Prof. Dr. Reinhard Herzog
Zinswende hat begonnen
Die Kernfrage gilt jetzt der weiteren Entwicklung. Blickt man auf den langfristigen Zinschart, wird schnell klar, dass die Phase niedriger Zinsen zunächst einmal abgeschlossen sein dürfte. Im Vergleich mit früheren Situationen ist momentan nochmals mit einem zumindest leichten weiteren Anstieg zu rechnen, der dann ggf. in eine mehrmonatige Phase der Seitwärtsentwicklung münden könnte. Mittel- bis längerfristig sind deutlich höhere Zinsen nach den Regeln der Charttechnik durchaus wahrscheinlich.
Zu recht ähnlichen Ergebnissen kommt auch die fundamentale Betrachtungsweise: Die Bekanntgabe der FED muss als erstes Signal gesehen werden, dass sich staatliche Institutionen zunehmend von den Märkten zurückziehen wollen. Dies funktioniert aber nur, wenn auch die Wirtschaft stabil genug ist, aus eigener Kraft zu wachsen. Nachdem jedoch vor allem in Europa, aber auch in den USA und nicht zuletzt in China erste positive Tendenzen erkennbar sind, erscheinen entsprechende Schritte durchaus denkbar. Die Zeiten extrem niedriger Zinsen dürften also zumindest vorerst vorbei sein.
Für Anleger ergeben sich daraus wichtige Konsequenzen: Ein Zinssatz von knapp 2,0% für eine zehnjährige Bundesanleihe mag angesichts der Tagesgeldrenditen von oftmals nur 0,1% zwar verlockend sein, jedoch sind entsprechende Papiere kein Kauf. Denn schließlich würde schon ein Renditeanstieg von nur einem Prozentpunkt einen Kursrückgang um rund 8% zur Folge haben. Bereits heute notiert die im Mai ausgegebene zehnjährige Bundesanleihe mit 1,5% Nominalzins bei nur noch rund 96%.
Als Alternative gilt es weiterhin, nach möglicherweise interessanten Papieren etwa im Bereich der Unternehmensanleihen zu suchen. Hier lassen sich auch bei hohen Sicherheitsansprüchen nach wie vor Renditen von mehr als 2,0% im fünfjährigen Bereich realisieren. Längere Laufzeiten sollten wegen der gerade jetzt erhöhten Kursrisiken weitgehend gemieden werden, allenfalls im Zuge einer Beimischung zu einem größeren Portefeuille erscheinen Investments in geringem Umfang überlegenswert. Wirklich interessant werden längerfristige Engagements jedoch erst dann wieder, wenn im Sicherheitsbereich mindestens 2,5% bis 3,5% auf maximal zehn Jahre erzielbar sind, bei zweitklassigen Titeln sollte dann zumindest eine Vier vor dem Komma des Renditesatzes stehen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(18):14-14