Mobbing am Arbeitsplatz

Präventive Maßnahmen ergreifen


Jasmin Theuringer

893.000€ Schmerzensgeld wegen Mobbings – das verlangt eine städtische Angestellte von ihrem Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Ist das realistisch? Was genau ist Mobbing und welche Rechte und Pflichten ergeben sich daraus für die Arbeitsvertragsparteien?

Konkrete Rechtsverletzung

Der Sinn einer Definition allerdings ist fraglich, hat doch das Bundesarbeitsgericht wiederholt, zuletzt im Jahr 2008 (Aktenzeichen 8 AZR 709/06) entschieden: „Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage.“ Es ist also stets zu prüfen, ob das als Mobbing bezeichnete Verhalten Rechte des Mobbing­opfers, wie zum Beispiel das Persönlichkeitsrecht, verletzt und inwieweit der Arbeitgeber diesbezüglich seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommt. Von diesen konkreten Rechtsverletzungen sind auch die Konsequenzen für das Mobbingopfer, den Mobber sowie den Arbeit­geber abhängig.

Mobbing unter Kollegen

Mobbing kommt sowohl im Rahmen eines Verhaltens unter Arbeitnehmern vor als auch durch Vorgesetzte. Bei einem Verhalten unter Kollegen kommt eine Strafanzeige in Betracht, wenn es sich beispielsweise um Beleidigungen, körperliche Gewalt oder Nötigung handelt. Daneben kann ein gerichtlich durchsetzbarer Unterlassungsanspruch bestehen. Fraglich ist natürlich, ob Straf­anzeigen und Gerichtsverfahren unter Kollegen gerade in kleineren Betrieben wie einer Apotheke tatsächlich zu einer Deeskalation beitragen können. Ein kollegiales Miteinander ist schließlich nicht vor Gericht zu erzwingen.

Darüber hinaus geschieht Mobbing unter Kollegen häufig deutlich subtiler. So werden beispielsweise einzelne Arbeitnehmer vom gemeinsamen Mittagessen ausgenommen, ihnen werden Informationen vorenthalten oder sie werden schlicht ausgegrenzt. Gegen solche Verhaltensweisen, auch wenn sie eindeutig unter die Definition von Mobbing fallen, kann auf gerichtlichem Weg nicht vorgegangen werden. Sie stellen keine strafbaren Handlungen dar, sondern allenfalls eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Der Arbeitsvertrag begründet aber nur Pflichten im Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nicht aber zwischen den Arbeitnehmern untereinander.

In diesen Fällen kann das Mobbingopfer jedoch seinen Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag beschränken sich nicht auf die dort vereinbarten Hauptpflichten wie beispielsweise die Zahlung der Vergütung und die Gewährung von Urlaub. Neben diesen Hauptpflichten existieren vielmehr ungeschriebene Nebenpflichten. Zu diesen gehört es, bei Mobbing im Betrieb nicht wegzuschauen, sondern vielmehr aktiv seine Mit­arbeiter zu schützen.

Bemerkt der Arbeitgeber, dass einzelne Mitarbeiter schikaniert werden, so muss er handeln. Sinnvoll ist ein Gespräch mit den Beteiligten, nötigenfalls muss auch eine Abmahnung gegenüber dem Mobber ausgesprochen werden. Wird das Mobbingverhalten fortgesetzt, so ist unter Umständen sogar die Kündigung des Mobbers erforderlich.

Mobbing durch den Arbeitgeber

Strafbare Handlungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern wie Beleidigungen oder Tätlichkeiten dürften Ausnahmefälle sein. Viele Arbeitnehmer empfinden aber andere Verhaltensweisen – häufig nicht zu Unrecht – als Mobbing. So kann der Arbeitgeber einem unlieb­samen Mitarbeiter sinn­lose oder degradierende Arbeiten zuweisen, ihn im Dienstplan besonders häufig an Samstagen oder Brückentagen eintragen oder ihm durch den Entzug von Tätigkeiten signalisieren, unerwünscht zu sein. Auch hier kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber vor Gericht in Anspruch nehmen und verlangen, dem Arbeitsvertrag entsprechend beschäftigt zu werden.

Vielfältige Ansprüche und Rechte des Mobbingopfers

Handelt der Arbeitgeber schuldhaft – greift er also bei einem ihm bekannten Mobbingverhalten unter Kollegen nicht ein oder ist er selbst derjenige, der den Arbeitnehmer schikaniert –, kommen zusätzlich Schadensersatzansprüche in Betracht. Wird das Mobbingopfer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers arbeitsunfähig krank und kommt es zum Bezug von Krankengeld, kann die Differenz zwischen dem Krankengeld und dem zuvor verdienten Gehalt als Schaden geltend gemacht werden.

Ist das Mobbing derart ausgeprägt, dass dem Arbeitnehmer ein Festhalten an dem Arbeitsvertrag nicht zuzumuten ist, kann er außerordentlich kündigen. Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber schuldhaft veranlasst war, muss dieser nach §628 Absatz 2 BGB für die nachteiligen Kündigungsfolgen einstehen. Da­zu gehört zunächst einmal der erlittene Verdienstausfall, also in der Regel die Differenz zwischen der zuletzt bezogenen Vergütung und dem Arbeitslosengeld bis zur Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung. Darüber hinaus gewähren die Arbeitsgerichte eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die in Anlehnung an die Abfindungen bei ungerechtfertigter Kündigung durch den Arbeitgeber im Einzelfall festgesetzt wird.

Schließlich kommen Schmerzensgeldansprüche bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers in Betracht. An dieser Stelle sind die Gerichte jedoch sehr zurückhaltend und nehmen nicht bei jeder unberechtigten Kritik, überzogenen Abmahnung oder unwirksamen Kündigung eine so schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung an, dass ein Schmerzensgeld gerechtfertigt sein könnte.

Ganz genau wissen möchte das aktuell eine Mitarbeiterin der Stadt Solingen. Sie hat in einem derzeit in der Berufungsinstanz noch laufenden Verfahren ihren Arbeitgeber wegen angeblichen Mobbings auf Schmerzensgeld in Höhe von 893.000€ verklagt. Auf die außerordentlich hohe Klagesumme kam sie, indem sie die Höhe eines Bußgeldes für Falschparker zu dem jährlichen Einkommen eines Durchschnittsverdieners in Relation setzte und dies übertrug auf die Umsätze, welche die Stadt Solingen jährlich erwirtschafte. Bereits in erster Instanz erklärten die Richter, die Klage sei nicht nur dem Grunde nach erfolglos, sondern auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Anlässlich der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erklärte auch der Vorsitzende Richter, bei der geforderten Summe handle es sich um eine „extreme Größenordnung“.

Dennoch ist durchaus mit empfindlichen Entschädigungen zu rechnen: Gerade im Januar 2013 hat das Arbeitsgericht Leipzig (Aktenzeichen 9 Ca 3854/11) einem Oberarzt, der von seinem Chefarzt degradierende Tätigkeiten zugewiesen bekommen hatte, 6,5 Monatsgehälter als Schmerzensgeld zugesprochen. Dies entsprach einer Summe von 53.000€.

Prävention

Klagen zwischen den Arbeits­vertragsparteien sind gerade in Betrieben mit einer überschau­baren Größe keine gute Option, um Meinungsverschiedenheiten langfristig zu lösen. Um Mobbing zu begegnen, sind präventive Maßnahmen dagegen sinnvoll, es gilt also, die Ursachen zu bekämpfen. Als betriebliche Ursachen für Mobbing werden vor allem ein schlechtes Betriebsklima, Angst um den Arbeitsplatz, Konkurrenz unter den Mitarbeitern sowie Stress, Monotonie und unklare betriebliche Organisation genannt. An all diesen Punkten kann man als Arbeitgeber eingreifen und gegensteuern.

Daneben wäre es in Betrieben ohne Betriebsrat sinnvoll, einen Mobbingbeauftragten zu ernennen und zu schulen, an den sich Mitarbeiter wenden können. Das ist für viele mit weniger Hürden verbunden als ein Gespräch mit dem Arbeitgeber oder gar ein Gerichtsverfahren.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(03):10-10