Andreas Kinzel
Ausdruck der Firmenphilosophie
Leitbilder beschreiben Grundprinzipien und ein Idealbild eines Unternehmens. Sie tragen im besten Fall zur Unternehmenskultur und damit zu allgemeinen Verhaltensweisen bei, um Unternehmensziele zu verwirklichen. Leitbilder sind der Ausdruck der Firmenphilosophie und sollten von einem Leitmotiv, also einem übergeordneten Ziel getragen werden.
Um Leitbilder zu entwickeln und zu überprüfen, müssen verschiedene Fragen gestellt werden. Zunächst sollte beantwortet werden: Wer sind wir? Neben einer Analyse des aktuellen Zustands steht dabei das Image der Apotheke auf dem Prüfstand. Infrage kommen hierbei Themen des Handelsmarketings (Standort/Kundenstruktur, Preise, Kommunikationspolitik/Werbung, Service, Sortiment, Personal usw.), der Logistik (Sortimentsstruktur, Lieferhäufigkeit, Service) und zu verschiedenen am Unternehmen interessierten Gruppen (Kunden, Personal, Hersteller).
Ausgehend von dieser Analyse kann im zweiten Schritt überlegt werden, was erreicht werden soll, um die Nachhaltigkeit des Apothekenkonzepts zu stärken und sich von den Mitbewerbern zu differenzieren. Entscheidend ist, sich nicht zu viele gut gemeinte Ziele zu setzen, sondern ein paar übergeordnete, die dann als zentrale Stellschrauben näher definiert werden können.
So könnte ein Ziel sein, die Kundenbetreuung in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen, wobei zunächst zu klären ist, wie „der Kunde“ definiert ist, also welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Dabei ist es wichtig, dass die jeweils ausgewählten Ziele auch zu den Angestellten der Apotheke passen. Des Weiteren werden dann die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele ausgearbeitet.
Im dritten Schritt stellt sich die Frage, wie diese Ziele transportiert werden sollen. Hierzu kann eine Matrix aufgestellt werden mit zwei Ebenen:
- Die eine beschreibt die Differenzierung zwischen geschriebenen und bereits aktiv umgesetzten Leitbildern,
- die andere unterscheidet zwischen nach innen (Team) und nach außen (Kunden, Hersteller usw.) gerichteten Leitbildern.
Griffige Sprüche können ein Markenkonzept und damit auch ein gewünschtes Image transportieren. So kann z.B. zum Leitbild „den Kunden in den Mittelpunkt stellen“ ein passender Werbespruch entwickelt werden.
Dabei ist auf eine realistische Umsetzung zu achten, um damit auch langfristig glaubwürdig zu bleiben. Ebenso sollte der Slogan konkret formuliert und hierbei hinterfragt werden, was genau ausgesagt werden soll. So sagt der eingangs erwähnte Spruch „Wir sind immer für den Kunden da“ zwar aus, dass während der Geschäftszeiten (natürlich!) jemand anwesend ist, er sagt aber nichts aus über eine umfassende Betreuung. Ebenso endet das „immer“ üblicherweise mit Ladenschluss. Sicherlich kann in diesen Slogan eine gute Betreuung interpretiert werden. Um Mißverständnissen in Werbeversprechen zu entgehen, sollte ein Slogan jedoch nicht zu viel Raum zur Interpretation bieten. Im Sinne einer glaubwürdigen und konkreten Umsetzung des genannten Leitbildes wäre ein genauer formulierter Leitsatz: „Wir nehmen uns Zeit für unsere Kunden.“
Leitbilder sollten langfristig angelegt sein. Das häufige „Neuerfinden“ der eigenen Apotheke stört den Aufbau eines langfristigen Unternehmensimages und somit auch ein authentisches Apothekenleben. Strebt man z.B. eine möglichst geringe Bestellquote an, muss ein entsprechend großes Lager aufgebaut werden. Wird dies dann zugunsten eines höheren Bestellrhythmus und häufigerer Großhandelslieferungen aufgegeben, verliert der entsprechende Leitsatz und das dazugehörige Image („die haben alles da“) seine Wirkung.
Der Kunde muss langfristig wissen, was ihn erwartet, d.h., wie neben Sortimentsauswahl und Empfehlungen der persönliche Umgang mit ihm gestaltet wird. Dabei sollte das Personal dem Kunden die Identität der Apotheke vermitteln. Wichtig ist, die Mitarbeiter in die Gestaltung der Leitbilder einzubeziehen, damit sie sich auch damit identifizieren können („meine Apotheke“). Das Team sollte hierbei unter Einbindung des Chefs eine Einheit bilden.
Ausgehend vom Erscheinungsbild der Apotheke und ihrem Personal, sollten sich auch die Kunden mit „ihrer Apotheke“ identifizieren können. Wichtig ist, gemeinsame Werte von an der Apotheke interessierten Personen (Inhaber, Kunden, Personal) abzudecken. Vorsicht ist jedoch davor geboten, allen Kundengruppen gerecht werden zu wollen. Beispielsweise ist eine möglichst gute Betreuung mit entsprechendem Zeitaufwand und qualifiziertem Fachpersonal verbunden. Dies ist schwer mit niedrigen Preisen bzw. der Zielgruppe der Schnäppchenjäger zu vereinbaren. Daher bietet es sich an, bestimmte Gruppen gezielt und intensiv anzusprechen, um somit entsprechend einem gelebten Leitbild langfristig einen hohen Stammkundenanteil aufzubauen.
Zur konsequenten Umsetzung der Leitbilder kann man ein Fließdiagramm aufstellen. Dazu wird ein Leitbild herangezogen und anschließend die Frage gestellt, welche untergeordneten Ziele zunächst erreicht werden müssen. Durch diese Vorgehensweise wird zudem die Authentizität des Leitbildes überprüft. Bei „Wir nehmen uns Zeit für unsere Kunden“ ist ein untergeordnetes Ziel, genügend Personal für die Betreuung bereitzustellen. Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob Qualifikation und Motivation überhaupt für eine umfangreiche Betreuung ausreichen.
Leitbilder als Instrument der Mitarbeiterführung
Leitbilder dienen auch zur Mitarbeiterführung. Wenn aus den Leitbildern ein Verhaltenskodex erkennbar ist, ermöglicht das dem Team, sein Verhalten in diesem Sinn zu steuern. So wird nicht nur ein weitgehend einheitliches Auftreten erreicht, sondern auch eine einheitliche Prioritätensetzung. Durch Integration von Vorschriften in Leitbilder werden auch Unsicherheiten im Verhalten minimiert. So kann z.B. bei „Wir nehmen uns Zeit für unsere Kunden“ die Frage geklärt werden, wann sich der Zeitaufwand für eine Beratung nicht mehr lohnt und der Kunde (dezent) an einen anderen Anbieter verwiesen wird. Durch einen „roten Faden“ des Verhaltens in den Leitbildern wird ein konsequentes Verhalten aller im Team erreicht.
Zusammenfassend ist wichtig zu beachten, dass sich Leitbilder immer nach den Interessengruppen der Apotheke richten, nicht umgekehrt. Leitbilder, die nicht authentisch umsetzbar sind, wirken unglaubwürdig und senden unerfüllbare Versprechen aus. Leitbilder sollen helfen, die eigene Apotheke weiterzuentwickeln und im Sinne von Zielvorgaben einen entsprechenden Prozess zu steuern. Durch das Verhalten gemäß den Leitbildern entsteht eine Unternehmenskultur, die gepflegt werden muss. Sie hilft auch, Angestellte zu führen, indem Verhaltensmuster festgelegt sind und vorgelebt werden können.
Umsatz und Gewinn werden durch ein deutliches Apothekenprofil und eine authentische Unternehmenskultur langfristig gesteigert, indem Zielgruppen eindeutig angesprochen werden. Werden die Erwartungen der Kunden dann auch erfüllt, fühlen diese sich ernst genommen und sind offen für Kaufempfehlungen. Eine Differenzierung zu den Mitbewerbern ist dabei von großer Bedeutung. Durch Leitbilder und durch ein Leitmotiv kann die Compliance im Sinne der Unternehmensziele erhöht werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(16):9-9