Prof. Dr. Reinhard Herzog
Problematischer Firmenwert
Stetiger Streitpunkt ist der „Goodwill“, also der Mehrwert, den ein Unternehmen bei Übernahme eines anderen Unternehmens für die Geschäftsidee, den Kundenkreis und das Wissen der Mitarbeiter bezahlt. Dieser kann durchaus beträchtlich sein: In den vergangenen Jahren wurde manches kleine Internetunternehmen zu Millionenbeträgen veräußert, obwohl der Substanzwert allenfalls aus einigen Computern und Möbeln bestand.
Nach den deutschen Bestimmungen und nach IFRS muss dieser „Goodwill“ nach festgelegten Sätzen abgeschrieben werden. Bei Hightechunternehmen liegt die Goodwill-Abschreibung z.B. bei 20% pro Jahr, in weniger kurzlebigen Branchen niedriger. Nach den vor einigen Jahren erfolgten Neuregelungen der US-GAAP ist eine solche kontinuierliche Abschreibung nicht mehr vorgesehen. Die Firmen sind gehalten, den Goodwill ihrer Neuerwerbungen jedes Jahr erneut zu prüfen und an die aktuelle Entwicklung anzupassen. Stellt das Unternehmen fest, dass der Goodwill nach wie vor berechtigt ist, muss keine Abschreibung vorgenommen werden.
Idealerweise macht ein Unternehmen seine Goodwill-Erwartungen im Jahresabschluss transparent. In der Praxis nutzen allerdings viele die zugestandenen Freiheiten zur fantasievollen Bilanzgestaltung. Will sich ein Unternehmen „reich rechnen“, hält es die Goodwill-Abschreibungen gering. Soll nur ein mäßiger Jahresabschluss ausgewiesen werden, um z.B. im folgenden Jahr mit hohen Profiten zu glänzen, kann über hohe Goodwill-Abschreibungen der Ertrag entsprechend reduziert werden. Nicht selten wird auch zwischen den Bilanzierungsmethoden gewechselt, wobei Vergleiche nur für ein Wirtschaftsjahr vorgenommen werden.
Einer übermäßig freizügigen Abschlussplanung steht – zumindest für US-Firmen – allenfalls die effiziente Börsenaufsicht entgegen, die dank strenger Haftungsbestimmungen für Bilanzierer und Wirtschaftsprüfer allzu willkürlichem Handeln einen Riegel vorschieben kann. Problematischer ist die Situation bei deutschen und nicht-amerikanischen Firmen, die sich für die US-GAAP entschieden haben. Da es hier an vergleichbaren Kontrollen und Sanktionen oft fehlt, ist es allein Aufgabe der Analysten, eventuelle Missstände aufzudecken.
Auch private Anleger sollten daher darauf achten, nach welchen Methoden ein Unternehmen bilanziert. Schon kleinste Diskussionen über die Abschreibungsfrage sollten Misstrauen wecken: Die Erfahrung zeigt, dass sich Bilanzmanipulationen – so legal sie auch sein mögen – mittel- bis langfristig stets kursbeeinflussend auswirken. Nicht selten sind sogar Fälle, in denen entsprechende Machenschaften lediglich die Vorstufe zur Insolvenz waren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(09):13-13