Kundenbeziehungsmanagement

Verkaufen mit Kundenprofiling


Andreas Kinzel

Nicht nur die Beratung spielt in der Apotheke eine große Rolle, sondern auch der Geschäfts­ab­schluss. Erfolgversprechend ist dabei ein professionelles Kundenbeziehungsmanagement. Eine Grundlage hierfür ist die Kundentypologie als Voraussetzung für ein gutes Verkaufsgespräch.

  • Verhaltenstypen: Das Auf­treten des Kunden gibt wichtige Hinweise, wie das Beratungsgespräch optimal begonnen und gestaltet werden kann.
  • Kommunikationstypen: Die Art, wie der Kunde redet, hilft, die geeignete Kommmunikationsebene zu finden.
  • Produkttypen: Wenn die Wünsche des Kunden erkannt werden, erleichtert dies die Produktauswahl.
  • Kauftypen: Wird das Kaufverhalten des Kunden richtig eingeschätzt, erhöht dies die Chance auf einen Abschluss.

Ganz konkret sollten Sie ver­suchen, jeden Kunden Schritt für Schritt zu beurteilen, indem Sie ihn jeweils einem Typus innerhalb der vier Gruppen zu­ordnen. Durch Kombination der verschiedenen Typen können Sie ihn dann ziemlich genau charakterisieren und das Beratungsgespräch darauf ausrichten. Im Einzelnen können die vier Gruppen wie folgt beschrieben werden.

Verhaltenstypen

  • Der Eilige: Man sieht ihm an, dass er in Eile ist, zuweilen betont er dies auch. Hier bietet es sich an, in kurzen und prägnanten Aussagen zu sprechen, eine lange Beratung erübrigt sich. Sinnvoll ist, mit geschlossenen Fragen, die nur ein „Ja“ oder „Nein“ als Antwort erlauben, die Symptome abzuklopfen. Wenn man Produkte vorstellen möchte, sollte man zwei Alternativen anbieten. So bleibt dem Kunden die Entscheidung, er wird aber nicht durch zu viel Auswahl überfordert. Sätze wie „Um Sie nicht zu lange aufzuhalten ...“ können den Einkauf beschleunigen.
  • Der Besserwisser: Im Prinzip weiß er alles. Er informiert sich in Kundenzeitschriften und im Internet. Eigentlich braucht er die Beratung nicht, jedoch fehlen oft Details und Hintergrundwissen. Erfolg versprechend ist, ruhig und sachlich zu bleiben. Der Besserwisser hat es gerne, wenn man ihm zustimmt; dem sollte man nach Möglichkeit nachkommen. Lassen Sie sich auf keinen Fall in Diskussionen verwickeln. Erläutern Sie ihm bestimmt und sachlich, aber nicht belehrend die Zusammenhänge. Geben Sie dem Besserwisser bei der Produktauswahl explizit die Möglichkeit, die Entscheidung selbst zu treffen, indem Sie ihm vor allem offene Fragen (ohne Antwortvorgaben) stellen.
  • Der Schüchterne: Dieser Kunde kann schüchtern sein, weil ihm der Apothekenbesuch unangenehm ist oder weil er von Natur aus schüchtern ist. Hier empfiehlt es sich, besonders beruhigend und freundlich zu sein. Dem Kunden sollte nach Möglichkeit die Distanz genommen werden, damit Sie seine Bedürfnisse erkennen können. Nehmen Sie ihm Entscheidungen ab, indem Sie nicht zu viele Alternativen anbieten. Durch einen abschließenden Satz wie „... das empfehle ich Ihnen, das wird Ihnen bestimmt helfen ...“ können Sie den Kauf perfekt machen. Man sollte den schüchternen Kunden nicht durch zu viel Ansprache verschrecken.
  • Der Beratungsintensive: Dieser Kunde möchte ausführlich beraten werden. Er sucht Ihr Fachwissen, aber auch häufig Ihre Meinung und persönliche Einschätzung. Er kann „ein Loch in den Bauch“ fragen, aber auch geduldig zuhören. Wichtig ist, bei diesem Kundentyp sein pharmazeutisches Fachwissen hervor­zuholen und auszubreiten. Man sollte sich nicht scheuen, Hilfsmittel wie Literatur und das Internet zurate zu ziehen. Wollen Sie den Kunden auf ein Produkt lenken, sollten Sie dies begründen, z. B. mit „Ich empfehle Ihnen XY, weil es schneller wirkt ...“

Kommunikationstypen

  • Der Schwätzer: Er redet viel und auch viel Privates, weicht oft vom eigentlichen Thema ab. Hier sollten Sie geduldig zuhören, jedoch nicht aktiv ins Gespräch einsteigen, lediglich mit kleinen Bemerkungen wie „Ja“ oder „Aha“ Interesse bekunden. Im richtigen Moment kann dann dem Kunden der abschweifende „Weg“ abgeschnitten werden, indem man ihn wieder zurück zum Thema holt. Eine Atempause eignet sich für einen Einstieg be­sonders gut. Am besten loben Sie den Kunden und präsentieren dann das Produkt. „Ich gebe Ihnen völlig recht und deshalb kann es Ihnen helfen, XY einzunehme n...“ Eine andere Möglichkeit ist, bei geeigneter Gelegenheit mit einem konkreten Produkt einzusteigen und es zu präsentieren: „Bevor ich Ihnen das lange erkläre, zeige ich Ihnen XY, dann können wir sehen, ob es das Richtige für Sie ist ...“ Wenn dieses dann auf dem HV-Tisch liegt, kann die Aufmerksamkeit wieder auf das Verkaufsgespräch und weg von anderen Themen gelenkt werden.
  • Der Stille: Im Gegensatz zum Schwätzer spricht er wenig, hört mehr zu. Wichtig ist hier, möglichst einfühlend zu beraten. Dieser Kunde wird Ihnen nicht mitteilen, wenn Sie ihn verlieren. In diesem Fall wird er irgendwann einmal „Danke“ sagen und ohne Kauf gehen. Deshalb ist es wichtig, bei diesem Kundentyp immer wieder nachzufragen. Ebenso ist eine genaue Beobachtungsgabe nötig, um Begeisterung oder auch Ablehnung zu erkennen. Am besten kommen Sie zum Ziel, wenn Sie dem Kunden geduldig die Vor- und Nachteile einzelner Produkte erklären.
  • Der Nörgler: Er hat an allem und jedem etwas auszusetzen. Häufig fragt er auch nach Chef oder Chefin, um sich zu beklagen. Wichtiger als ruhig und gelassen zu bleiben ist, dies auch auszustrahlen, um dem Kunden das Tempo zu nehmen. Unterstützt werden kann dies durch Bestätigung des Kunden: „Ja, Sie haben recht, das ist viel zu klein, groß, teuer ...“ Meist ist es kontraproduktiv, die Umstände zu erklären. Sucht der Kunde Streit, wird keine Maßnahme Erfolg haben. Ist er ernsthaft an einem Kauf interessiert, erleichtert man die Suche nach dem geeigneten Produkt durch gezieltes Nach­haken wie z.B. „Beschreiben Sie doch einmal, was Sie sich vorgestellt haben!“. Da der Kunde es dann selbst beschrieben hat, kann er daran nicht mehr nörgeln. Wenn Sie Geduld, Engagement und Alternativen zeigen, können Sie dem Nörgler die Grundlage entziehen.
  • Der Unkonzentrierte: Sie sind mitten im Beratungsgespräch und der Kunde gibt un­beteiligte Kommentare. Es ist klar zu erkennen, dass Sie und der Kunde im Grunde zwei getrennte Gespräche führen. Der unkonzen­trierte Kunde ist gedanklich im Job, bei seiner Krankheit oder bei den Ange­hörigen. Es ist schwierig, diesen Kundentyp emotional einzufangen. Wichtig ist, beim Beratungsgespräch geduldig zu sein und die Sachlage immer wieder mit anderen Worten zu wiederholen. Die Gefahr dabei besteht darin, dem Kunden zu folgen und letztlich selbst vom Thema abzukommen. Um dies zu verhindern, ist es nötig, immer wieder das zen­trale Beratungsthema in den Mittelpunkt zu stellen und damit den Kunden zurückzuholen.

Produkttypen

  • Der Early Adopter Kunde: Dieser Kunde sucht immer nach dem Neuesten. Häufig kommen Fragen wie: „Was gibt es Neues gegen XY?“ Ebenso lehnt dieser Kunde viel Bewährtes ab: „Das hilft doch sowieso nicht, hatte ich schon ...“ Hier können ent­weder neue Produkte oder (für den Kunden) neue Erkenntnisse, z.B. aktuelle Studien, angeboten werden. Besonders im Zusatzverkauf kann man bei diesem Kunden punkten: „Ich habe da etwas ganz Neues für Sie ...“
  • Der Schnäppchenjäger: Er wird immer nach einem güns­tigen Preis-Leistungs-Verhältnis suchen. Dabei dürfen Sie nicht annehmen, der Kunde wolle billig kaufen, es geht ihm um preiswertes Einkaufen. Der Kunde ist auch bereit zu kaufen, wenn er den höheren Preis versteht, z. B. wegen eines Zusatznutzens. Bei einem Nasenspray kann dies ein Zusatzstoff oder eine längere Halbwertszeit sein. Bedeutend ist, den höheren Preis nicht erst am Ende des Verkaufsgesprächs zu erwähnen, sondern ihn frühzeitig zu relativieren. Sätze wie „... das ist ergiebiger als aus der Drogerie ...“ können diesen Kunden zum Kauf bewegen.
  • Der Qualitätsbewusste: Im Unterschied zum Schnäppchenjäger gibt dieser gerne sein Geld in der Apotheke aus. Er sucht nach höchster Qualität und oft nach Markenprodukten. Häufig sieht er eine Korrelation zwischen Preis und Qualität. Mit „Wenn Sie schneller gesund werden wollen, können sie A gegen die Symptome und B gegen die Ursache nehmen ...“ oder „Am besten wirkt Waschlotion A gegen Austrocknen und Lotion B gegen das Spannungsgefühl“, kann man diesen Kundentyp einfach auf einen Zusatzverkauf lenken. Wichtig ist, den Kunden nicht durch Sparvorschläge vom Kauf abzuhalten. Er wird es nicht danken. Vielmehr sollte ihm ein großes Angebot unterbreitet werden, aus dem er das Passende aussuchen kann.
  • Der Produktorientierte: Dieser Kunde sucht nach bestimmten Produkten. Dabei ist es wichtig, vorzufühlen und dann die entsprechenden Medikamente zur Auswahl zu stellen. Dies können Naturprodukte genauso sein wie Homöopathika oder auch klassische chemische Arzneimittel. Häufig drückt der Kunde seinen Wunsch bereits beim Gesprächseinstieg aus. Dabei ist es wichtig, durch Nachfragen genau zu differenzieren. So werden z. B. oft Homoöpathika und pflanzliche Arzneimittel gleichgesetzt. Manchmal ist der Wunsch des Kunden nur zwischen den Zeilen zu lesen. Um diesen Käufertyp zu erkennen, eignet sich die Frage: „Hatten Sie schon etwas, das gut oder überhaupt nicht geholfen hat?“

Kauftypen

  • Der Preisbewusste: Er hat viel mit dem Schnäppchenjäger gemeinsam. Im Gegensatz zu diesem legt er nicht so viel Wert auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern reduziert den Schwerpunkt auf den Handelspreis. Zu einem Verkaufserfolg kommt man bei diesem Kunden, wenn man sein Produkt mit teureren vergleicht und mit Worten wie „nur“ oder „ergiebig“ arbeitet. Ein unbedeutender Nachlass sowie hochwertige Zugaben können ebenfalls erfolgreich sein. Bei den Preisen sollte man standhaft bleiben, da man bei Preis­bewussten diesbezüglich nur verlieren kann, indem sie immer weitere Rabatte anstreben.
  • Der Misstrauische: Das Misstrauen kann speziell Ihrer Apotheke, aber auch dem Berufsstand an sich gelten. Am häufigsten wird das Misstrauen wohl aus der konkreten Situation entstehen. Dies bedeutet nicht, dass das Beratungsgespräch Mängel aufzeigen muss, eher werden die Erwartungen des Kunden nicht getroffen. Wichtig ist vor allem, Vertrauen zu schaffen. Dabei können Sie entweder nochmals die Vorzüge des Produkts erläutern oder dieses im „Basta-Verfahren“ mit Überzeugung anbieten. Den richtigen Einstieg findet man durch vorsichtiges Vorfühlen mit z. B. „Haben Sie noch Fragen?“ oder „Habe ich etwas falsch verstanden?“.
  • Der Unentschlossene: Dieser Kunde ist prinzipiell mit dem Beratungsgespräch zufrieden und sieht auch die Notwendigkeit zu kaufen. Er kann sich allerdings nicht entscheiden, was er möchte. Ihn darf man nicht durch zu viel Auswahl und Ausführungen überfordern und damit zum Nichtkäufer machen. Bauen Sie keinen Verkaufsdruck auf, sondern bieten Sie gezielt ein Produkt mit seinen Vorzügen an.
  • Der Kaufkunde: Dieser Kunde hat sich zum Kauf entschieden und möchte sein Geld ausgeben. Ihm sollten Sie echte Alternativen anbieten und auch weitere Produkte. Ein Zusatzverkauf ist von dem Kunden gewünscht und ergänzt einen zufriedenen Einkauf. Versuchen Sie nicht, dem Kunden sparen zu helfen, z. B. durch Kombinationspräparate. In diesem Fall verkauft man besser mehrere Produkte – der Kunde möchte sein Geld ausgeben.

Emotionale Ebene einbinden

Durch Kombination der einzelnen Typen kann der Kunde besser eingeordnet und das Verkaufsgespräch leichter geführt werden. Dies führt zu mehr Kundenzufriedenheit und höheren Umsätzen. Allerdings sind Kunden immer individuell und lassen sich nur bedingt in Schubladen einteilen. Es reicht nicht aus, sie in ihren Grundzügen zu charakterisieren. Wichtig ist, dass sie sich in ihren Bedürfnissen verstanden fühlen. Achten Sie darauf, nicht nur auf der Sach­ebene zu sprechen, sondern zusätzlich auf einer emotionalen. Auch wenn Apotheker als Naturwissenschaftler gerne sachlich argumentieren, so ist es doch wünschenswert, manchmal mehr die emotionale Ebene einzubinden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2012; 37(24):10-10