Prof. Dr. Reinhard Herzog
Was bedeutet „schwierig“?
Mitarbeiter können schlicht unter die Kategorie „Low-Performer“ fallen, echte Arbeitsmängel zeigen, sich als unfähig und bockig obendrein erweisen, aber dennoch an ihrer Position kleben und keinerlei Einsichtsfähigkeit entwickeln. Disziplinmängel oder fehlende Umgangsformen erschweren das Ganze zusätzlich. In der Praxis sind dies aber die eher einfachen Fälle – liegen hier doch klar zu benennende Defizite und Leistungsmängel vor, die ggf. arbeitsrechtlich sauber angegangen werden können.
Auch störende Verhaltensmuster können die tägliche Arbeit mit „Problemmitarbeitern“ zur Qual machen. Manchmal sind es Kleinigkeiten oder gar nur Äußerlichkeiten, die dazu führen, dass einfach „die Chemie“ nicht stimmt. Oder es steckt mehr dahinter: massive persönliche Probleme, „Krieg“ in der heimischen Wohnstube, aber auch psychische Auffälligkeiten, womöglich eine Sucht. Rein statistisch leidet rund 1% der Bevölkerung unter schizophrenen Störungen. Schwere Depressionen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen bis hin zu bipolaren Störungen kommen ebenfalls im Bereich von 1% bis 2% vor, leichtere Depressionen sind noch häufiger. Dazu haben wir Borderline-Syndrome, schwere neurotische Störungen, ADHS-Fälle, die sich bis in das Erwachsenenalter ziehen, und manches mehr...
Mit anderen Worten: Schon rein statistisch tragen Sie als Arbeitgeber ein beachtlich hohes Risiko, mit schwerwiegenden psychischen Störungen konfrontiert zu werden. Nicht selten wachsen Sie als Chef in die Rolle des Lebensberaters hinein oder aber müssen auf die eine oder andere Weise schon aus Gründen des (auch psychischen) Selbstschutzes für Distanz sorgen.
Der Chef als Problem
Manchmal ist es aber auch die Chefin oder der Chef, die schwierig sind. Insbesondere eine nachhaltig hohe Fluktuationsrate oder Klagen darüber, dass „das ganze Team ja so problematisch ist“, deuten darauf hin, dass es nicht nur an einzelnen Angestellten liegt.
Das wirft die Frage auf: Was stellt der Chef als Person dar? Füllt er seine Rolle als Führungspersönlichkeit wirklich aus? Oder ist er nicht selbst eine problematische, womöglich typische Opferpersönlichkeit, die von ihren Mitarbeitern nicht ernst genommen oder gar gemobbt und geschnitten wird? Diese Gedanken sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, entzünden sich doch hieran bisweilen jahrelange Leidensgeschichten.
Leider ist es so, dass schwierige Charaktere sich oft regelrecht anziehen. Problematische Menschen haben eine Affinität zu entsprechenden Problempersönlichkeiten. Eine Führungsunfähigkeit des Chefs, seine Spleens und Marotten, eine übertriebene Detailverliebtheit, Kleinlichkeit, Pedanterie etc. bilden schwierige Mitarbeiterpersönlichkeiten regelrecht heraus bzw. fördern die schlechten Eigenschaften: Mitarbeiter passen sich an, sie entwickeln jedoch auch Reaktionsmuster, Abwehr- und „Überlebensstrategien“ – oder sie kündigen schlichtweg, oft real, manchmal nur innerlich. Es sind meist die Besseren, Unproblematischen, die alsbald das Weite suchen, die Problemfälle hingegen bleiben erhalten. Auf diese Art bildet sich im Laufe der Zeit eine (Negativ-)Selektion der Mitarbeiter heraus. Bei gut geführten Teams kommt es dagegen zur Positivselektion: Schwache Teammitglieder gehen oft aus freien Stücken, weil sie selbst merken, dass sie nicht hineinpassen und letztlich kein Bein auf den Boden bekommen.
Muss man beim Versuch der Bewältigung von Problemen mit Mitarbeitern erkennen, dass der Chef ein nicht unerheblicher Teil des Problems ist, sind ebenfalls konstruktive Lösungen gefragt. Eine liegt in dem Wort „Delegation“. Wem es schwerfällt, zu führen und für seine Mitarbeiter ein Vorbild und eine Autoritätsperson zu sein, tut gut daran, ganz gezielt Vertrauenspersonen aufzubauen, denen er bedeutende Teile der „Tagesarbeit an der Basis“ überträgt. Dazu muss er über seinen eigenen Schatten springen und sich öffnen – mit allen Risiken. Der Auswahl dieser Schlüsselpositionen kommt deshalb allergrößte Bedeutung zu. Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, hier in eine professionelle Personalberatung zu investieren, die nicht nur auf formale Qualifikationen und Gehälter schaut, sondern den psychologischen Tiefgang hat, um zu erkennen, ob eben auch die Chemie stimmt und die Basis für eine Vertrauensposition gegeben ist. Gute Freunde, die um die Ecken und Kanten wissen, gleichzeitig aber selbst erfolgreich Personal führen, können ebenfalls sehr hilfreich sein.
Ein solcher Chef tut dann gut daran, sich auf das zu konzentrieren, was er wirklich kann und gern macht, seien es strategische Fragen, die Betriebswirtschaft, die fachliche Weiterentwicklung des Betriebs oder das Networking im Umfeld. So ist allen gedient, die Apotheke kann wieder auf die Erfolgsspur kommen.
Der Mitarbeiter als Problem
Liegen die Probleme jedoch schwerpunktmäßig beim Mitarbeiter, was wohl häufiger ist, sind zuerst objektive und subjektive Kritikpunkte zu unterscheiden.
- Sind die Kritikpunkte realistisch betrachtet und mit einem zu leistenden Aufwand änderbar oder nicht? Selbst wenn die Erkenntnis schwerfällt: Charaktere und Persönlichkeitsstrukturen ändern sich nicht, Äußeres nur bedingt, Verhalten lässt sich teilweise formen, inwieweit jedoch wirklich innerliche Änderungen erfolgen, muss vielfach dahingestellt bleiben. Reine Wissens- und Qualifikationsdefizite lassen sich dagegen oft beheben.
- Wo liegen meine eigenen Grenzen, Toleranz- und Reizschwellen? Die Grundfrage dahinter: Können Sie sich überhaupt noch vorstellen, auf Dauer mit dem jeweiligen Mitarbeiter klarzukommen (wie gesagt, grundsätzlich wird er sich nicht ändern), oder sträubt sich ständig etwas in Ihnen und spüren Sie, wie sich etwas in Ihnen aufstaut? Mit anderen Worten: Sie können denjenigen nicht mehr ertragen! Stehen Sie dazu und betreiben Sie psychologische Hygiene, indem Sie einen sauberen, fairen Schlussstrich ziehen.
Damit ist also die erste Grundsatzentscheidung zu treffen: Wir versuchen es noch einmal, arbeiten uns an den konkreten Kritikpunkten ab. Oder aber die Würfel sind in Richtung Trennung gefallen und nun stellt sich nur die Frage nach dem rechtlich und menschlich vertretbaren „Wie“.
Egal, welchen Weg Sie einschlagen: In jedem Fall sollten Sie aus der souveränen Position der Stärke heraus handeln. Wer selbst nicht weiß, was er will, wer nicht überzeugt ist, wird sich schwertun, Änderungen bei Mitarbeitern anzustoßen, und auch bei einer Trennung Widerstand provozieren. Eine klare Entschlussfassung und die Formulierung eindeutiger Ziele sind also Grundvoraussetzung.
Als nächstes gilt es, dies dem „Problemfall“ zu vermitteln. Es ist ein Gebot der Achtung (und erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit), dass Sie sich genügend Zeit nehmen, um sich zurückzuziehen und ungestört zu reden. Es kann sinnvoll sein, solche Gespräche an das Ende des Arbeitstags zu legen, sodass der Betreffende direkt in den Feierabend und in eine „Denkpause“ geht, statt sich womöglich „abgewatscht“ noch dem übrigen Team zeigen zu müssen.
Eine weitere Frage ist, ob Sie das Gespräch allein oder mit Zeugen führen sollten. Ist es nur ein vergleichsweise harmloses Kritikgespräch, können Sie das sicher allein tun. Geht es um viel, z.B. eine Kündigung mit sofortiger Freistellung, kann es sehr sinnvoll sein, einen Vertrauten dabeizuhaben, ob nun die leitende Chefvertretung oder möglicherweise gar einen Berater oder Anwalt. Wenn es um viel geht und Sie vielleicht noch mit einer psychisch auffälligen Person zu tun haben, können ansonsten böse Überraschungen drohen, nicht zuletzt unter dem Stichwort „sexuelle Belästigung“. Selbstredend muss Ihre Vorbereitung (inklusive entsprechender Dokumente wie z.B. einer Mitarbeitervereinbarung zur Abstellung von Mängeln, einer Abmahnung, der Kündigung, eines Aufhebungsvertrags etc.) tadellos sein, wiederum umso mehr, je höher der Einsatz für Ihr Gegenüber ist.
Apropos „Abmahnung“: Je mehr es um persönliche Probleme oder „die Chemie“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geht, umso geringer ist die Chance, dass eine Abmahnung etwas an Dingen ändert, an denen sich sogar Psychologen die Zähne ausbeißen würden. Sie kann hier allenfalls strategischen Wert haben, um eine spätere Kündigung zu rechtfertigen – und benötigt selbstredend objektivierbare Kritikpunkte und abmahnungswürdige Mängel an der Arbeitsleistung.
„Weiche“ Veränderungen hinsichtlich Verhalten oder Auftreten erreicht man besser mit Mitarbeitervereinbarungen. Diese können unter vier Augen mündlich nach dem Motto „Zusage gegen Zusage“ erfolgen, ggf. aber auch schriftlich. Hier kommt es darauf an, den „Resetknopf“ zu finden, also noch einmal von vorne anzufangen und das Vergangene ruhen zu lassen.
Dabei sollten Sie als Arbeitgeber auch in die Pflicht gehen, sodass eine Vereinbarung nach dem Muster erfolgen kann: „Sie werden ans Werk gehen, diese und jene Kritikpunkte aus der Welt zu räumen (ggf. Maßnahmen konkretisieren, Schulungen vereinbaren usw.), und ich für meinen Teil werde im Gegenzug... (Altes „vergessen“, Ihnen weiterhin faire Chancen einräumen, diese und jene Perspektiven aufzeigen). Lassen Sie uns den Erfolg unserer Bemühungen in ... Wochen nochmal bei einem Gespräch klären.“ Man kann das natürlich auch härter angehen: „Ich erwarte, dass dies und jenes bis ... abgestellt wird“, und benennt dabei die konkreten Verfehlungen.
Rien ne va plus
Nichts geht mehr, die Geduld ist am Ende? Dann bleibt vernünftigerweise nur die Trennung. Hier gibt es verschiedene Wege: die Ochsentour durch das Arbeitsrecht mit allen Fallstricken und den pragmatischen, der durchaus sehr fair sein kann.
Wer sich zur Trennung entschlossen hat, sollte dies schnell und schmerzarm durchziehen. Profis wissen dann um die eigene Rechtsposition und die des Gegenübers einschließlich der realistisch zu stellenden Ansprüche bzw. machen sich schlau. Idealerweise können Sie abschätzen, was z.B. ein Auflösungsvertrag an Abfindung „kostet“ (üblicherweise etwa ein halbes Monatsgehalt je Beschäftigungsjahr, in „Spezialfällen“ auch mehr), welche Konsequenzen seitens der Arbeitsagentur drohen (mögliche Sperre des Arbeitslosengeldes, wenn beispielsweise die vertraglichen Kündigungsfristen nicht eingehalten werden) und wie die Steuer „zuschlägt“ (keine Freibeträge auf Abfindungen mehr). Sie wissen also in etwa, was Ihr Angebot für Ihr Gegenüber „unter dem Strich“ bedeutet. Machen Sie basierend auf diesen Kenntnissen ein großzügiges Angebot, das Ihr Gegenüber eigentlich nicht ablehnen kann – weil auf dem Rechtsweg nicht mehr drin ist, dafür aber eine Menge Stress droht. Genau das muss auf jeden Fall auch deutlich werden. Gleichzeitig machen Sie klar, dass es in der Apotheke nicht mehr weitergeht. Es ist eine hohe Kunst, dies mit der erforderlichen Härte und Entschlossenheit, aber dennoch so verbindlich zu vermitteln, dass keine trotzige Blockadehaltung entsteht.
Optimal verläuft eine Trennung, wenn Sie dem Mitarbeiter gleich berufliche Alternativen andernorts aufzeigen oder bei der Arbeitssuche zumindest behilflich sind. Firmen bedienen sich dafür sogenannter Outplacement-Agenturen, die sich um die beruflich Gestrandeten kümmern. Das macht die Trennung bedeutend leichter – und erhöht die Chance, dass alles ohne Groll verläuft. Im Gegenteil: Etliche Mitarbeiter werden nach einiger Zeit froh sein, eine neue Wirkungsstätte gefunden zu haben, die besser zu ihnen passt.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(06):5-5