Kundenorientierung

Erfolg durch Perspektivwechsel


Ute Jürgens

Die wahren Wünsche des Kunden kennen und erfüllen – das kann viel einfacher sein als gedacht. Sachlichkeit, vorausschauendes Denken und Handeln im Sinne des Kunden sind gefragt: konkrete Lösungen statt Gleichgültigkeit und Ahnungslosigkeit.

Weg von der Gedankenlosigkeit

Ein Perspektivwechsel ist angebracht. Ist man auf etwas ganz anderes konzentriert oder geht man nur von sich aus – der Autor und Seminarleiter Thilo Baum bezeichnet das als egozentrisches Denken –, kommt man gar nicht auf die oben genannten Ideen. Baum betont, dass es sich nicht um gesunden selbstfürsorgenden Egoismus, sondern um ignoranten Egozentrismus handelt. Nur der eigene Maßstab zählt. Der andere wird gar nicht wahrgenommen als Mensch mit eigener Realität, Erfahrung, Wünschen und Bedürfnissen. Dabei sollte nicht unbedingt ein böser Wille unterstellt werden: Die Angestellte handelt gedankenlos, sie achtet einfach nicht auf die Bedürfnisse des Kunden, der sie womöglich gerade bei anderen Arbeiten unterbrochen hat.

Wie wird in einer Apotheke auf Anregungen und Wünsche von Kunden reagiert? Werden sie wirklich bearbeitet oder sagen nur alle: „Ja, danke, ich kümmere mich darum“, und tun es nicht, weil der Chef keine Veränderungen möchte? Geht die Apothekenleitung nur von sich aus, ist der Inhaber mehr leitungs- statt kundenorientiert? Weiterkommen hieße: Man setzt sich regelmäßig zusammen, um Situationen zu besprechen, die entweder besonders gut abgelaufen sind oder bei denen Handlungsbedarf im Sinne von mehr Hilfsbereitschaft besteht. Schult man diese Art von Denken, steht es nach einiger Zeit in entsprechenden Situationen direkt zur Verfügung.

Wie reagieren wir, wenn mehrere Kundenberatungen gleichzeitig auf engem Raum stattfinden? Ja, richtig: Wir sprechen lauter. Vielleicht spielt auch noch das Radio im Hintergrund, jemand ist schwerhörig – was braucht unser Gegenüber? Ruhe. Ist es ein längeres Gespräch, sollten wir den Beratungsraum aufsuchen. Auch sollten wir am HV-Tisch nicht direkt neben unserem Kollegen stehen, sondern um den HV-Tisch herum in einen ruhigeren Bereich gehen.

Sind wir in Eile, da bereits andere Kunden warten, unterlassen wir es manchmal, aus Kundensicht komplizierte Verpackungen oder Einnahmeweisen zu erläutern. Wie viele Menschen haben Probleme mit kindersicheren Drehverschlüssen, Augentropfen etc. und wie wenige trauen sich, uns um Hilfe zu bitten. Daher darf auch Hektik kein Grund sein, auf den Perspektivwechsel zu verzichten und zumindest kurz nachzufragen, ob eine genauere Erklärung oder konkrete Hilfe benötigt wird.

Wir reagieren empfindlich auf die immer wieder gehörte Abqualifizierung zum „Schubladen­zieher“ und ähnliche, oft hämische Bezeichnungen sowie auf die negativen Tests durch diverse Institutionen. Nicht wenige Apotheken sind aus unterschiedlichen Gründen aber genau dorthin unterwegs, wovon sie sich eigentlich immer heftig distanzieren. Der hier beschworene Per­spektivwechsel ist nicht das Allheilmittel, aber eine schöne Art, der eigentlichen Aufgabe im Beruf treu zu bleiben und dem Kunden mehr anzubieten als andere Betriebe.

Mitdenken kann man lernen bzw. erinnern, ureigentlich ist es uns gegeben. Um tiefergehend fit zu werden, empfiehlt sich das Modell der Reiss Profile (Steven Reiss: Wer bin ich und was will ich wirklich? Redline Verlag. 2010. 24,90€). Diesem liegen 16 Lebensmotive zugrunde, wobei jeder Mensch durch eine Kombination aus diesen Werten geprägt ist und zum Handeln in der einen oder anderen Weise motiviert wird. Im Einzelnen sind dies: Macht, Unabhängigkeit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparen/ Sammeln, Ehre, Idealismus, Bezie­hungen, Familie, Status, Wettbewerb/Rache, Sinnlichkeit, Essen, körperliche Aktivität, innere Ruhe.

Wenn für mich zum Beispiel die Lebensmotive körperliche Aktivität, Unabhängigkeit und Neugier ganz oben stehen und Anerkennung, Ehre und Ordnung eine eher unwichtige Rolle spielen, werde ich einen Kunden, der abnehmen will, automatisch in dieser Richtung beraten. Ich bin mir meiner Werte nicht bewusst, handle aber danach, indem ich ihm zum Beispiel viel Individualsport empfehle und das Ausprobieren ihm noch unbekannter Diätprodukte vorschlage. Ich gehe also egozentrisch vor. Wenn es ein Stammkunde ist, der schon öfter von seiner Familie und von Kochabenden mit Freunden erzählt hat, ist klar, dass für ihn die Werte Familie und Beziehungen wichtige Lebensmotive sind. Kundenorientiert wären hier die Empfehlung eines wohlschmeckenden diätunterstützenden Ge­tränks, Ernährungtipps zu niedrigkalorischen Lebensmitteln für die Kochabende und Bewegung in einer Gruppe.

Andere Schwerpunkte als normal empfinden

Reiss verdeutlicht, dass wir uns zu Menschen hingezogen fühlen, die ein ähnliches Werteprofil haben wie wir selbst. Missverständnisse und Ablehnung finden sich eher bei stark abweichenden Lebensmotiven. Habe ich verinnerlicht, dass es vollkommen normal ist, wenn andere Menschen andere Schwerpunkte in ihrem Leben setzen, kann ich hier eine Falle umgehen, in die ich normalerweise tappen würde. Ich versuche nicht, anderen Menschen meine eigenen Werte als „alleinseligmachend“ aufzuzwingen, und berate auch nicht in dieser Richtung.

Die langfristigen Auswirkungen von gelebter Kundenorientierung sind nicht nur positiv für den Kunden, sondern auch für uns als Berater und für den wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke (siehe Kasten auf Seite 7).

Eine wichtige Voraussetzung für die Kundenorientierung ist eine entsprechende Mitarbeiterführung. Wer seine Angestellten schätzt, eine zu dünne Personaldecke vermeidet und zudem versucht, gelegentlich die Per­spektive der Mitarbeiter einzunehmen, wird ohne große Probleme erreichen, dass diese sich auch zuvorkommend und mitdenkend gegenüber den Kunden verhalten.

Buch-Tipps

Thilo Baum: Denk mit! Erfolg durch Perspektivwechsel. Stark Verlag. 2012. 19,95 €

German Quernheim: Arbeitgeber Patient – Kundenorientierung in Gesundheitsberufen. Springer Verlag. 2010. 9,95 €

zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(08):7-7