Prof. Dr. Reinhard Herzog
- Sie lassen sich Sachen „aufschwatzen“, die Sie gar nicht brauchen oder deren Sinn fraglich ist, oft neue „Marketing-Maschen“, für die noch „Dumme“ gesucht werden, Abzocker-Angebote aller Art, überteuerte Waren, für die man sich die Apotheke als seriösen Absatzkanal auserkoren hat, und vieles mehr.
- Sie unterschreiben Dinge, deren Tragweite Sie zwischen „Tür und Angel“ nicht überblicken. Die weitgehenden Widerrufsrechte der Verbraucher gelten dabei für Sie als „eingetragenen Kaufmann“ in dieser Form nicht! Schnell haben Sie somit einen Drei-Jahres-Vertrag für eine nicht unbedingt sinnhafte Radiowerbung bei einem unbekannten Zwergsender oder ein mehrjähriges Abo für verschiedenstes Büromaterial „an der Backe“, deren Rückgängigmachung dann Anwälte beschäftigt, in vielen Fällen aber aussichtslos ist.
- Sie werden zum Einkauf von zu großen Mengen oder von Produkten überredet, deren Verkaufserfolg von vornherein zweifelhaft ist. Dabei werden Sie häufig von guten Rabatten, scheinbar attraktiver Valutierung des Rechnungsbetrags, allerlei Zugaben und garantierten Retournierungsmöglichkeiten geblendet. Ein nettes Lächeln des Vertreters tut das Übrige.
- Sie verlieren viel Zeit durch Vertretergespräche, die Ihnen anderweitig an wichtigeren Stellen fehlt.
- Die Freundlichkeit und Geschwätzigkeit des Vertreters verleitet Sie dazu, mehr als gewollt über sich, Ihren Betrieb, aktuelle Probleme, einen anstehenden Apothekenverkauf und vieles mehr zu erzählen, mit der ziemlich sicheren Gewähr, dass dies seinen wohldosierten Weg in die Umgebung finden wird. Umgekehrt kann man diesen „Buschfunk“ natürlich auch für sich vortrefflich nutzen, wenn man gezielt gewisse Informationen streuen will...
Motivation und Methoden der Vertreter
Vorab: Vertreter ist nicht gleich Vertreter! Das Spektrum ist breit, von absolut seriös und kompetent bis hin zu windigen Gestalten. Fast alle eint, dass sie sich über den Verkaufserfolg definieren, und oft richtet sich ihre Honorierung in Form von Provisionen, Boni, verschiedenen Gehaltsmodellen, Incentives etc. direkt nach den „harten Zahlen“. Nicht selten hängt gar der Arbeitsplatz daran. Weiterhin eröffnet der Einstieg über den Vertrieb immer noch recht schnelle und steile Karrierewege, wenn der Umsatz stimmt. Viele dieser Vertreterposten sind somit Durchlaufstationen. Etliche Apothekenmakler und Berater verschiedenster Couleur generieren sich übrigens auch aus dem Außendienstumfeld, oftmals aus dem Großhandelsbereich. Die Chance ist also gar nicht so gering, dass man sich zweimal im Leben sieht – in teilweise sehr unterschiedlichen Rollen. Dies sollte ein kluger Betriebsinhaber stets im Hinterkopf behalten. Umso mehr kommt es darauf an zu selektieren, insbesondere bei weniger bekannten Firmen. Woran erkennen Sie schlechte und ggf. unseriöse Verkäufer?
- Es wird Druck aufgebaut mit Sätzen wie: „Wir haben nur noch soundsoviel Stück da, entschließen Sie sich schnell“, „Ich kann Ihnen nochmal...nachlassen (dies und das dazugeben), aber nur, wenn Sie sich sofort entscheiden“, „Ich bin gleich noch bei... (gerne Ihrem Hauptkonkurrenten)“, „Andere Kollegen in Ihrem Umfeld haben schon großes Interesse bekundet“ (angedeutete Erpressung z.B. bei Marketingkonzepten mit Gebietsschutz), oder auch härter: „Wenn Sie es nicht machen, Ihr Kollege nebenan macht es sofort“ (z.B. falls ein neuer Apothekenstandort durchgesetzt werden soll).
- Hochloben des eigenen Produkts ohne Substanz mit Behauptungen wie: „Das Produkt läuft wie irre!“ (Belege? Zahlen? Nachhaltige Umsätze oder nur Eintagsfliege?), „Die Werbemaschine ist gerade erst richtig angelaufen!“ (In welchen Medien? Reichweiten? Wie lange?), „Das Produkt ist eine Weltneuheit, einzigartig, unübertroffen ...“ (Belege? Relevanz der Aussagen?).
- Es gibt nur die Möglichkeit der Sofort-Vertreterbestellung ohne weitere Informationsgelegenheit und ohne klares schriftliches Angebot, das Sie sich in Ruhe auch später zu Gemüte führen können.
- Die gebotenen Informationen zum Produkt sind spärlich und auch im Internet unzureichend.
Es empfiehlt sich gerade bei unbekannten Firmen, neuen „Konzepten“, Werbeanbietern u.a. stets das berühmte „Googeln“ im Internet. Nicht selten werden Sie interessante Hinweise erhalten. Wenn sich z.B. in Frage- und Rechtsportalen die Hilferufe häufen, wie man aus den Knebelverträgen des betreffenden Anbieters wieder herauskommt, ist das schon ein deutlicher Fingerzeig. Leider hat das Internet die Apothekenbranche noch nicht so stark durchdrungen, sodass „schwarze Schafe“ immer noch mit ihren Maschen durchkommen. Das ist aber im Umbruch.
Bisweilen erscheinen sogar gleich zwei Vertreter. Bei unbekannten Firmen ist das ein Warnzeichen (Beweislage bei mündlichen Absprachen!). Holen Sie sich ebenfalls Verstärkung – am besten zwei Mitarbeiter. Dann steht es drei gegen zwei. Der Trick mit der Verstärkung hilft auch sonst, Sie gewinnen intuitiv die stärkere Position. Zudem kennen Ihre Mitarbeiter die Warenwirtschaft oft besser als Sie. Wichtig ist jedoch stets eine gute Abstimmung untereinander, ein gutes „Teamplay“, idealerweise ein Verständnis durch Blickkontakt.
In der Regel haben wir es freilich mit im Grundsatz seriösen Firmenrepräsentanten zu tun. Schließlich stehen meist bekannte Firmennamen dahinter, mit einer entsprechenden Reputation. Zudem sind Sie angesichts der immer noch großen Bedeutung der Rabatte, gerade im nicht preisregulierten Umfeld, in gewisser Weise auf das Entgegenkommen der Industrie angewiesen. Behandeln Sie diese Menschen entsprechend!
Bei wichtigen Verhandlungen mit Ihren Hauptlieferanten ist häufig die „asiatische Methode“ zielführend: Setze Deinen Verhandlungspartner weich und bequem, umsorge ihn, sitze selbst dagegen hart, aufrecht und in voller Konzentration. Praktisch also ein Rollentausch – denn umgekehrt will man oftmals Sie auf diese Art „einlullen“. Wie bereits gesagt: Sie wollen etwas erreichen (nämlich möglichst gute Konditionen), Ihr Gegenüber natürlich ebenfalls. Das Umfeld und der Ton entscheiden maßgeblich mit, freilich dürfen durchaus an der richtigen Stelle etwas Härte und Entschlossenheit und die Möglichkeit einer Alternative aufblitzen – aber eben wohldosiert. Verhandlungen sind immer ein Kräftemessen.
Wissen, was man braucht, aber offen für Neues
Die Kunst liegt nun darin, sich selbst zu beschränken, weil man genau weiß, was man wirklich braucht, wie hoch der Bedarf an einzelnen Artikeln ist, was „geht“ und was nicht, wobei Kollege Computer viel Unterstützung leistet. Der Aufruf von Monatsbedarfszahlen, Abverkäufen und Lagerbeständen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Man kann das sogar etwas zelebrieren, ein souveränes Tippen auf der Tastatur und Hervorgucken hinter dem Bildschirm stärken durchaus Ihre Verhandlungsposition, denn Sie signalisieren: Ich bin im Bilde, mir können Sie keinen Unfug erzählen! Gleichzeitig sollten Sie sich aber die Offenheit für Neues erhalten, bisweilen erscheint ja tatsächlich einmal etwas Innovatives, Brauchbares, Witziges, was an einem vorüberzieht, wenn man alles barsch abweist. Der Vertreter als Informations- und Neuigkeiten-Übermittler ist eben nicht zu unterschätzen.
Wie im Kundengespräch, geht es letztlich um die richtige, zielorientierte Gesprächsführung – suaviter in modo, fortiter in re. Freundlich, verbindlich, offen, aber klar fokussiert. Als guter Verhandler lächeln Sie, sind nett und zuvorkommend, scherzen auch einmal, lenken zudem gezielt und bewusst vom Thema ab und behalten durch gesteuertes Nebelwerfen die Führung. Sie spielen die emotionale Karte und geben sich dann wieder hochgradig interessiert und konzentriert. Sie fassen aber genau an der richtigen Stelle zu, wenn es um die wesentlichen Dinge geht, wie die Bestellmenge, Rabattkonditionen, Sonderzugaben. Auf den letzten Metern, den Abschluss in Griffweite, können Sie jetzt kurz vor der Unterschrift meist noch eine kleinere Forderung in die Waagschale werfen – kaum jemand wird deshalb jetzt das Geschäft noch scheitern lassen wollen, sofern Sie Fingerspitzengefühl beweisen und es eben nur noch um ein Sahnehäubchen obenauf geht.
Als kluger Verhandler treffen Sie aber auch genau den Punkt, das Gegenüber in guter Atmosphäre zu verabschieden, ohne etwas gekauft zu haben, und bleiben so trotzdem positiv in Erinnerung. Nein kann man gerade in einer Verhandlung auf verschiedene Weise sagen, da sind uns andere Kulturen voraus. Und Sie sollten lernen, auf verbindliche Weise (manchmal auch auf sehr klare Art) Nein zu sagen – viele haben damit ihre Schwierigkeiten, und das kostet hinterher eine Menge Geld!
Dabei geht es nicht nur darum, sich nichts Ungewolltes aufschwatzen zu lassen, sondern auch um den Faktor Zeit. Wenn Sie von vornherein wissen, dass Sie an den neuesten Spezialkathetern keinen Bedarf haben und Sie sich keine neuen Erkenntnisse versprechen, dann brechen Sie ab, bevor kiloschwere Mappen vor Ihren Augen durchgeblättert werden. Es macht dabei einen guten Eindruck, nicht nur „nein“ zu sagen, sondern eine plausible Begründung zu geben: „Wir sind hier eine Lauflagenapotheke mit viel Barverkauf, solche Spezialprodukte spielen für uns daher kaum eine Rolle!“ So geht man gesichtswahrend auseinander. Das Gegenüber weiß zudem für die Zukunft Bescheid.
Cold calling und Telefonmarketing
Das Telefon läutet, elegant hat der Anrufer die erste Hürde – die Anrufannahme durch Ihre Mitarbeiterin – umschifft, und nun haben Sie ihn direkt am Apparat. Es ist keiner der bekannten Vertreter oder Ihr Gebietsbetreuer des Großhandels, sondern die Ihnen völlig unbekannte „Big Capital-Anlagegesellschaft“, der „Spring Fix-Büroversender“ oder was auch immer. „Cold calling“, auch „Kaltakquise“ genannt, hier per Telefon, umspannt ein weites Feld. Nicht selten handelt es sich um schlichte „Telefon-Abzocke“ und ist groß in Mode. Schon allein diese Art der Kontaktaufnahme sollte zu denken geben. Zwar mögen ab und an auf diesem Wege vernünftige Angebote kommen – in der Mehrzahl sind sie sicher nicht.
Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass die Gespräche aufgezeichnet werden. Reden Sie also nicht unüberlegt darauflos. Im Zweifel legen Sie einfach auf und blocken die Nummer, was bei modernen Telefonanlagen ja leicht geht. Wenn ein Gespräch zustande kommt: Seien Sie extrem vorsichtig mit Aussagen, die als Zustimmung gewertet werden könnten. Stellen Sie Fragen, geben Sie jedoch keine verbindlichen Antworten. Sollte tatsächlich ein vertrauenswürdiges Angebot dahinterstehen, wird man Ihnen rasch eine seriöse Internetseite nennen oder schriftliches Informationsmaterial zukommen lassen, anhand dessen Sie weitersehen können. Weisen Sie auch Ihre Mitarbeiter entsprechend ein.
Kritisch: persönliche Belange
So souverän viele im Betrieb ihren Wareneinkauf managen und mit Vertretern umgehen können – im Privatbereich wandelt sich das Bild oft um 180 Grad. Während beim OTC-Einkauf um Zehntelprozente gerungen wird, werden fünf- oder sechsstellige Beträge in irgendwelche Kapitalanlagen gesteckt, schaut man beim Haus- oder Wohnungskauf nur überraschend oberflächlich hin oder werden überflüssige Privatversicherungen abgeschlossen. Das erstaunt immer wieder.
Hier kann letztlich nur angeraten werden, mindestens dieselbe Sorgfalt und Raffinesse wie im Betrieb walten zu lassen. Was Sie nicht verstehen, lassen Sie besser sein. Oder machen Sie sich selbst schlau (wie Sie das ja in der Apotheke, nicht immer ganz freiwillig und bisweilen unter Mühen, auch regelmäßig tun) und vertrauen Sie nicht blind irgendwelchen Beratern und Empfehlungen. Sie mögen einmal ein paar Hundert Schachteln zu viel gekauft haben oder auf eine blöde Werbemasche hereingefallen sein: geschenkt, Lehrgeld! Aber bei Immobilien, Kapitalanlagen in größerem Stil oder Versicherungen geht es um viel, bisweilen um existenzielle Dimensionen. Ein solches Spielfeld überlässt man nicht einfach anderen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(07):5-5