Familienmitglieder in der Apotheke

Vom Umgang mit Angehörigen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Der Fiskus schaut mit Argusaugen darauf, und auch in vielerlei anderer Hinsicht steckt eine ganze Menge Zündstoff darin, wenn Familienangehörige im Betrieb tätig sind. Worauf gilt es zu achten und wie vermeidet man die kleinen oder gar großen Katastrophen?

Der Versorgungsaspekt

Auch heute noch spielt der Versorgungsaspekt eine bedeutende Rolle. Der Lebenspartner oder An­gehörige soll nicht nur im Betrieb mit eingebunden, sondern zudem wirtschaftlich abgesichert werden. Das beginnt mit der „versteckten Studienfinanzierung“ der Kinder, die im Betrieb gerne für allerlei Dienst­leistungen beispielsweise im EDV-Bereich beschäftigt werden, und geht hin bis zur Voll­anstellung der Ehefrau mit einem sehr groß­zügigen Gehalt. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte treten oft hinzu, so die eigene Kranken- und Pflegever­sicherung in der GKV (die mög­licherweise je nach konkreter Sachlage die kostenfreie Mit­versicherung der Kinder erlaubt; die Detailregeln der Sozialversicherung stecken jedoch voller Tücken), die Ab­sicherung gegen Arbeitslosigkeit (die sich in diesen Fällen ja „steuern“ lässt) und der Aufbau eigener Rentenanwartschaften. Rund die Hälfte dieser Beiträge (sprich der Arbeitgeberanteil) sind dann gewinnmindernde Betriebsausgaben.

Dennoch sollte im Einzelfall gegengerechnet werden: Wegen der möglichen Mehrfachzahlung von Beiträgen, der nicht unbedingt sehr guten „Verzinsung“ in der allgemeinen Rentenversicherung (in der ja Nicht-Pharmazeuten landen), der komplizierten Regelungen des Sozialversicherungsrechts sowie ggf. aufgrund von Besonderheiten der eigenen steuerlichen Situation kann das unter dem Strich gar nicht mehr so vorteilhaft sein.

Der Steueraspekt

Dieser wurde eben bereits angesprochen. Im Fall vieler Nebenbeschäftigungen von Angehörigen liegt er auf der Hand. Manche Apotheken sind regelrechte „Familienbetriebe“, in denen fast jedes Familienmitglied „durch die Bücher läuft“. Nicht zuletzt deshalb schaut das Finanzamt hier besonders genau hin: Mit Fremden vergleichbare Regelungen, Arbeitsvertrag, Überweisung auf ein separates Konto des Beschäftigten, im Zweifelsfall Nachweise der Tätigkeiten – hier droht Ungemach, falls man den Bogen überspannt.

Der Kontrollaspekt

Dieser findet sich meist, wenn auch nicht nur, unter Eheleuten oder Lebenspartnern. Die „bessere Hälfte“ möchte wissen, was im Betrieb läuft – das funktioniert optimal, wenn man selbst täglich zugegen ist, am besten noch an einer zentralen „Schaltstelle“. So etwas kann über viele Jahre gut gehen, wenn es wirklich eine harmonische Ergänzung ist (was vorkommen soll), oder wenigstens der eine das geduldig erträgt und der andere seine Kon­trollfunktion nicht übertreibt. Oft ist damit aber eine weitere „Sollbruchstelle“ in einer Beziehung, die bereits problematisch ist, angelegt. Und dann droht ein ernster „Stresstest“ für den Betrieb.

Geregelter Betriebsübergang in der Familie

Sohn, Tochter oder gleich mehrere Geschwister, die für die Nachfolge vorgesehen sind, sollen in die Apotheke im Sinne eines „gleitenden Übergangs“ hineinwachsen. Rein sachlogisch handelt es sich um eine der schlüssigsten Begründungen für ein Angehörigen-Arbeitsverhältnis. Rechtzeitig angegangen, ist das Risiko zudem überschaubar. Selbst wenn der Sohn nach zwei, drei Jahren im elterlichen Betrieb zu dem Schluss kommt, dass in ihm doch das große Künstlertalent steckt und er die Apotheker-Laufbahn beendet, greift eben Plan B – eine Nachfolgelösung außerhalb der Familie.

„Zwangsgemeinschaften“

Bisweilen werden Angehörige zwangsweise in einem Betrieb förmlich „zusammengekettet“, etwa in Erbengemeinschaften, mit bisweilen kuriosen, allzu oft aber negativen Folgen für ein Unternehmen.

Vor- und Nachteile abwägen

Je stärker das Familienmitglied tatsächlich in der Apotheke tätig wird und sich hier verwirklicht, umso mehr sind die Vor- und Nachteile abzuwägen. Der kluge Mensch schaut dabei auf das mögliche Ende: Ist eine Trennung im Konfliktfall darstellbar (bei Übereinstimmung gibt es ja bekanntlich nie Probleme), ohne dass der Betrieb womöglich irreversiblen Schaden nimmt, gar die Existenz in Gefahr gerät? Wie lässt sich einem in die Apotheke getragenen „Rosenkrieg“ vorbeugen? Das sind keine hypothetischen Erwägungen, vielmehr ist die Geschichte reich an abschreckenden Beispielen. Dabei ist nicht einmal der Trauschein vonnöten, um „Feuer unter dem Dach“ zu entfachen. Auch der langjähri­ge Lebenspartner, der sich intensiv in die Apotheke eingebracht hat, kann hier ganz kräftig „die Bühne aufmischen“. Bezeichnenderweise sind es gerade Fragen zur Heirat oder zum Kinderwunsch, die plötzlich die Bruch­linien markieren und Fronten auf­brechen lassen. Viele scheuen dann vor klaren Aussagen und ggf. eindeutigen, raschen Schnitten zurück. Doch besser wird es dadurch nicht, die Konflikte schwelen vor sich hin, brechen ständig wieder auf, und in summa eskaliert die Lage immer mehr.

Andererseits sind, wenn es um die reine Tätigkeit geht, ebenfalls ehrliche Fragen zu stellen: Was können die Angehörigen (abseits des Versorgungs- und Sozial­gedankens) unvoreingenommen betrachtet besser als Fremde? Ist „Blut dicker als Wasser“, ist hier also eine stabilere Vertrauensbasis und ein stärkerer Zusammenhalt gegeben (das Herz sagt ja, die reine Erfahrung sagt, dass sich auch und gerade Verwandte übers Ohr hauen und bekämpfen)? Haben Sie ähnliche oder überhaupt nennenswerte Gestaltungsspielräume hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses oder handelt es sich um eine besondere Konstruktion, die Sie, einmal geschlossen, kaum mehr aus freien Stücken verändern können?

Wenn es nicht gerade um die Nachfolge oder lediglich einen kleinen Nebenverdienst der Sprösslinge geht, sollten Sie sich neben den persönlichen Erwägungen auch einer solchen objektivierten Betrachtungsweise unter der Prämisse „Was kaufe ich für welches Geld?“ stellen.

Die Rolle im Betrieb

Tägliche Herausforderungen sind weiterhin die Stellung von Angehörigen und ihre Kompetenzen gegenüber den übrigen Mitarbeitern. Ist die mitarbeitende Ehefrau des Chefs kraft ihrer besonderen Beziehung gleichzeitig die (wenn auch nur unausgesprochene) Chef-Stellvertreterin oder gar die faktische Chefin? Welche Stellung haben Sohn oder Tochter als designierte Nachfolger?

Letzteres lässt sich in praxi ganz gut regeln, wenn nämlich klar ist, dass bis zur offiziellen Übergabe der Altinhaber der Verantwortliche ist und die letztgültigen Entscheidungen trifft. Das ist den Mitarbeitern leicht verständlich zu machen.

Wesentlich diffiziler sind die Ehe-/Lebenspartner, vor allem, wenn hier Machtkämpfe zwischen den Eheleuten bzw. Lebenspartnern in das Unternehmen getragen werden und sich die Partner selbst nicht einig sind (ähnliche Probleme kann es übrigens bei mehreren „offiziellen“ Chefs etwa in einer OHG geben). Welcher Mitarbeiter wagt, der Anordnung der „besseren Hälfte“ zu widersprechen, selbst wenn er weiß, dass es der eigentliche Inhaber vielleicht anders sieht, aber der Partner eben auch eine mächtige Position hat (das kann von der Zuständigkeit z.B. für die kaufmännischen Belange und das Personal bis hin zu heikleren Verquickungen gehen, weil „ihre“ Familie die Immobilien und das Vermögen eingebracht hat, „er“ aber nur der angeheiratete Apotheker ist)?

Da gibt es dann zwei Möglichkeiten: Die Mitarbeiter teilen sich in Lager – mit Sicherheit werden so die Potenziale nicht optimal genutzt. Oder aber sie begegnen dem Ganzen mit zunehmendem Gleichmut, machen Dienst nach Vorschrift und halten es sonst wie die berühmten drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Dass so etwas dem Betrieb nicht guttut, versteht sich von selbst. Ein guter Standort mit einem hohen, „nicht verhinderbaren“ Umsatz sichert dennoch auch solchen Betrieben das Überleben oder gar ein immer noch komfortables Auskommen.

Ist es so weit gekommen, ist guter Rat teuer. Die Vernunftebene versagt meist, vielleicht kann ein Psychologe, ein erfahrener Berater, ein Freund oder eine Partnerberatung etwas ändern. In der Regel bringt jedoch schlicht die Zeit die Lösung: Entweder es „knallt“ oder aber man arrangiert sich auf erträgliche Weise. Bisweilen fährt die Apotheke einfach vor die Wand. So schwierig es also ist, derart verfahrene Situationen aufzulösen, umso vergleichsweise einfach ist es, sich erst gar nicht in eine solche Zwangslage zu begeben. Vorbeugen ist besser als heilen – dieser Satz passt hier exzellent!

Ja oder nein?

Wie gelingt es also, persönliche Probleme oder gar regelrechte Kriegsschauplätze aus dem Betrieb herauszuhalten? Seien Sie ehrlich zu sich selbst und hinterfragen Sie die Beziehung zu den betreffenden Angehörigen.

Stets günstig ist es, wenn Sie bereits auf eine gemeinsame Erfolgsstory zurückblicken können, womöglich mit Bewährungsproben, bei denen die äußeren Rahmenbedingungen nicht nur ideal waren und die Partner gefordert waren, Hand in Hand zu arbeiten. Wer schon einmal gemeinsam etwas aufgebaut, persönliche Krisen gemeistert, die sprichwörtlichen „Pferde gestohlen“ und sich auch in Stress­situationen bewährt hat, bringt gute Voraussetzungen mit. Wer hingegen nur die „Schön­wetterseiten“ kennt, kann rasch an der Realität scheitern. Eine positive Abrundung sind zudem komplementäre, sich ergänzende Fähigkeiten. Unterschiedliche Talente geben in der Summe ein besseres Bild ab als allzu gleich gelagerte Interessen, bei denen dann die Gefahr besteht, dass die Partner eher in Konkurrenz zueinander stehen, als dass sie sich ergänzen.

Erfahrungsgemäß eher schlechte Voraussetzungen sind gegeben, falls bereits Probleme „daheim“ bestehen, die Beziehung womöglich schon kriselt, Druck von einem Partner aufgebaut wird, ihn mit ins Boot zu nehmen, und Misstrauen gegenüber dem Partner mitschwingt und ein hohes Kontrollbedürfnis besteht. Die Chancen, eine schwierige Beziehung zu kitten, indem man Angehörige auch noch im Betrieb an sich kettet, stehen meist nicht allzu gut (ähnlich wie Kinder sich nicht als „Kitt“ für eine Problembeziehung eignen).

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ – diesen Satz kann man ohne Weiteres auf viele Angehörigen-Arbeitsverhältnisse übertragen. Zu bedenken ist ebenfalls, dass man im Betrieb oft mehr aktive Zeit miteinander verbringt als zu Hause.

Fazit

Abseits steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten und mancher Versorgungsaspekte innerhalb der Familie sind Angehörige in der Apotheke ein grundsätzlich nicht ganz einfaches Thema, zumal der klare Blick oft emotional gefärbt und bisweilen getrübt ist. Falsche Entscheidungen können jedoch fatal sein – wirtschaftlich, aber auch was das tägliche Leben und Miteinander angeht. Die Reißleine zu ziehen kommt jedoch nicht selten einer „Generalinventur“ des gesamten Lebens gleich, denn es geht nicht nur um eine Arbeitsbeziehung. Das macht das Ganze nicht leichter.

Somit bleibt festzuhalten, dass Angehörige in der Apotheke stets „Arbeitsverhältnisse be­sonderer Art“ darstellen. Selbst wenn Apotheker ja die Experten für „Waren besonderer Art“ sind: Bevor der Inhaber seine Gestaltungsfähigkeit durch die große Vermengung mit dem Privat­leben weitgehend zu verlieren droht (also in erster Linie bei Ehe- und Lebenspartnern), sollte er ganz besonders hinschauen – so wie das bei „Dingen der be­sonderen Art“ eben selbstverständlich sein sollte.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(13):5-5