Stellvertreter finden und aufbauen

Zunächst: Was bedeutet Stellvertreter genau? Ist das jeder Approbierte, der die Leitung bei Abwesenheit vertritt, oder gehört mehr dazu? Laut Definition ist ein Stellvertreter eine Person, die mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet ist, bei Abwesenheit des eigentlichen Funktionsinhabers dessen Funktion zu übernehmen. Als Apothekenleiter müssen Sie sich die Frage stellen: Suchen Sie nur eine Urlaubsvertretung oder eine Führungskraft, die Sie dauerhaft entlastet? Ein „richtiger Stellvertreter“ ist jemand, der

• Führungsverantwortung über­nimmt, wenn die Leitung nicht da ist, und

• in individuell definierten Bereichen auf Dauer die Leitung vertritt.

Das setzt eine Beschäftigung von mindestens 25 bis 30 Stunden in der Woche voraus. Sind diese Anforderungen in Ihrer Apotheke nicht gegeben, weil Sie sich keinen 25- bis 30-Stunden-Approbierten leisten können oder wollen oder weil Sie nicht bereit sind, Führungsaufgaben abzugeben, dann benötigen Sie keinen Stellvertreter, sondern ein gutes Mitarbeiterteam.

Im Vorfeld muss genau überlegt werden, welche Aufgaben und Anforderungen der Stellvertreter erfüllen soll. Also: Was erwarten Sie? Was ist Ihnen besonders wichtig? Wo, wann und wie wollen Sie ihn einsetzen? Die schriftliche Niederlegung des Aufgaben- und Anforderungsprofils hilft bei der Auswahl eines ge­eigneten Kandidaten ungemein. Die Schlüsselqualifikationen eines Stellvertreters sind:

• Fachkompetenz – mittlerweile als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt –,
• Sozialkompetenz (Soft Skills wie die Fähigkeit, andere zu verstehen sowie sich ihnen gegenüber situationsangemessen und klug zu verhalten, Teamfähigkeit, Selbstvertrauen, Kommunikations­fähigkeit, Engagement) und

• individuelle Persönlichkeits­faktoren wie Optimismus, ausgeglichener und ausgewogener Charakter, hohe Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Offenheit für neue Erfahrungen.

Selten werden Sie einen Stellvertreter finden, der alle Qualifika­tionen gleichermaßen aufweist. Eine brauchbare Basis für die Suche ist daher Ihre individuelle Anforderungs-Rangfolge.

Wollen Sie einen Stellvertreter extern finden, ist eine gut strukturierte Stellenanzeige in den Fachmedien, einschließlich Internet, mit Kurzporträt der Apotheke, Anforderungsprofil, Aufgabenbereich und Angebot eines attraktiven Arbeitsplatzes heutzutage immer noch die gängigste Methode. Die Persönlichkeit, die Ihren Vorstellungen weitgehend entspricht, finden Sie unter den Bewerbern nur durch ein strukturiertes Vorstellungs- und später Einstellungsgespräch. Bis Sie einen Stellvertreter haben, der Ihre Erwartungen erfüllt, ist jedoch noch intensive Aufbauarbeit zu leisten. Der neue Mitarbeiter muss in die Apotheke eingeführt werden, Kollegen und Abläufe kennenlernen. Kommunizieren Sie dabei von Beginn an, welche Position er einnehmen soll.

Haben Sie sich entschlossen, einen Mitarbeiter aus dem Team zur Führungskraft aufzubauen, kann das ebenfalls sinnvoll sein. Zunächst stellt dies allerdings eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Heute Kollege, morgen Chef – darauf reagieren die bisherigen Kollegen womöglich mit Unsicherheit, Neid, Ablehnung oder gar verstecktem Boykott. Dabei muss der „Stellvertreter aus den eigenen Reihen“ schnell Führungsqualität beweisen – gegenüber den Teamkollegen und dem Apothekeninhaber. Ein Spagat, der bewältigt werden will. Damit nicht frus­trierende Ernüchterung, sondern Aufbruchsstimmung und Elan die Veränderung bestimmen, ist eine frühzeitige und feinfühlige Kommunikation über die Ziele der Apothekenleitung ganz entscheidend.

Mitarbeitergespräche fördern die Entwicklung zum Stellvertreter und lenken ihn und Ihr übriges Team in die von Ihnen gewünschte Richtung. Geben Sie positives Feedback, wo immer es angebracht ist – das gibt dem Mitarbeiter Sicherheit. Äußern Sie aber auch konstruktive Kritik, wenn Sie andere Vorstellungen haben. Führen Sie zudem anfangs in engerem Abstand Beurteilungsgespräche mit dem Auserwählten. Inhalt dieser Ge­spräche ist die Reflexion der Ist-Situation sowie die Festlegung der Ziel-Situation bis zum nächsten Gespräch. Auf diese Weise wird der Stellvertreter schrittweise an seine neue Position herangeführt und weiß zu jedem Zeitpunkt, was von ihm erwartet wird. Stellen Sie Defizite fest, helfen Führungsseminare von externen Anbietern. Geben Sie Ihrem Stellvertreter aber auch genügend Möglichkeiten, Praxiserfahrung zu sammeln und sich vor den Kollegen zu beweisen.

Die Delegation verantwortungsvoller Aufgaben ist ein wichtiger Schritt im Stellvertreter-Aufbau. Am besten beginnen Sie mit der Abgabe von Aufgaben, die aus strategischer Sicht unkritisch sind. Hierzu gehören z.B. Ein­teilung der Arbeits- und Urlaubszeiten, Organisation der internen und externen Weiterbildung, Verantwortung für das Kosmetiksortiment, Vertretergespräche und Direkteinkauf nach Festlegung von Bestellkriterien, Produktauswahl und Organisation von Verkaufsförderungsaktivitäten.

Ein Stellvertreter ohne entsprechende Befugnisse wäre allerdings kein Stellvertreter, sondern nur ein Platzhalter. Die Übertragung von bestimmten Aufgaben an Ihren Stellvertreter verlangt auch die Erweiterung seiner Verantwortlichkeiten. Je mehr Befugnisse Sie an ihn delegieren, desto stärker fordern Sie ihn, seine Kenntnisse und Fähigkeiten auch einzusetzen. So findet eine kontinuierliche Weiterentwicklung statt. Sie sollten dem Stellvertreter dabei die Freiheit einräumen, auf seine persönliche Art und Weise zu handeln. Befugnisse zu delegieren, bedeutet aber nicht, dass Sie diese abtreten – als Apothekeninhaber sind Sie immer der Verantwortliche!

Bei längerer guter Zusammenarbeit entsteht eine Vertrauensbasis zwischen Leitung und Stellvertreter, die auch die Delegation von Aufgaben mit größerer stra­tegischer Bedeutung ermöglicht. Ob das die Kontaktpflege zu Ärzten und/oder Pflegeheimen ist, die Verantwortung für das Frei- und Sichtwahlsortiment, die Gesamt-Marketingaktivitäten, die Zielgruppenbetreuung etc. hängt von Ihren Schwerpunkten ab. Zeigen Sie deutlich Ihr Vertrauen in Ihren Stellvertreter.

Engagement in Aufbau und Förderung eines Stellvertreters wird belohnt. Die Zeit, die Sie in den Auswahlprozess und den Aufbau eines Stellvertreters investieren, sparen Sie sich zukünftig an unliebsamen Telefonaten während Ihres wohlverdienten Urlaubs oder an aufwendiger Aufarbeitung an den ersten Tagen danach. Darüber hinaus gewinnen Sie im Alltag dringend benötigte Zeit für die neuen Herausforderungen und Aufgaben, die das Apothekendasein an Sie stellt.