Leistungen verweigerten, hat jetzt der EuGH seine Haltung bestätigt (C 581/10 und C 629/10), nach der entsprechende Zahlungen auch bei langen Verspätungen erbracht werden müssen.

Keineswegs sicher ist jedoch, ob das Signal aus Luxemburg auch bei den Fluggesellschaften ankommt. Denn hier setzt man offenbar auf die „Trägheit der Massen“: Geht man bei einem verspäteten Flug von 250 betroffenen Passagieren aus, denen quasi automatisch z.B. 600€ Entschädigung gezahlt werden müssten, würde dies die Airline 150.000€ kosten. Erfahrungsgemäß reklamieren aber weniger als 40% der Fluggäste die Verspätung, sodass sich die Pauschalzahlung schon auf 60.000€ reduzieren würde. Doch auch dann wird diese mit dem Hinweis z.B. auf besondere Umstände meist verweigert, denn die Fluggesellschaften wissen, dass nur wenige einen Anwalt beauftragen und auch noch Klage erheben. Letztlich bleiben oft nur noch 5 bis 15 eingereichte Klagen, die die Fluggesellschaft dann durch eine schnelle Zahlung abwenden kann.

Diese Problematik hat dazu geführt, dass sich bereits einige Anwaltskanzleien auf die Einforderung der Pauschalzahlung spezialisiert haben: Bei Anbietern wie EuClaim (www.euclaim.de) oder Flightright (www.flightright.de) kann der Passagier mit wenigen Mausklicks in der gespeicherten Flugdatenbank feststellen, ob sein Flug als „erheblich verspätet“ oder „annulliert“ gelten kann und im nächsten Schritt das Unternehmen mit der Verfolgung seiner Rechte beauftragen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(23):12-12