Apothekenbetriebswirtschaft

Drei Fragen an Prof. Dr. Ralf Ziegenbein


Dr. Christine Ahlheim

Prof. Dr. Ralf Ziegenbein ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Operations & Process Management, am Institut für Technische Betriebswirtschaft (ITB) der Fachhochschule Münster.

Ziegenbein: Die Entwicklung des Apothekenmarktes hängt maßgeb­lich von der Ausgestaltung des zukünftigen ordnungspolitischen Rahmens ab. Dieser wird von der neuen Regierung geprägt. Es lassen sich aber Szenarien ausmalen, die eintreten könnten. Bleibt alles wie heute, dann erscheint es mir wahrscheinlich, dass die Zahl der Apotheken bis 2020 weiter moderat mit ähnlichen Veränderungsraten wie in den vergangenen zwei Jahren sinkt. Gleichzeitig wird der Anteil der Filialgründungen weiter zu­neh­men. Die öffentlichen Apotheken werden sich weiterhin als Generalisten verstehen, wobei die größeren den Mut haben werden, sich in bestimmten Bereichen zu spezialisieren, dies aber nur ergänzend.

Sollte aber beispielsweise das Fremd- und Mehrbesitzverbot doch noch aufgehoben werden, dann werden wir zunächst für zwei oder drei Jahre einen Anstieg der Apothekenzahlen erwarten können, bevor sie auf ein deutlich niedrigeres Niveau fallen werden. Apothekenketten würden überregionale Marken einführen und von deren Wahrnehmung bei der Bevölkerung sowie von Mengeneffekten profitieren. Die unabhängige Offizin wird sich Nischen suchen müssen durch Spezialisierungen, durch eine regionale Markenpositionierung oder durch andere Merkmale einer Alleinstellung.

AWA: Mit welchen Maßnahmen und zusätzlichen Angeboten können die öffentlichen Apotheken ihre wirtschaftliche Existenz langfristig sichern?

Ziegenbein: Das kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von jeder einzelnen Apotheke und ihrer Situation ab. Die Branche ist so atomistisch wie kaum eine andere. Insofern ist es zwingend erforderlich, seinen eigenen individuellen Markt zu verstehen. Es ist wichtig zu erkennen, wie sich die Zielgruppen bei einem Kauf von Medikamenten entscheiden, wie ihre Laufwege und ihre Kaufmotivation beeinflusst werden können. Selbstverständlich müssen Absatzhelfer identifiziert und an die Apotheke gebunden werden, z. B. Ärzte und Pflegeheime. Aber auch große Unternehmen am Ort sind wichtige Partner, die eine Versorgung der Mitarbeiter im Betrieb unterstützen.

Leider muss man feststellen, dass viele Apothekerinnen und Apotheker ihren Markt noch nicht wirklich kennen. Eine systematische Betrachtung erfolgt meist nicht. Daher bleiben zu oft die gewählten Maßnahmen wenig abgestimmt aufeinander und damit häufig auch wirkungslos. Auch das in der Regel umfangreiche Datenmaterial aus den Kassen- bzw. Warenwirtschaftssystemen oder von den Steuerberatern wird nicht in dem Maße genutzt, wie es genutzt werden könnte.

In den meisten anderen Branchen haben sich Konzepte der „Business Intelligence“ oder „Market Intelligence“ längst durchgesetzt. Unternehmens- bzw. Marktdaten werden kontinuierlich systematisch erfasst, verdichtet und aufbereitet präsentiert, in Echtzeit. Häufig sind entsprechende Systeme auch noch mit der Möglichkeit versehen, Prognosen über die zukünftige Entwicklung abzugeben. Im Apothekenmarkt steht man hier ganz am Anfang. Ich sehe ein enormes Potenzial für die öffentlichen Apotheken. Sollten sich tatsächlich irgendwann Apothekenketten etablieren können, dann kann man davon ausgehen, dass sie genau solche Methoden einsetzen werden, um die regionalen Märkte dauerhaft besser zu verstehen und zu beeinflussen. Das lässt sich aufgrund der Größe dann auch mit betriebswirtschaftlichen Spezialisten machen. Daher empfehle ich, dass sich die Apothekerin bzw. der Apotheker rasch zu einer heil­beruflichen Kauffrau bzw. einem heilberuflichen Kaufmann entwickelt, um schon heute mit solchen modernen Ansätzen der Unternehmensführung dem Wett­bewerb besser begegnen zu können.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(23):3-3