Rüdiger Ott
Digital Immigrants sind wichtige Apothekenkunden
Als Digital Natives bezeichnet man Menschen, die mit den digitalen Medien groß geworden sind. Sie sind 30 Jahre und jünger und von Kindesbeinen an daran gewöhnt, mit Touchscreens und Joysticks umzugehen. Was sie maßgeblich von den Älteren unterscheidet, ist die nicht vorhandene Angst vor Fehlern bei der Handhabung. Sie "bespielen" Geräte, während die ältere Generation diese "bedient".
Unter dem Begriff der Digital Immigrants fasst man diejenigen Personen zusammen, die erst im Laufe ihres Lebens mit der digitalen Welt konfrontiert wurden. Sie müssen nach und nach umlernen und alte Wege der Annäherung verlassen. Das kann mühsam sein und je nach Bildungsgrad auch unterschiedlich lange dauern.
Aus Sicht der Apotheke ist vor allem die Gruppe von 40 bis 60 Jahren eine große Herausforderung. Sie nimmt eine Mittelposition ein und nutzt neue und traditionelle Medien gleichermaßen. Hier finden wir Menschen mit Interesse an Akutmedikamenten und Prävention ebenso wie solche, die Angehörige zu Hause pflegen. Für diese Zielpersonen muss die Apotheke sowohl online als auch offline gut präsent sein.
Patienteninformationen müssen anschaulicher werden
Als besondere Eigenschaft der neuen Generation Online wird die Fähigkeit gesehen, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen und verschiedene Medien parallel zu nutzen. Surfen mit dem Tablet-PC während gleichzeitig ein TV-Beitrag verfolgt wird, ist nur ein harmloses von vielen Beispielen. Die Folgen dieses sogenannten Multitasking sind allerdings nicht unerheblich:
- geringes Konzentrationsvermögen,
- ständige Anspannung,
- reduzierte Fähigkeit, sich intensiv mit einer Thematik auseinanderzusetzen, sowie
- Schwächen bei Kommunikation und Konfliktbewältigung.
In der Apothekenpraxis wird dies bedeuten, dass wir der nachwachsenden Generation Patienteninformationen zukünftig noch kompakter und anschaulicher darbieten. Einfache, verständliche Kurzinformationen, die Packungsbeilagen ergänzen, Videoclips, weiterführende Links und interaktive Fragebogen werden zur Selbstverständlichkeit im Handverkauf.
Sterben Printmedien aus?
Die wohl bemerkenswerteste Auswirkung des neuen Konsumentenverhaltens ist bei den Printmedien zu beobachten. Kontinuierliche Rückgänge der Auflagenzahlen kennzeichnen den Zeitungsmarkt. Doch hieraus direkt ein Ende der Printmedien abzuleiten, ist ein voreiliger Schluss.
Der Insolvenz der Frankfurter Rundschau und dem Ende der Financial Times Deutschland stehen auch Neueinführungen von Magazinen wie Landlust gegenüber. Nach wenigen Ausgaben erreichte diese Zeitschrift eine Auflage von über 800.000. Von diesen Zahlen kann so manche Zeitung heute nur träumen. Offensichtlich ist die Zukunft von Nachrichtenmagazinen jedoch anders zu bewerten als die von Magazinen, die Freizeit- und Gesundheitsinteressen abdecken.
Lesen von Magazinen steht für Entschleunigung
Eine genauere Analyse lässt Prognosen für die Zukunft zu: Print erfährt sogar eine steigende Wertschätzung und hat zudem eine höhere Glaubwürdigkeit. Das Lesen von Magazinen am Abend steht heute für Entschleunigung, Überblick und Tiefe.
Von einem Sterben der Printmedien kann aus heutiger Sicht nicht ausgegangen werden. Gleichwohl müssen wir uns dessen bewusst sein, dass das Informationsverhalten der jungen Generation den Übergang von Print nach Digital sowie deren Verknüpfung (z.B. über QR-Codes) erheblich beschleunigen wird.
Auch die technische Weiterentwicklung der Tablet-PCs, die dem gedruckten Buch und der Zeitung sehr nahekommen, wird ihren Beitrag dazu leisten.
Neue Autoritäten beeinflussen Kaufentscheidungen
Welchen Einfluss das Internet auf Kaufentscheidungen haben kann, erleben Apotheker im Kundengespräch Tag für Tag. Was vor 20 Jahren als "Morbus Mohl" – benannt nach dem damaligen Moderator des ZDF Gesundheitsmagazins Praxis – beklagt wurde, hat mittlerweile eine völlig neue Dimension erreicht.
Die Community im Netz ist heute der König. Viele Betroffene wissen mehr als die wahren Autoritätspersonen aus den medizinischen und pharmazeutischen Fachkreisen. Ihre Testimonials genießen ein enormes Vertrauen bei ihren "Followern". Das ist das Erfolgsrezept der sozialen Medien.
Die Herausforderung für Apotheken besteht darin, sich diesen Medien nicht zu verschließen, sondern sich als Meinungsbildner zu integrieren. Deshalb sind Apotheken-Präsenzen bei Facebook, Google+ und anderen Plattformen heute so wichtig.
Generation Online als neue Kundenklientel
Für die hohe Geschwindigkeit der Kommunikation und des Einkaufens ist die Generation Online mit Sicherheit besser gerüstet als die Generation Offline. Doch auch die Online-Generation muss erst noch lernen, mit den neuen Medien sinnvoll umzugehen.
Schon heute wird deutlich, dass zahlreiche junge Menschen mit ihren Mails und Nachrichten aus den sozialen Netzwerken überfordert sind. Viele antworten gar nicht mehr, weil sie es zeitlich und psychisch überhaupt nicht schaffen. Ständige Kommunikation und Erreichbarkeit führen zu permanenter Anspannung. Dabei ist die gezielte Entspannung für Leistung und Kreativität sehr wichtig.
Für die Apotheke wächst dadurch mit der Generation Online eine neue Kundenklientel heran. Neben den bekannten ernährungs- und bewegungsbeding‑ ten Ursachen für frühzeitige chronische Erkrankungen werden psychische Probleme wie Konzentrations- und Schlafstörungen vermehrt "Gesundheitsthemen+", nach denen in der traditionellen "Offline-Apotheke" gefragt wird.
Wichtig ist daher, dass alle Apothekenmitarbeiter sowohl im Umgang mit den neuen Medien als auch im Umgang mit den Digital Natives als Apothekenkunden bestens vertraut gemacht werden.
Fazit: Kundengespräche für die Online-Generation optimieren
Für die Generation Online wird die digitale Kommunikation zur Regel werden. Patienteninformationen in Form von Videos oder interaktiven Lernprogrammen werden Standard, das Bedienen von Infoterminals zur Selbstverständlichkeit.
Doch auch diese Generation wird in die traditionelle Offizin-Apotheke gehen und sich persönlich beraten lassen. Die Apothekenteams müssen sich in der digitalen Welt auskennen und ihre Kundengespräche dahingehend optimieren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(01):8-8