Zusatzverkäufe

Bedürfnisse wecken und befriedigen


Andreas Kinzel

Der klassische Verkauf in der Apotheke bietet Lösungen zu Problemen. Umsatz, Gewinn und Kundenzufriedenheit werden nachhaltig gesteigert, wenn der Kunde sich zusätzlicher Bedürfnisse bewusst wird. Die Apotheke kann dem Kunden dabei individuelle Hilfestellungen geben.

Bei hochpreisigen Artikeln kaum Impulskäufe

Der Nachteil an der Methode der (HV-)Aufsteller ist, dass es sich um sogenannte Mitnahmeartikel handeln muss, die viele Kunden ansprechen und einen angemessen niedrigen Preis haben. So kommt z.B. eine Vitaminaufbaukur für einen ganzen Monat mit entsprechend hohem Preis als Impulskauf eher nicht infrage.

Sicherlich können beim Kunden durch HV-Aufsteller sowie Sicht- und Freiwahl unentdeckte Bedürfnisse geweckt werden. Erfolg versprechender ist jedoch das persönliche Gespräch: Wird das Zusatzbedürfnis individualisiert, wirkt sich dies positiv auf den Verkaufserfolg und damit auf Umsatz und Gewinn aus. Hier hat die Apotheke vielen Einzelhändlern voraus, dass (fast) immer ein persönliches Verkaufsgespräch geführt wird.

Grundsätzlich gliedert sich der Verkauf in Apotheken klassisch in vier Phasen. Am Anfang steht ein Kundenwunsch. Dieser kann ein bestimmtes Produkt, aber auch ein zu lösendes Problem sein. Danach beginnt das Beratungsgespräch mit entsprechender Bedarfsanalyse. Sicherlich kommen Kunden oft mit einem konkreten Produktwunsch in die Apotheke. Über die Indika­tion kann der Apotheker hier die Bedürfnisse des Kunden er- und hinterfragen, sodass sie beim Übergang zum Verkaufs­gespräch bekannt sind. Dieser Übergang ist meist fließend. Dabei werden auf Basis der Bedarfsanalyse Lösungen entwickelt und dem Kunden präsentiert. Dieser bewertet sie nach den unterschiedlichsten Kriterien (z.B. Marke, Preis, Erfahrungen) und entscheidet sich dafür oder dagegen. Bei erfolgreichem Verkaufsabschluss werden noch­mals Beratungshinweise (z.B. Einnahmeempfehlung) gegeben. Wichtig für einen gelungenen Verkauf und auch die Beratungsqualität der Apotheke ist, diesen Ablauf einzuhalten. Wird dem Kundenwunsch ohne eine Nachfrage Folge geleistet, ist der Verkauf abgeschlossen und die Möglichkeit für einen Zusatzverkauf wurde vertan.

Am besten ist allerdings, wenn man den Kunden bei seinen Bedürfnissen schon früher „abholen“ kann, d.h., bevor er sein Problem erkannt und identifiziert hat. Dann lassen sich geschickt Zusatzverkäufe generieren, ohne den Verdacht zu erwecken, dass dem Kunden etwas aufgedrängt werden soll.

Bei der Problemfindung helfen

Anstatt Lösungen zu vorgege­benen Problemen zu verkaufen, kann der Apotheker bei der Problemfindung helfen. Dabei muss er im Beratungsgespräch nach Erkenntnissen suchen, die einen weiteren Verkauf rechtfertigen. Entscheidend ist, nicht wie auf einem Wochenmarkt weitere Pro­dukte anzubieten („Wir hätten da noch …“): Selbst wenn ein Lösungsansatz dahintersteht („Mit diesem Medikament werden Sie schneller gesund!“), ist es besser, wenn der Kunde selbst ein ihm vorher unbekanntes Bedürfnis erkennt, für das die Apotheke ihm ein entsprechendes Medikament empfehlen kann.

Wichtig ist dabei, den richtigen Gesprächsaufhänger zu finden. Oft sind Kunden multimedial und auch über ihre sozialen Kontakte gut informiert. Sie kommen dann mit konkreten Vorstellungen in die Apotheke. Dennoch kann mit Begriffen wie „zusätzlich“, „dadurch“ oder „auch“ ein Mehrwert eines weiteren Produktes dargestellt werden. Gleiches gilt auch für „verbesserte“ Produkte, wie ein Nasenspray mit Pflegestoff. Ein solcher Mehrwert kann damit für den Kunden neue Erkenntnisse und Bedürfnisse ins Spiel bringen. Dies unterstreicht sowohl den Lösungsansatz als auch die Beratungsqualität der Apotheke. Werden dagegen lediglich Produkte ohne weiteren Lösungsansatz und Mehrwert verkauft, wird die Verkaufsstätte sehr schnell austauschbar.

So kann z.B. beim Wunsch des Kunden nach einem Kombinationspräparat für Erkältungen zusätzlich ein Immunstimulanz angeboten werden mit der Begründung: „Damit werden Sie nicht nur fit, sondern auch schneller gesund.“ Entscheidend ist, dass der Kunde den Bedarf entdeckt, nicht nur die Symptome zu lindern, sondern auch tatsächlich schneller gesund zu werden.

Ebenso müssen im Verkaufsgespräch provokante Fragen gestellt werden, um den Kunden anzuregen, über bis dahin unerkannte Bedürfnisse nachzudenken. Geschickt ist dabei eine Frage wie beispielsweise: „Haben Sie nur … oder auch …?“ Dabei wird ein bekanntes Problem mit einem weiteren tangierenden verknüpft. So kann beim Wunsch des Kunden nach einem „Grippemittel“ speziell nach Husten gefragt werden. Idealerweise wird die Frage so formuliert, dass der Kunde mit „Ja“ antworten kann, was generell leichter fällt als mit „Nein“. Im positiven Fall wird dann nochmals nachgefragt: „Haben Sie etwas für … oder möchten Sie etwas mitnehmen?“ Nach einem weiteren „Ja“ des Kunden kann man beruhigt in die Phase der Produktpräsentation übergehen. Am Ende des Verkaufsgesprächs sollte dann stets die Frage stehen: „Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“ – denn sie regt an, über weitere Bedürfnisse nachzudenken.

Worin besteht nun der Unterschied zum klassischen Zusatzverkauf? Beim klassischen Zusatzverkauf werden häufig nach vorgegebenen Mustern (A-Empfehlungen) bestimmte Produkte zu einem vorhandenen Problem offeriert. Werden allerdings zusätzliche Bedürfnisse geweckt und dazu Lösungen angeboten, können nicht nur ergänzende, sondern differenziert weitere Produkte verkauft werden. So kann beispielsweise ein pflegendes Nasenspray einen Mehrwert gegenüber einem „normalen“ darstellen und somit einen höheren Umsatz und auch Gewinn generieren.

Der Kunde muss mit seiner Entscheidung zufrieden sein

Wird des Weiteren der Bedarf einer Arznei gegen Husten vom Kunden festgestellt, bietet sich eine völlig neue Produktgruppe zum Verkauf an. Der Apotheker sollte den Kunden dabei aktiv lenken und kann ihm auch bei Entscheidungen mit entsprechenden Begründungen helfen („Ich würde … nehmen, weil …“). Wichtig jedoch ist in jedem Fall, dass der Kunde selbst den Bedarf entdeckt, im angebotenen Medikament einen Mehrwert zu seiner Genesung sieht und nach einem Kaufabschluss mit seiner Entscheidung zufrieden ist.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(03):9-9