Prof. Dr. Reinhard Herzog
Überdurchschnittliche Gewinne
Seit 2009 hat sich die Lage allerdings wieder deutlich stabilisiert und Investoren konnten – zumindest bis zum Frühjahr 2013 – mit Papieren aus den BRIC-Staaten oft wieder erhebliche Gewinne erzielen. Dies gilt gleichermaßen für die Börsen in den „Next Eleven“ (N-11), die von Goldman Sachs quasi als „Nachfolger“ der BRIC-Staaten tituliert worden waren und zu denen u.a. Ägypten, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Pakistan, die Philippinen, die Türkei und Vietnam zählen. Hier kletterten die Kurse in den vergangenen Jahren nicht selten um mehrere Hundert Prozent, wobei deutsche Anleger wegen der Zugangsbeschränkungen zu den jeweiligen Märkten in erster Linie auf Fonds und vergleichbare Produkte angewiesen sind.
Während jedoch Banken und Sparkassen immer noch entsprechende Investments empfehlen, macht sich in vielen dieser Länder zunehmende Ernüchterung breit. So ist das Wachstum in allen vier BRIC-Staaten deutlich ins Stocken geraten, Brasilien wird zudem von politischen Unsicherheiten beherrscht. In verstärktem Maße gilt dies für die N-11-Staaten, die unter dem Aufstand der Bevölkerung (Türkei, Ägypten) leiden oder durch politische Risiken (Pakistan, Südkorea) und schlichtweg enttäuschte Erwartungen (Indonesien, Vietnam) für negative Schlagzeilen sorgen. Die in den vergangenen Monaten eingetretenen Kursverluste – allein der Bovespa gab von rund 63.000 auf zeitweise nur noch rund 45.000 Punkte nach – werden jedoch in den Medien und von den Anbietern meist nur als temporäre Reaktion auf die Kursgewinne abgetan.
China beginnt zu schwächeln
Dennoch warnen Experten, dass die Krise erst begonnen haben könnte. Insbesondere eine weitere Abschwächung der Konjunktur der „Wachstumslokomotive“ China könnte nicht nur an der dortigen, zeitweise von Euphorie geprägten Börse für heftige Verluste führen, sondern auch die anderen Emerging Markets massiv unter Druck setzen. Das Problem: Die Börsen verfügen oftmals nur über eine geringe Marktkapitalisierung. Kommt es aus westlichen Ländern zu größeren Verkäufen, wird schnell ein Dominoeffekt in Gang gesetzt, der die Kurse – analog zum Finanzkrisenjahr 2008 – unter Druck bringt. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Aktien, sondern auch für Anleihen aus diesen Regionen, die vielfach durch einen extrem engen Markt gekennzeichnet sind.
Gut beraten sind Anleger daher, nicht den bunten Werbeprospekten der Finanzwirtschaft zu vertrauen, sondern vorerst eher zurückhaltend zu agieren. Mittelfristig haben Länder wie China oder auch z.B. Mexiko und Vietnam zwar durchaus gute Chancen auf hohe Wachstumsraten und entsprechende Kursgewinne, kurzfristig kann es jedoch sinnvoll sein, diese Märkte zu meiden und bereits erzielte Gewinne erst einmal zu realisieren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(19):12-12