Prof. Dr. Reinhard Herzog
Billiges Geld
Und daraus ergeben sich zwangsläufig entsprechende Verlockungen: Wer für das Eigenheim z.B. 150.000€ aufnimmt und einen Tilgungssatz von 1,0% wählt, zahlt monatlich nur rund 500€ für das Darlehen – mithin meist deutlich weniger, als ein vergleichbares Mietobjekt kosten würde. Die Kehrseite der Medaille: Nach zehn Jahren betragen die Schulden immer noch rund 132.000€ und es dauert – bei unveränderten Rahmenbedingungen – mehr als 45 Jahre, bis der Immobilienkäufer schuldenfrei wird. Ein solcher Zeitraum ist jedoch unrealistisch, denn bis dahin ist der Darlehensnehmer in aller Regel bereits längst im Ruhestand. Noch dazu drohen erhebliche Gefahren, wenn die Zinsen – wie zu erwarten – in den kommenden Jahrzehnten wieder deutlich steigen. Sinnvoller ist hier also die Vereinbarung eines wesentlich höheren Tilgungsanteils von mindestens 3%. Dann sind monatlich zwar 750€ aufzubringen, dafür liegt die Restschuld jedoch nach zehn Jahren nur noch bei 97.500€; wer den Vertrag dann zu gleichen Konditionen fortsetzt, ist nach insgesamt 23 Jahren und 2 Monaten schuldenfrei. Bei höherer Tilgung geht es im Übrigen noch schneller: Wer es sich leisten kann, monatlich 1.448€ auf das Darlehenskonto zu überweisen, ist schon nach Ablauf der zehnjährigen Zinsbindung auf Null.
Sondertilgungsmöglichkeiten nutzen
Die Problematik der Tilgungshöhe und Darlehenslaufzeit gilt allerdings nicht nur für neue Darlehen, sondern auch für bestehende Finanzierungen. Viele Darlehenskunden neigen dazu, im Fall einer anstehenden Verlängerung der Zinsfestschreibung den bisherigen, meist relativ niedrigen Tilgungssatz beizubehalten und sich über die geringer gewordene Monatsbelastung zu freuen. Doch auch hier gilt die Laufzeitenproblematik, denn ein niedriger Zinssatz hat bei unverändertem Tilgungssatz eine deutliche Laufzeitverlängerung zur Folge. Um dies zu vermeiden, sollte bei Vertragsverlängerungen mindestens die bisherige Ratenhöhe beibehalten werden. Gleichzeitig sollten Darlehensnehmer mit entsprechenden Ersparnissen die Gelegenheit nutzen, die bei einer Neufestschreibung möglichen Sondertilgungen vorzunehmen. Statt z.B. magerer 1,0% Tagesgeldzinsen winkt dann eine Kostenersparnis von z.B. 3,0% – und das steuerfrei für eine absolut sichere "Geldanlage".
In manchen Fällen kann es sich sogar lohnen, bestehende Finanzierungen hinsichtlich Sondertilgungsmöglichkeiten zu überprüfen. Bietet der Darlehensvertrag entsprechende Voraussetzungen, ist es nicht vernünftig, sein Geld in niedrig verzinsten Staatsanleihen anzulegen und auf der anderen Seite „hohe“ Darlehenszinsen zu bezahlen. Im Einzelfall kann es sogar sinnvoll sein, eine eventuelle Vorfälligkeitsentschädigung in Kauf zu nehmen, um das Darlehen aus Ersparnissen schneller zu tilgen. Die Rechnung ist dabei ganz einfach: Der Darlehensnehmer muss lediglich die anfallenden Zinsen im Fall eines Fortbestehens des Darlehens abzüglich der Guthabenzinsen für das angelegte Geld berechnen und diesen Betrag mit der Vorfälligkeitsentschädigung vergleichen.
In jedem Fall muss eine regelmäßige Darlehensprüfung auch Bausparverträge und Koppelungsfinanzierungen umfassen. Ein Bausparvertrag bietet nach Auszahlung des Darlehens ein hohes Maß an Flexibilität, sind hier doch meist jederzeit Sondertilgungen in beliebiger Höhe möglich. Und diese Chance sollten Darlehensnehmer bei vorhandenem Anlagekapital nutzen, denn billig ist ein Bauspardarlehen angesichts der heutigen niedrigen Kapitalmarktkonditionen längst nicht mehr. Unter dem Strich macht der Darlehensnehmer auch hier wieder einen guten Schnitt, denn so hohe Guthabenzinsen wie die ersparten Darlehenszinsen sind heute kaum zu erzielen – noch dazu, da mit der Tilgung keinerlei Risiken verbunden sind.
Problematischer ist die Lage, wenn die Gesamtfinanzierung mit einem noch nicht fälligen Bausparvertrag unterlegt ist, d.h. ein Bankdarlehen aus einem noch anzusparenden Bausparvertrag in einer Summe zurückgezahlt wird. Eine solche Koppelung ist – insbesondere wenn sie bereits vor mehr als vier Jahren abgeschlossen wurde – letztlich nur teuer: Der Darlehensnehmer bezahlt für das Bankdarlehen selten unter 5,0% Zins, der Bausparvertrag bringt jedoch meist nur einen Mini-Guthabenzins von 0,5% bis 1,5%. Je nach Vertragsgestaltung ist es vielfach sinnvoll, freie Gelder im Interesse einer schnelleren Zuteilung auf den Bausparvertrag einzuzahlen. Oftmals günstig kann es auch sein, bei Fälligkeit des Bausparvertrags lediglich das Guthaben zu übertragen und den Rest per klassischem Annuitätendarlehen zu finanzieren. Denn schließlich sind die vielbeworbenen Vorteile eines Bausparvertrags in der heutigen Zeit längst nicht mehr attraktiv.
Risiko Investmentfonds
Generell erfordern alle Koppelungsmodelle eine besonders intensive regelmäßige Überprüfung. Sie basieren auf einem Bankdarlehen mit fester Laufzeit, für das lediglich Zinsen bezahlt werden müssen. Der Tilgungsanteil wird hingegen z.B. in einem Investmentkonto angespart in der Hoffnung, dass hier die Rendite höher ist als die Kosten des Darlehens. In manchen Jahren geht diese Rechnung auf: 2010 etwa brachten Fonds mit deutschen Aktien als Anlageschwerpunkt rund 17% Wertzuwachs, sodass die Zinsbelastung problemlos abgedeckt werden konnte. Doch die Risiken sind nicht zu unterschätzen: 2011 verzeichnete diese Fondskategorie einen durchschnittlichen Verlust von rund 16%, sodass Darlehensnehmer auf Sicht dieser zwei Jahre unter Berücksichtigung von Zinsen im Minus abschlossen.
Sofern die Verträge Möglichkeiten zur Fondsumschichtung vorsehen, sollten Anleger auf die Kapitalmarktverhältnisse achten: In Zeiten sinkender Zinsen ist es sinnvoll, das Ansparkapital in Rentenfonds zu investieren, bei positiven Aussichten für den Aktienmarkt sind Aktienfonds die bessere Alternative. In jedem Fall müssen die Gefahren beachtet werden: Bei Rentenfonds liegt das Risikopotenzial üblicherweise bei maximal 10% p.a., sollten die Kapitalmarktzinsen stark steigen. Erwirbt man gezielt Rentenfonds mit Kurzläufern, lässt sich dieses Risiko nochmals eingrenzen. Bei Aktienfonds können die Kurse durchaus auch einmal um 50% und mehr einbrechen. Vorteilhafter als die Konzentration auf eine einzelne Fondsgattung ist die Aufteilung auf mehrere Fonds. Das Problem: Die in den Hochglanzprospekten versprochene Mehrrendite ist dann kaum noch erreichbar. Zu prüfen ist daher, wann die Finanzierung frühestens ohne den Nachteil einer hohen Vorfälligkeitsentschädigung umgeschuldet werden kann.
Besonders problematisch sind derzeit schließlich Finanzierungen, die in fremder Währung abgeschlossen worden sind, speziell dem Schweizer Franken. Bis vor wenigen Jahren wurden sie aufgrund der damals bereits niedrigen Zinsen von häufig nur 1,5% bis 2,5% von vielen Beratern empfohlen, heute stehen Darlehenskunden oft vor einem Scherbenhaufen: Bedingt durch die starke Nachfrage nach Euro-Alternativen ist der Franken zuletzt um mehr als 25% gestiegen – und mit ihm auch die Darlehenshöhe. Nicht wenige Bankkunden wurden bereits "zwangs-exekutiert", d.h., das Darlehen wurde mit entsprechenden Verlusten auf Euro umgestellt und die Kunden mussten die Deckungslücke aus eigenem Vermögen schließen. Momentan hat sich die Franken-Situation zwar aufgrund der Stabilisierungsmaßnahmen der Schweizer Notenbank beruhigt, mit einer Entspannung ist jedoch allenfalls dann zu rechnen, wenn die Eurokrise beendet wird. Da andererseits aber auch die Gefahr besteht, dass die Eidgenössische Notenbank ihre Zusagen nicht einhalten kann, sollten vorsichtige Darlehensnehmer über die Rückkehr in den Euro nachdenken, selbst wenn dabei entsprechende Verluste entstehen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(01):15-15