Helmut Lehr
Benachteiligung verheirateter Kinder
Trotz der gesetzlichen Änderung zum 1. Januar 2012 vertritt die Finanzverwaltung weiterhin die Auffassung, dass für verheiratete Kinder (sowie Kinder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und Kinder mit vorrangigem Unterhaltsanspruch nach §1615l BGB) nur dann ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn ein sog. Mangelfall vorliegt2).
Dies hat folgenden Hintergrund: Heiratet ein volljähriges Kind, wechselt die vorrangige Unterhaltsverpflichtung auf den Ehegatten. Der Familienleistungsausgleich für das Kind soll nach Ansicht der Finanzverwaltung in diesen Fällen nur in Betracht kommen, wenn durch den Berechtigten (Eltern des volljährigen verheirateten Kindes) nachgewiesen wird, dass der eigentlich vorrangig Unterhaltsverpflichtete aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage ist, seiner Verpflichtung zur Sicherung des Kindesunterhalts nachzukommen (Mangelfall!).
Hinweis: Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung bedeutet, dass der Kindergeldanspruch für Kinder in Berufsausbildung (wozu z.B. auch ein Studium gehört) quasi automatisch endet, wenn diese heiraten und der Ehepartner ausreichend finanzkräftig ist.
Verwaltungsauffassung rechtswidrig?!
Das Finanzgericht Köln hält dies für rechtswidrig und hat den Eltern eines verheirateten Kindes für die Zeit nach 2011 Kindergeld zugesprochen3). Die Begründung ist einleuchtend: Die früher von der Rechtsprechung geforderte „typische Unterhaltssituation“ zwischen Eltern und Kind müsse seit der gesetzlichen Änderung zum 1. Januar 2012 nicht mehr vorliegen, da die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes überhaupt keine Rolle mehr spiele.
Da im Ergebnis selbst „reiche Kinder“ in Berufsausbildung begünstigt sind, darf auch das zusätzliche „Leistungsvermögen“ (Unterhaltspflicht) eines Ehegatten zu keinem anderen Ergebnis führen.
Hinweis: Das Finanzgericht wies zudem klar darauf hin, dass das Gesetz in seiner aktuellen Fassung keinerlei Einschränkungen für verheiratete Kinder vorsieht. Hätte der Gesetzgeber den Kindergeldanspruch für verheiratete Kinder grundsätzlich ausschließen wollen, hätte er einen entsprechenden (Ausschluss-) Tatbestand einführen müssen, so das Finanzgericht.
Ablehnungen anfechten
Die Entscheidung hat natürlich grundsätzliche Bedeutung, daher wurde die Revision beim Bundesfinanzhof vom Finanzgericht ausdrücklich zugelassen. Betroffene Eltern sollten in vergleichbaren Fällen ablehnende Bescheide nicht akzeptieren und auf die aktuelle Rechtsprechung des Finanzgerichts Köln verweisen.
Hinweis: Ob das verheiratete Kind bei mangelnder Unterhaltspflicht der Eltern das Kindergeld auch direkt an sich selbst auszahlen lassen könnte, ist derzeit noch nicht vollends geklärt.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(18):17-17