Dr. Bettina Mecking
Konstruktives Beschwerdemanagement
Es ist wenig zielführend, darüber zu diskutieren, inwieweit solche Kundenbeschwerden gerechtfertigt oder richtig adressiert sind. Vielmehr geht es im Rahmen eines gelungenen Beschwerdemanagements darum, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unzufriedenheit eines Kunden zu erfassen und letztlich allseitige Zufriedenheit wiederherzustellen.
Handelt es sich um eine gerechtfertigte Reklamation, gelingt es im günstigsten Fall, diese apothekenintern zu bearbeiten und betrieblich bedingte Fehler zu beseitigen, sodass der Kunde nach einer korrekt abgewickelten Beschwerde die Apotheke mit einem guten Gefühl verlässt.
Wer als Apothekeninhaber die Kundenbeschwerden von vornherein als unangebracht ansieht und die Konflikte nicht konsequent klärt, riskiert, dass unzufriedene Kunden ihre negativen Erfahrungen kommunizieren, was dem Ruf der betroffenen Apotheke nachhaltig schaden kann. Vermehrt geben solche Kunden auch keine Ruhe und wenden sich an weitere Beschwerdestellen, z.B. an eine Verbraucherberatungsstelle oder die Presse, um sich Gehör zu verschaffen. Manche wollen ihrem Anliegen schließlich besonderen Nachdruck verleihen, indem sie Aufsichtsbehörden wie die örtliche Apothekerkammer oder die staatliche Gesundheitsaufsicht einschalten.
Beispiele aus der Praxis
Entsprechende Beschwerden stammen in erster Linie von Kunden, werden gelegentlich aber auch von anderen Beteiligten, etwa von Ärzten, vorgebracht. Kunden beschweren sich dabei vor allem, wenn sie eine aus ihrer Sicht unangemessene Behandlung erfahren haben. Dabei werden u.a. nicht serviceorientierte Verhaltensweisen bis hin zum Vorwurf des regelrecht unverschämten Auftretens des Apothekenpersonals vorgetragen. Die folgenden Beispiele mögen vielleicht teilweise etwas seltsam anmuten, es handelt sich aber durchweg um Vorfälle, die sich in der Praxis so tatsächlich ereignet haben.
So war z.B. ein Kunde erbost über das Fluchen eines Apothekers als Reaktion auf die Nachfrage, warum bestimmte Gutscheine nicht mehr in der Apotheke einlösbar seien. Ein anderer Kunde beschwerte sich über die Weigerung, einen zuvor regelmäßig ausgestellten Sammelbeleg für die Krankenkasse auszugeben.
Kunden berichten zudem über aus ihrer Sicht frustrierende Preisdiskussionen, in denen sie auf den Prospekt einer Versandapotheke verwiesen und den dort genannten Preis für den Kauf eines OTC- oder Freiwahlprodukts gefordert haben, mit diesem Ansinnen jedoch abgewiesen worden sind. Auch sollen Apotheker mit Kunden in deren Augen respektlos am Telefon über unverständliche Abrechnungen debattiert und im Verlauf des Gesprächs einfach aufgelegt haben. Ein Kunde beanstandete, im Zuge eines lautstarken Wortgefechts über das Erfordernis einer weiteren Genehmigung der Krankenkasse für Hilfsmittel aus der Apotheke geworfen worden zu sein.
Häufig geht es um enttäuschte Erwartungen von Kunden im Hinblick auf die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung. Viele Beschwerden beziehen sich auf die mangelnde Lieferfähigkeit im Notdienst. So bemühte sich ein Kunde an einem Sonntagmittag um die Belieferung eines Rezepts für die Augen-Herpesinfektion seiner Frau und wurde in diversen Apotheken – ohne ihm andere Lösungswege aufzuzeigen – auf Montag vertröstet, da das Arzneimittel nicht vorrätig sei. Kunden sehen sich zudem oft als lästige Bittsteller im Notdienst, denen nicht die notwendige Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
Schließlich gibt es Verbraucher, die sich über den Zustand der Apotheke beklagen, z.B. über eine Tierhaltung in der Apotheke oder darüber, dass eine Apotheke seit geraumer Zeit in einer „Baracke“ untergebracht sei.
Auch von Seiten der Ärzte können Beschwerden kommen. Sie beschweren sich zuweilen über die Missachtung oder Beeinträchtigung der ärztlichen Therapiehoheit. So hatte eine Apothekerin Kunden wiederholt von der Einnahme verordneter Antidepressiva abgeraten, da diese nicht wirksam oder schädlich seien. Ein anderer Apotheker gab entgegen ausdrücklicher Anweisung ein homöopathisches Arzneimittel von einer anderen Firma ab und zeigte sich im nachfolgenden Gespräch mit dem Arzt uneinsichtig.
Rechtliche Aspekte
Apothekeninhaber sind besondere Gewerbetreibende mit der Verpflichtung, dem Gemeinwohl zu dienen. Zu den grundlegenden Berufspflichten gehört, dass sie ihren Beruf gewissenhaft ausüben und dem Vertrauen entsprechen, das ihnen entgegengebracht wird.
Die vom Beschwerdeführer kontaktierte Stelle wird – nach Bejahung der eigenen Zuständigkeit – den betroffenen Apothekenleiter zur Sachverhaltsaufklärung mit den Vorwürfen des Kunden konfrontieren. In einer Vielzahl der Fälle widersprechen sich die Darstellungen der Streitbeteiligten allerdings.
Oft liegt dieser Anhörung bereits eine Kopie des Beschwerdebriefes bei. Grundsätzlich hat jeder Verfahrensbeteiligte ein Recht auf Akteneinsicht, was in den verschiedenen Verfahrensordnungen gesondert geregelt ist.
Wenn ersichtlich eine Strafverfolgungsbehörde die Ermittlungen aufgenommen hat, ist es in der Regel ratsam, sich unverzüglich an einen erfahrenen Strafverteidiger zu wenden. Oft ist nur dessen geschulter Blick imstande, den Akteninhalt richtig zu interpretieren. Ermittlungsbehörden und Gerichte geben dem nicht anwaltlich vertretenen Beschuldigten zudem nur Auskünfte und Abschriften aus den Akten, eine unmittelbare Akteneinsicht wird ihm selbst im Rahmen eines Strafverfahrens nicht gewährt. Der Zugang zu den Akten kann insgesamt verweigert oder eingeschränkt werden, wenn andernfalls der Untersuchungszweck gefährdet würde, z.B. wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind oder überwiegende schutzwürdige Interessen entgegenstehen, z.B. Datenschutzbelange unbeteiligter Dritter.
Kommt das Schreiben von der eigenen Standesvertretung, empfiehlt sich eine zeitnahe persönliche oder telefonische Rücksprache. Dies hilft meist, die Sache unkompliziert aufzuklären. Oft kann ein Dialog der Streitenden vermittelt und die Angelegenheit zu einem versöhnlichen Abschluss gebracht werden. Sofern am Ende Aussage gegen Aussage steht und somit der Beschwerdesachverhalt nicht nachgewiesen ist und auch nicht weiter aufgeklärt werden kann, wird die Angelegenheit mangels ausreichender Beweise für das Vorliegen eines berufsrechtswidrigen Verhaltens eingestellt.
Wenn Kunden lediglich einen Weg suchen, das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche, z.B. Liefer- oder Schadensersatzansprüche, abzuklären, sind sie bei der Apothekerkammer, aber auch bei den staatlichen Gesundheitsbehörden an der falschen Adresse. Entsprechende Ansprüche müssen vielmehr auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden.
Nur wenige drastische Fälle ziehen tatsächlich berufsrechtliche Maßnahmen nach sich oder gelangen gar an das Berufsgericht. So hat das Berufsgericht am Landgericht München kürzlich mit rechtskräftigem Urteil vom 31. Oktober 2012 (BG-Ap 18/12) einen Verstoß gegen die Berufsordnung bejaht und eine Geldbuße von 1.500€ festgesetzt. Die beschuldigte Apothekerin verwies eine Kundin, die Arzneimittel für ihr Kind erwerben wollte, im Zuge eines Wortgefechts aus der Apotheke, ohne sie zu bedienen. Anschließend beleidigte sie eine andere, afrikanischstämmige Kundin vor der Apotheke mit den Worten „Hier ist Deutschland, nicht Afrika“, als diese sich über das Verhalten der Apothekerin bei einer Passantin beschwerte.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(07):9-9