Prof. Dr. Reinhard Herzog
Zinsfestschreibung über 30 Jahre
Unter dem Begriff „Konstantfinanzierung“ bieten Bausparkassen jetzt ein vergleichsweise neues Vertragsmodell an, das bisher zwar möglich, aber nur wenig gebräuchlich war. Der Grundgedanke: Ein Darlehen, dessen Zins- und Tilgungsraten über die gesamte Laufzeit von bis zu 30 Jahren konstant bleiben – was Banken und Sparkassen in der Regel nicht offerieren. Pragmatisch wie psychologisch haben die Bausparkassen damit leichtes Spiel: Immobilienkäufer, die wegen der hohen Darlehenssummen ohnehin meist verunsichert sind, erhalten ein hohes Maß an Kalkulierbarkeit, sie müssen weder Kapitalmarktturbulenzen noch Zinsschwankungen fürchten. Stattdessen profitieren sie von der schleichenden Geldentwertung.
Die Konstruktion der Konstantfinanzierung ist vergleichsweise einfach: Zunächst schließt der Immobilienkäufer einen Bausparvertrag in Höhe des 1,3- bis 1,5-fachen seines Kreditbedarfs ab. Benötigt er also 200.000€, lautet der Bausparvertrag also z.B. über 300.000€. Gleichzeitig nimmt er bei der Bausparkasse ein Vorausdarlehen von ebenfalls 300.000€ auf, von dem er 200.000€ für den Objektkauf verwendet und 100.000€ unmittelbar als Soforteinzahlung auf den Bausparvertrag überträgt. Alternativ wird auch mit einer Ansparung des Bausparvertrags gearbeitet, sodass die Summen niedriger ausfallen können. Der weitere Finanzierungsverlauf besteht nun aus zwei Teilen:
- Bis zur Zuteilung des Bausparvertrags nach fünf bis acht Jahren zahlt der Bausparer einerseits die Zinsen für das Vorausdarlehen, andererseits eine – meist eher geringe – Sparrate auf den Bausparvertrag.
- Mit Zuteilung des Bausparvertrags – einige Anbieter sehen auch den Abschluss von drei oder mehr hintereinander geschalteten Verträgen vor – wird das Vorausdarlehen in einer Summe getilgt. Ab diesem Zeitpunkt zahlt der Kunde bis zur vollständigen Entschuldung die festgelegte Monatsrate, die sich aus Zinsen und Tilgungsleistungen zusammensetzt.
Beide Komponenten werden von der Bausparkasse so aufeinander abgestimmt, dass die monatlichen Leistungen stets konstant bleiben, sodass der Immobilienkäufer auf Euro und Cent genau weiß, welche Beträge er bis zur vollständigen Entschuldung aufwenden muss. Zudem besteht bei den meisten Bausparkassen die Möglichkeit, jederzeit Sonderzahlungen auf das Bausparkonto leisten und damit die Restlaufzeit der Finanzierung abkürzen zu können.
Allerdings haben auch Konstantdarlehen einige durchaus gravierende Nachteile. Dies beginnt bei der von den Bausparkassen suggerierten Kalkulierbarkeit. Tatsache ist zwar, dass Zinsen und monatliche Raten über die gesamte Laufzeit festgeschrieben sind. Niemand garantiert jedoch, dass der Bausparvertrag tatsächlich zum vorgesehenen Zeitpunkt zuteilungsreif ist. Verzögert sich die Zuteilung, z.B. weil das Neugeschäft der Bausparkasse rückläufig war, so verlängert sich die Finanzierung der Immobilie möglicherweise spürbar.
Zinsnachteil wird oft vergessen
Ein weiteres Problem sind die mit der Finanzierung verbundenen Kosten: Zwar bemühen sich einige Anbieter derzeit mit besonders attraktiven Offerten um neue Kunden. Im Durchschnitt ist ein Konstantdarlehen jedoch rund 0,3 bis 1,0 Prozentpunkte teurer als ein Darlehen mit 10-jähriger Zinsfestschreibung. Da jedoch die Schulden gerade in den ersten Laufzeitjahren am höchsten sind, wirkt sich dieser Zinsnachteil bedeutend auf die Gesamtkosten aus.
Im Übrigen nehmen es die meisten Kassen mit der Angabe der Konditionen nicht so genau: Genannt werden nur die Zinssätze für die Vorfinanzierung und das Bauspardarlehen, sodass es durchaus naheliegt, den Effektivzins für die Gesamtfinanzierung in dieser Spanne zu vermuten. Tatsache ist aber, dass das Sparguthaben bis zur Zuteilung in der Regel nur mit – zudem steuerpflichtigen – Magersätzen verzinst wird, während die Refinanzierung meist mehr als 3,5% kostet. Dieser Zinsnachteil erhöht jedoch den Effektivzins der Gesamtfinanzierung je nach Modell um bis zu 1,2 Prozentpunkte.
Genau hinschauen sollten Finanzierungswillige auch, wenn es um die Summe der Rückzahlungsraten geht, die gerne als Werbeargument genommen wird. Für eine 200.000-€-Finanzierung können durchaus 250.000€ anfallen, aber auch mit 350.000€ kann die Finanzierung konkurrenzfähig sein. Entscheidend ist allein die Laufzeit: Je höher die Raten, umso kürzer die Laufzeit und umso niedriger sind damit die Gesamtkosten. Vergleichen lassen sich jedoch nur Angebote mit gleicher Laufzeit, alles andere ist Augenwischerei.
Schließlich kann auch die vorzeitige Tilgung zum Problem werden. In der Regel akzeptieren Bausparkassen zwar jederzeit Sonderzahlungen auf den Bausparvertrag – unabhängig vom aktuellen Status der Finanzierung. Kleinere Erbschaften und andere Beträge können daher jederzeit zur Sondertilgung eingesetzt werden, um so die Gesamtfinanzierungsdauer zu verkürzen. Hingegen gelten bei den meisten Anbietern beim Vorfinanzierungsdarlehen strengere Regeln: Die vorzeitige Tilgung wird von manchen Bausparkassen von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abhängig gemacht, andere akzeptieren Sonderzahlungen generell erst nach Zuteilung des Bausparvertrags. Muss also die Immobilie z.B. infolge einer Scheidung vorzeitig verkauft und damit entschuldet werden, kann sich die Bausparfinanzierung als Fehlkalkulation erweisen.
Vor dem Abschluss eines entsprechenden Vertrags sollte man also zunächst die persönlichen Zielvorstellungen prüfen. Sicher erscheint es auf den ersten Blick interessant, die Monatsbelastung über den gesamten Finanzierungszeitraum beibehalten zu können. Andererseits müssen hierfür auch mehrere Nachteile – etwa im Fall einer vorzeitigen Tilgung – in Kauf genommen werden, zudem sind die Konditionen meist schlechter als bei einer herkömmlichen Bank- oder Sparkassenfinanzierung. Weiterhin sollte man die Vertragsbedingungen sehr genau vergleichen und hier besonders darauf achten, dass alle Kostenkomponenten in den Vergleich einbezogen werden und auch die Rahmenbedingungen – also insbesondere die Tilgungsrate und die Gesamtlaufzeit – identisch sind.
In vielen Fällen wird jedoch ein herkömmliches Darlehen mit 10 bzw. 15 Jahren Zinsfestschreibungsdauer ausreichen, um die Belastung in überschaubarem Rahmen zu halten. Wenn man sich dennoch für das Konstantdarlehen entscheidet, sollte man über die Zahlung höherer Raten nachdenken. Schon 100€ Zuzahlung pro Monat verkürzen die Finanzierungsdauer um bis zu fünf Jahre.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(19):13-13