Helmut Lehr
Neuer Katalog
Mit Schreiben vom 29. August 20132) hat das Bundesfinanzministerium den „Katalog“ der automatisierten Vorläufigkeitsvermerke neu gefasst. Danach werden Steuerfestsetzungen künftig wegen folgender Thematiken (automatisch) für vorläufig erklärt:
- Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben.
- Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2011.
- Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009 sowie ab 2010 für sogenannte sonstige Vorsorgeaufwendungen.
- Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften für Veranlagungszeiträume ab 2005.
- Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten (im Sinne des §22 Nummer 1 Satz 3 Buchsta‑be a Doppelbuchstabe aa Einkommensteuergesetz) für Veranlagungszeiträume ab 2005.
- Höhe der „Kinderfreibeträge“.
- Höhe des Grundfreibetrags.
Hinweis: Zusätzlich werden nun alle Einkommensteuerbescheide wegen des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung für vorläufig erklärt.
Zumutbare Belastung
Wegen des neuen Vorläufigkeitsvermerks brauchen Steuerpflichtige nun nicht mehr gesondert Einspruch einzulegen, weil der Teil der Krankheitskosten, der der Höhe der zumutbaren Belastungsgrenze entspricht, nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung anerkannt wird3). Allerdings gilt die automatisierte Vorläufigkeit ausdrücklich nur für Aufwendungen für Krankheit und Pflege und nicht etwa generell für alle Arten von außergewöhnlichen Belastungen.
Hinweis: Steuerpflichtige mit anderen außergewöhnlichen Belastungen (z.B. Prozesskosten4)) müssen/sollten weiterhin Einspruch einlegen, weil die Nichtberücksichtigung der Kosten bis zur zumutbaren Belastungsgrenze durchaus auch in solchen Fällen verfassungswidrig sein könnte.
Kinderbetreuungskosten
Die Vorschriften zur Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten wurden in den letzten Jahren mehrfach geändert5). Allerdings gilt nach wie vor die Beschränkung, dass die Aufwendungen nur zu zwei Dritteln, maximal 4.000€ pro Kind begünstigt sind.
Derzeit umfasst der automatisierte Vorläufigkeitsvermerk nur die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2011, da zu der Neuregelung ab 2012 offenbar noch keine „Musterverfahren“ anhängig sind, die die Finanzverwaltung entsprechend „unter Druck“ setzen.
Hinweis: Steuerpflichtige könnten vorsorglich auch gegen die Einkommensteuerbescheide ab 2012 Einspruch einlegen, sofern ihnen nennenswerte Kinderbetreuungskosten entstanden sind. Zwar hält der Bundesfinanzhof die Abzugsbeschränkungen für verfassungsgemäß, allerdings wurde mittlerweile Verfassungsbeschwerde6) erhoben – wenn auch „nur“ zur alten Rechtslage.
Solidaritätszuschlag wieder umstritten
Die Festsetzungen des Solidaritätszuschlags werden aktuell nicht vorläufig vorgenommen, weil das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Verfassungsbeschwerde im Jahr 2010 für unzulässig erklärt hatte. Nun hat das Niedersächsische Finanzgericht erneut einen Vorstoß unternommen und das gleiche Verfahren wieder den Karlsruher Richtern zur Entscheidung vorgelegt7).
Die erneute Vorlage stützt sich auf neue rechtliche Erwägungen, da aufgrund verschiedener Anrechnungsvorschriften bei der Festsetzung der Einkommensteuer (z.B. bei ausländischen Einkünften, aber auch bei Anrechnung der Gewerbesteuer) der Solidaritätszuschlag bei gleich gelagerten Sachverhalten in unterschiedlicher Höhe angerechnet wird.
Hinweis: Es ist zu vermuten, dass die Finanzverwaltung die Einkommensteuerbescheide im Hinblick auf die Festsetzung des Solidaritätszuschlags in absehbarer Zeit wieder automatisiert für vorläufig erklären wird. Bis es so weit ist, müssen Steuerpflichtige selbst Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(19):18-18