Ute Jürgens
Auch wenn die viel zitierte „Servicewüste“ in Deutschlands Apotheken kaum anzutreffen sein wird, gibt es immer noch viele Ideen und Möglichkeiten, das Serviceangebot zu verbessern. Dabei sollte der Blick auf das gut Machbare gerichtet sein, damit wir nicht schon vor der Oase erschöpft zusammenbrechen. Je nach Apothekengröße, Umfeld und Teamzusammensetzung stellt man ein gut passendes Angebot auf. Das muss nicht die Leitung alleine leisten, vielmehr sollten auch die Mitarbeiter Ideen und Wünsche äußern; zudem finden sich wertvolle Anregungen unter www.abda.de, Stichwort LeiKa.
Womit wollen Sie punkten?
Starten kann man mit einem besseren System für kostenlose Zugaben in Form von Informationen. Mittlerweile bieten einige Hersteller Gymnastik-DVDs zu Themen wie Blasenstärkung, Entspannung, Osteoporose etc. an. Spricht man die jeweiligen Kunden darauf an, reagieren sie überrascht und beeindruckt. Unerwartete Geschenke lösen meist mehr Beachtung und Freude aus als Erwartetes und Gewohntes. Das Gleiche gilt natürlich für Broschüren. Fragen Sie regelmäßig die Außendienstmitarbeiter oder bestellen Sie auf den Internetseiten der Pharmafirmen.
Wer im Team kann was übernehmen? Wer hat welche Begabungen und Interessen, auch jenseits des pharmazeutischen Sektors, die für manche Kunden nützlich sind? Wer ist kommunikativ, wer kann gut mit gehandicapten Menschen umgehen?
So finden sich bei Themen wie Diabetes, Allergie und Ernährung womöglich Angestellte, die eigene Erfahrungen haben. Sie können betroffene Kunden nicht nur besonders gut beraten, sondern diese vielleicht auch zu einem Informationsaustausch an einem bestimmten Termin einladen – am besten verbunden mit einem Vortrag von einem Experten und einer anschließenden Diskussion.
Haben Sie – oder ein Mitarbeiter – Spaß am Internet? Richten Sie eine Art Blog oder einen Fragenservice ein, bei dem Interessierte sich über die bei Ihnen gekauften Medikamente erkundigen können. Einmal täglich sollten diese Seiten bearbeitet werden. Zuverlässigkeit ist Trumpf! Ihr Vorteil: Sie müssen nicht ans Telefon, sondern richten sich das Beantworten dann ein, wenn es Ihnen passt. Sie brauchen nicht aus dem Stegreif agieren, sondern können eventuell Fachbücher zu Rate ziehen. Und falls Ihnen das Schreiben und Formulieren einmal zu aufwendig ist, geben Sie die Antwort einfachtelefonisch.
Auch beim Thema Selbsthilfegruppen kann die Apotheke punkten. Wer hier nur minimalen Aufwand treiben möchte, rät Betroffenen, auf www.nakos.de oder auf regionalen Websites (via Google auffindbar) im Internet nachzusehen. Wer bereit ist, etwas mehr Aufwand zu treiben, sammelt im Betrieb Adressen von Ansprechpartnern aus der Gegend, steht mit diesen auch ab und zu in Kontakt und tauscht Neuigkeiten aus.
Selbsthilfegruppe gründen
Wenn Sie sich bei einem Thema besonders stark engagieren wollen, weil Ihre Apotheke hier einen Schwerpunkt hat und ein entsprechendes Angebot vor Ort fehlt, können Sie selbst eine Gruppe gründen. Diese sollten Sie auf jeden Fall so lange leiten, bis die „Clique“ als solche steht und eines der Mitglieder übernehmen kann. Wenn Sie das Moderieren nicht gewohnt sind, sollten Sie sich darauf durch Literatur oder Seminare vorbereiten. Aber halten Sie sich dennoch so weit zurück, dass die Betroffenen nach einigen Monaten unabhängig von Ihnen agieren können.
Es macht einen Unterschied, ob irgendwo Informationen herumliegen oder eine Apothekenmitarbeiterin einen Patienten auf sein Thema anspricht. Ein gern angenommener „Miniservice“ besteht daher in Hinweisen auf Vorträge und Seminare der örtlichen Veranstalter. Mit unserem geschulten Blick nehmen wir oft automatisch auf, was anderen beim Lesen entgeht, und können z.B. gezielt auf Gesundheitskurse aufmerksam machen. Wenn’s ein bisschen mehr sein soll, fragen Sie in der Volkshochschule nach Handzetteln zum Auslegen oder Einlegen in Ihre Kundenzeitschriften.
Dabei sollte man nicht missionieren, die Energie kann man für anderes sparen. Entweder ein Kunde horcht direkt auf und fragt von sich aus nach oder es gibt gerade keinen fruchtbaren Boden für unsere Anregung.
Auch in der Reisezeit können Sie sich mit wenig Aufwand profilieren. Da manche Länder von Selbstverbrauchern ärztliche Bescheinigungen fordern, die die tatsächlich notwendige Einnahme von Arzneimitteln bestätigen, können Sie ggf. Ihre Kunden entweder darauf hinweisen oder bei Bedarf selbst im Internet nachschauen. Mit etwas mehr Aufwand können Sie, beispielsweise wenn Sie sowieso die Reiseapotheke zusammenstellen, in ein selbst erstelltes Formular die Medikation des Kunden eintragen, sodass dieses nur noch von seinem Arzt unterschrieben werden muss.
Wie viel wollen Sie leisten?
Bei all diesen Serviceleistungen dürfen zwei Dinge nicht passieren: Der personelle und finanzielle Rahmen soll auf keinen Fall gesprengt werden und Sie und Ihr Team dürfen sich nicht überfordert fühlen. Wenn Projekte ausufern und besser angenommen werden als gedacht, kann man auch irgendwann den Service zu einem Entgelt anbieten, ihn delegieren oder einstellen. Letztlich geht es oft hauptsächlich darum, die Kunden zur Selbsthilfe zu aktivieren; in diesen Fällen ist ein Zuviel unsererseits kontraproduktiv, weil das Gegenüber nur noch bequem das entgegennimmt, was wir liefern, anstatt selbst etwas zu tun.
Bewusst werden hier keine Beispiele mit hohen Investitionskosten genannt; sicher existieren viele Serviceideen, die finanziell aufwendig sind und auch Geld einbringen. Hinweise zur Aufwandsermittlung finden Sie bei dem eingangs erwähnten LeiKa der ABDA, hier können Sie nüchtern kalkulieren und/oder sich Anregungen holen zum Thema bezahlter Service.
Von der Planung zur Umsetzung
Anfänge verzögern sich gerne auch wegen Unsicherheiten. Der Autor German Quernheim empfiehlt gegen „Aufschieberitis“, den Sinn der Aufgabe zu hinterfragen, sich die Angst vor dem Misslingen bewusst zu machen, sich besser und genauer vorzubereiten sowie mit dem Teil der Aufgabe anzufangen, der am leichtesten ist und am ehesten Begeisterung auslöst. Setzen Sie einen Starttermin!
Wie planen Sie? Wenn Sie das Team fragen, kommen ein paar Ideen. In meinen Moderationen merke ich immer wieder, wie wichtig die Methodik ist: Egal, in welcher Apotheke ich bin, das Wissen und die Ideen sind meist da, allerdings verschlossen und nicht einfach durch Nachdenken zugänglich. Mein Tipp: Lassen Sie Brainstorming zu, fördern Sie das Sprudeln, ohne gleich am Anfang zu selektieren und zu bewerten.
Eine andere, besonders bei Heilberuflern verbreitete Bremse ist Perfektionismus. Die Coachin Bettina Stackelberg verdeutlicht, was auch immer wieder betroffene Kollegen in meinen Seminaren äußern: Perfektionismus verlangsamt alles, ist anstrengend, schränkt ein, macht unflexibel und schwächt. Auch hier macht die Dosis das Gift: Lassen Sie Ihre hohen Ansprüche los, oft ist weniger mehr. Starten Sie beherzt und seien Sie offen für Verbesserungen – beim Ausprobieren werden Sie sicher noch einige gute Ideen haben.
Buch-Tipps
German Quernheim: Und jetzt Sie! Selbst- und Zeitmanagement in Gesundheitsberufen. Springer Verlag. 2010. 9,95 €
Bettina Stackelberg: Gut reicht völlig. Selbstbewusste Wege aus der Perfektionsfalle. Beck Juristischer Verlag. 2013. 6,90 €
zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(19):9-9