Jasmin Theuringer
Verjährung
Beispiel: Apothekenleiter A wird von einer Vertreterin, die er zuletzt im Januar 2009 beschäftigt hat, auf ausstehende Notdienstvergütung vor dem Arbeitsgericht in Anspruch genommen. Vor Gericht schweigt A und wird zur Zahlung verurteilt.
Die gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verjähren in der Regel innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren. Hierbei wird stets ab dem Schluss eines Jahres gerechnet. Sämtliche Ansprüche aus dem Jahr 2009, ob sie nun im Januar oder im Dezember 2009 fällig geworden sind, verjähren einheitlich am 31. Dezember 2012. Die im Januar 2009 verdiente Vergütung verjährte also am 31. Dezember 2012. A wurde daher vom Arbeitsgericht zur Zahlung einer an sich verjährten Forderung verurteilt.
Die Verjährung einer Forderung bedeutet, dass dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Dieses muss er aktiv ausüben. Tut er das nicht, so wird die Frage der Verjährung vom Gericht nicht geprüft. Die Verurteilung des A war daher rechtens. Um sie zu verhindern, hätte A sich vor Gericht ausdrücklich darauf berufen müssen, dass die Forderung bereits verjährt ist.
Verwirkung
Beispiel: Die Vertreterin V wendet sich 2012 an A und bittet, ihr für die einmonatige Vertretungszeit im Januar 2009 noch ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. A entgegnet, das sei zu spät. Zudem sei er während der Tätigkeit von V im Urlaub gewesen, er könne die Qualität ihrer Arbeit daher nicht beurteilen.
Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses verjährt in drei Jahren. Selbst wenn V nur einen Monat in der Apotheke des A beschäftigt war, kann sie grundsätzlich ein qualifiziertes Zeugnis – also ein Zeugnis mit einer Leistungsbeurteilung – fordern, auch wenn die Beurteilung aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer und der Abwesenheit des A nur sehr knapp ausfallen dürfte.
A kann sich aber möglicherweise darauf berufen, dass der Zeugnisanspruch zwar nicht verjährt, aber verwirkt ist. Von einer Verwirkung spricht man, wenn ein Anspruch über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht wurde und wenn der Anspruchsgegner – hier also A – annehmen durfte, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Neben dem reinen Zeitablauf muss also ein Umstand hinzutreten, durch den A darauf vertrauen durfte, dass V das Zeugnis nicht mehr verlangt. Ein solcher Umstand könnte etwa darin liegen, dass V bereits wiederholt Urlaubsvertretungen für A gemacht und nie um ein Zeugnis gebeten hat. A musste dann nicht damit rechnen, dass V nach drei Jahren erstmals ein Zeugnis verlangen würde. Der Anspruch wäre in diesem Fall verwirkt, noch bevor eine Verjährung eingetreten ist.
Die Annahme, ein Anspruch sei verwirkt, ist äußerst zurückhaltend vorzunehmen. Bloßer Zeitablauf reicht in keinem Fall, eine Verwirkung bereits vor Eintritt der Verjährung anzunehmen. Es muss stets ein Umstand hinzukommen, der beim Anspruchsgegner das Vertrauen weckt, auf die Durchsetzung eines an sich bestehenden Anspruchs werde verzichtet.
Beispiel: A bemerkt, dass seine PTA P beim Kassiervorgang Geld unterschlägt. Obwohl dies grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, schweigt A und entschließt sich, P noch eine Chance zu geben. Nach einem Jahr überlegt er es sich jedoch anders und spricht eine fristgerechte Kündigung aus.
Hier kommt eine Verwirkung des Kündigungsrechts grundsätzlich nicht in Betracht, da P nicht wusste, dass sie ertappt wurde. Daher konnte die stillschweigende Fortsetzung des Arbeitverhältnisses auch kein Vertrauen bei P begründen, A werde ihr den Vorfall verzeihen und nicht kündigen.
Jedoch kann A einen Kündigungsgrund nicht endlos bevorraten, um dann bei passender Gelegenheit ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Schließlich bringt er mit der verhaltensbedingten Kündigung zum Ausdruck, dass ihm ein Festhalten an dem Vertrag aufgrund des Verhaltens von P nicht zumutbar sei. Diese Unzumutbarkeit aber wird umso mehr relativiert, je länger A mit der Kündigung wartet.
Verfall
Nicht gesetzlich geregelt ist der Verfall von Ansprüchen. Verfallfristen finden sich regelmäßig in Tarifverträgen, aber auch in Arbeitsverträgen.
Variante: Zwischen A und der Vertreterin V wurde seinerzeit ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen, der ausdrücklich auf den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) Bezug nahm.
Der BRTV enthält in §20 eine Verfallfrist von drei Monaten. Sämtliche Ansprüche auf Vergütung sind demnach spätestens innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Die von der Vertreterin verdiente Notdienstvergütung war Ende Januar 2009 fällig. Sie hätte A daher spätestens bis Ende April 2009 schriftlich zur Zahlung auffordern müssen. Nach Ablauf der Verfallfrist sind die Ansprüche erloschen.
Anders als bei der Verjährung von Ansprüchen ist es nicht erforderlich, sich ausdrücklich auf den Verfall zu berufen, das Gericht hat diesen vielmehr „von Amts wegen“ zu berücksichtigen. Die Klage der Vertreterin würde in diesem Fall auch abgewiesen werden, wenn A – wie im Ausgangsfall – vor Gericht schweigt.
Beispiel: A möchte künftig nicht noch Jahre nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen werden und ergänzt die Arbeitsverträge um folgende Klausel: „Sämtliche Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.“
Vertragliche Verfallklauseln sorgen auch in nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen für rasche Rechtssicherheit und sind daher grundsätzlich empfehlenswert. Verfallklauseln können dann wirksam vereinbart werden, wenn sie nicht eine der Vertragsparteien – das wird in der Regel der Arbeitnehmer sein – unangemessen benachteiligen.
Die von A gewählte Formulierung umfasst lediglich Ansprüche des Arbeitnehmers. Ansprüche des Arbeitgebers könnten noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden. Derartige einseitige Verfallklauseln werden von der Rechtsprechung als unwirksam erachtet (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. März 2004, 1 AZR 271/03). Die vertraglich vereinbarte Verfallklausel muss sich stets auch auf Ansprüche des Arbeitgebers beziehen.
Darüber hinaus ist die von A gewählte Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen zu kurz. Die vertraglich vereinbarte Verfallfrist sollte mindestens drei Monate betragen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04).
Variante: Der Arbeitsvertrag zwischen A und der ausgeschiedenen V enthielt eine wirksame Verfallfrist von drei Monaten für sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. V forderte die ausstehende Notdienstvergütung für Januar 2009 im März 2009 an. Da A hierauf nicht reagierte, erhebt V im Jahr 2013 Klage vor dem Arbeitsgericht.
A kann sich in dem Verfahren auf eine Verjährung der Ansprüche berufen. Die schriftliche Zahlungsaufforderung von V konnte zwar bewirken, dass die vertragliche Verfallklausel nicht greift, sie hatte jedoch keinerlei Auswirkungen auf den Lauf der Verjährungsfrist. Um diese zu unterbrechen, hätte die Forderung vor Ablauf der Verjährungsfrist, also noch im Jahr 2012, gerichtlich geltend gemacht werden müssen.
Variante: A will sich auch davor schützen, noch nach Jahren gerichtlich in Anspruch genommen zu werden und formuliert die vertragliche Verfallklausel wie folgt: „Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Bei Ablehnung der Ansprüche sind diese innerhalb eines weiteren Monats gerichtlich geltend zu machen.“ V hatte ihre Ansprüche außergerichtlich nicht geltend gemacht, diese aber noch 2012 eingeklagt. Vor Gericht beruft sie sich auf die Unwirksamkeit der vertraglichen Verfallfrist.
Sieht die Verfallklausel vor, dass Ansprüche zunächst schriftlich und bei Ablehnung oder auch beim bloßen Untätigbleiben des Anspruchsgegners gerichtlich geltend zu machen sind, handelt es sich um eine sogenannte zweistufige Verfallfrist.
Auch bei zweistufigen Fristen gilt, dass stets sowohl die Ansprüche des Arbeitnehmers als auch diejenigen des Arbeitgebers von der Klausel umfasst sein müssen. Zudem müssen nun beide Fristen angemessen sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sollte sowohl die Frist für die außergerichtliche Geltendmachung als auch die Klagefrist jeweils mindestens drei Monate betragen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2005, 5 AR 572/04).Im Beispiel ist daher die Klagefrist zu kurz bemessen, die Frist für die außergerichtliche Geltendmachung hingegen ist angemessen.
Zweistufige Verfallfristen werden von den Gerichten geteilt, die zu kurz bemessene Klagefrist ist also unwirksam, nicht aber die Frist für die außergerichtliche Geltendmachung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. März 2008, 10 AZR 152/07). Die Vertreterin hätte zur Wahrung ihrer Rechte die erste Stufe der Verfallfrist beachten und ihre Ansprüche rechtzeitig außergerichtlich anmelden müssen.
Ausgleichsklauseln
Beispiel: Vor dem Arbeitsgericht verständigen sich A und V darauf, dass V ihre Notdienstvergütung erhält. Inhalt des gerichtlichen Vergleichs ist zudem eine Klausel, wonach mit dieser Zahlung sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ausgeglichen sind. Im Folgemonat fällt A auf, dass V noch eine Rechnung für Eigenbedarf zu bezahlen hat.
Endet ein Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag oder wird vor dem Arbeitsgericht ein Vergleich geschlossen, so soll häufig durch eine sogenannte Ausgleichsklausel für beide Parteien bindend festgestellt werden, dass keine gegenseitigen Ansprüche mehr bestehen.
Eine Ausgleichsklausel ist ein negatives Schuldanerkenntnis. Mit ihr wird bindend anerkannt, dass keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Diese Erklärung kann sich je nach konkreter Formulierung auch auf Ansprüche beziehen, an die eine der Vertragsparteien nicht mehr gedacht hat oder die sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
Bevor eine solche Klausel vereinbart wird, sollten sich beide Parteien somit darüber im Klaren sein, dass der auf diese Weise erreichte Rechtsfriede auch den Verlust eigener Ansprüche bedeuten kann. Sollten also noch Rechnungen für Eigenbedarf, ein Arbeitgeberkredit, Rückforderungsansprüche wegen überzahltem Lohn oder auf der anderen Seite Vergütungs- oder Lohnfortzahlungsansprüche, Ansprüche auf später fällig werdende Tantiemen oder Ähnliches bestehen, so ist es sinnvoll, diese Ansprüche ausdrücklich von der Ausgleichsklausel auszunehmen.
A wird im Beispielsfall von seiner Vertreterin kein Geld mehr verlangen können.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(11):9-9