Prof. Dr. Reinhard Herzog
Beschwerden meldepflichtig
Daneben wurden die Kreditinstitute verpflichtet, jede mündliche oder schriftliche Kundenbeschwerde zu melden und den zuständigen Mitarbeiter zu benennen. Ziel ist, bei einer Häufung derartiger Meldungen einen möglichen Vertriebsdruck zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hier reicht die Palette von einfachen Verwarnungen bis zu einem auf maximal zwei Jahre befristeten Verbot, den betreffenden Mitarbeiter in der Beratung einzusetzen (Berufsverbot).
Banken und Sparkassen beklagen den enormen Verwaltungsaufwand, der mit dem neuen Gesetz verbunden ist, da sie die Daten nicht nur einmalig melden, sondern auch laufend aktualisieren müssen. Auch die Meldung jeder Kundenbeschwerde ist eine bürokratische Hürde, die kaum zu bewältigen ist. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie mit tatsächlich unberechtigten Beschwerden von „Dauernörglern“ umzugehen ist. Als bisher einziges Institut hat die Volksbank Göttingen sogar Verfassungsbeschwerde gegen die Neuregelungen erhoben und dies mit der Ungleichbehandlung von Bankberatern und freien Finanzvermittlern, die nicht erfasst werden müssen, begründet. Aber auch die Möglichkeit eines Berufsverbots ohne entsprechenden Gerichtsbeschluss wird als Verstoß gegen die Grundlagen unserer Rechtsordnung angesehen.
Für Bankkunden bedeuten die Neuregelungen allerdings einen gewissen Fortschritt. Denn schließlich wird Beratern und deren Arbeitgebern genauer auf die Finger gesehen. Andererseits sind auch negative Auswirkungen zu erwarten: Durch die Meldepflicht wird die Zahl der „zugelassenen“ Berater zurückgehen, auch bei konkreten Produktempfehlungen muss mit stärkerer Zurückhaltung gerechnet werden. Dem Kunden wird vielmehr selbst auferlegt, sich zu informieren und eigene Entscheidungen zu treffen – über die er sich dann auch nicht beschweren kann. Insbesondere in Wertpapierdingen unerfahrene Kunden dürften – so befürchten Experten – künftig noch weniger Unterstützung von ihrer Bank erhalten und damit letztlich noch größeren Risiken ausgesetzt werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(03):15-15