Helmut Lehr
Kein eigenes Arbeitszimmer vorhanden
In vielen Fällen haben Steuerpflichtige aufgrund der räumlichen Gegebenheiten allerdings gar keine Möglichkeit, in ihrer Wohnung einen eigenen (abgetrennten) Raum ausschließlich für ihre berufliche Tätigkeit vorzuhalten. Deshalb werden nicht selten „privat genutzte“ Räume mit einer gesonderten Arbeitsecke versehen bzw. beruflich mit genutzt oder das Arbeitszimmer wird auch für private Zwecke verwendet. Die Finanzämter stehen in solchen Fällen einem anteiligen Abzug der Raumkosten (Schuldzinsen, Miete, Heizung, Strom, Versicherung etc.) meist sehr kritisch gegenüber, weil laut den offiziellen Verwaltungsanweisungen die private Mitbenutzung des Raums nach wie vor unter 10% liegen muss1).
Hinweis: Nachdem der Große Senat des Bundesfinanzhofs bereits vor einigen Jahren grundsätzlich klargestellt hat, dass das früher geltende allgemeine Aufteilungs- und Abzugsverbot für „gemischt veranlasste Kosten“ (also beruflich und privat) keinen Bestand mehr hat2), sollte eigentlich auch zumindest ein anteiliger Kostenabzug für nur teilweise beruflich genutzte Räume möglich sein.
Finanzgerichte uneins
Bislang ist in der Rechtsprechung der Finanzgerichte allerdings noch keine klare Wende zu erkennen. Teilweise werden anteilige Raumkosten nicht anerkannt und teilweise werden sie (ggf. im Rahmen einer Schätzung) berücksichtigt. Beim Bundesfinanzhof sind zwischenzeitlich (mindestens) fünf Revisionsverfahren anhängig, in denen über die anteilige Berücksichtigung von Aufwendungen für einen sowohl privat als auch beruflich genutzten Raum zu entscheiden ist3). Nachfolgend werden einige Fälle der jünge-ren Finanzrechtsprechung kurz skizziert.
- Durchgangszimmer abgelehnt: Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat den Kostenabzug für ein Arbeitszimmer abgelehnt, weil es als Durchgangszimmer in den angrenzenden Garten bzw. auf die angrenzende Terrasse genutzt wurde.
- Wohnzimmer mit Küchenzeile abgelehnt: Nach Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz stellt ein 38qm großes Wohnzimmer mit Küchenzeile in einer 73qm großen Wohnung trotz beruflicher/gewerblicher Nutzung kein steuerlich anzuerkennendes Arbeitszimmer dar.
- 20-tägige berufliche Nutzung nicht ausreichend: Nach Ansicht des Finanzgerichts München kann ein Zimmer nicht als Arbeitszimmer berücksichtigt werden, wenn es nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang (ca. 20Tage/Jahr) ausschließlich beruflich genutzt wird.
- Wohn-/Esszimmer abgelehnt: Das Finanzgericht Hamburg hat die Kosten für ein Wohn-/Esszimmer nicht berücksichtigt, in dem der Steuerpflichtige den einzigen Zimmertisch auch für berufliche Arbeiten nutzte.
- Wohnzimmer in 2-Zimmer-Wohnung abgelehnt: Das Sächsische Finanzgericht stellte fest, dass ein Arbeitszimmer nur dann berücksichtigt werden kann, wenn es allein der beruflichen Nutzung dient.
- Arbeitsecke im Wohn-/Esszimmer abgelehnt: Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf muss ein Arbeitszimmer ein separater Raum sein, es darf sich nicht nur um eine durch ein Möbelstück (hier: Sideboard) abgetrennte Arbeitsecke handeln.
- Anteilige Berücksichtigung eines Wohn-/Arbeitszimmers: Das Finanzgericht Köln hält einen anteiligen Kostenabzug für möglich, wenn ein Raum teilweise beruflich genutzt wird. Im Streitfall war das „Wohnzimmer“ in einer Ecke mit einem Schreibtisch und Büroregalen ausgestattet4).
- Anteilige Berücksichtigung eines zu 40% privat genutzten Arbeitszimmers: Auch das Niedersächsische Finanzgericht ließ einen anteiligen Abzug der Arbeitszimmerkosten zu, obwohl der Raum zu ca. 40% für „private Büroarbeiten“ genutzt wurde.
Ruhen des Verfahrens beantragen
Da zwischenzeitlich gleich mehrere Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig sind, kommen die Finanzämter nicht mehr umhin, strittige Fälle bis auf Weiteres ruhen zu lassen. Deshalb sollten Steuerpflichtige auch die Kosten für einen sowohl beruflich als auch privat genutzten Raum zumindest anteilig geltend machen und ablehnende Bescheide mittels Einspruch offenhalten. Die Erfolgsaussichten steigen, wenn die berufliche Nutzung möglichst detailliert anhand von Aufzeichnungen etc. belegt werden kann. Zumindest sollten Aufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum von mehreren Monaten vorgelegt werden können.
Hinweis: Auch wenn nach wie vor Streit über die Anerkennung anteiliger Raumkosten besteht, müssen die Finanzämter die Aufwendungen für eindeutige Arbeitsmittel anerkennen. Hierzu zählen beispielsweise so gut wie ausschließlich beruflich genutzte Schreibtische, Regale, Schränke etc., selbst wenn diese in einem privat mitbenutzten Raum stehen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(04):18-18