Prof. Dr. Reinhard Herzog
„Kein Schneeballsystem“
Das Debakel begann im Herbst 2013, als in der Ertragsrechnung des Unternehmens erhebliche Lücken erkennbar wurden: Obwohl nur 120,5 Mio.€ erwirtschaftet worden waren, schüttete PROKON 330,4 Mio.€ aus, sodass sich ein Gesamtverlust von 209,9 Mio.€ errechnete – bei einem gezeichneten Genussrechtskapital von nur 1,35 Mrd.€. Kritischen Aussagen in den Medien begegnete Vorstandschef Carsten Rodbertus noch im Dezember mit seinem Rundbrief, nach dem PROKON weder kurz vor der Insolvenz stehe noch ein „Schneeballsystem“ betreibe.
Dennoch wollten viele Anleger aussteigen und schon Anfang Januar verschickte PROKON einen „Brandbrief“ an die Investoren. Wenn man die Verkaufswünsche erfüllen wollte, sei bereits Ende Januar 2014 die Planinsolvenz unvermeidbar. Verkaufswillige Investoren sollten doch zustimmen, ihr Kapital mindestens bis zum 31.10.2014 bei PROKON zu belassen, und so die Existenz des Unternehmens sichern. Wer dennoch auf sein Geld bestehe, sei sich – dies musste per Unterschrift bestätigt werden – der Tatsache bewusst, dass er „damit zur Vernichtung eines zukunftsfähigen und nicht systemkonformen Unternehmens mit über 1.300 Arbeitsplätzen“ beitrage. Auch sei die zeitnahe Rückzahlung im Rahmen des Planinsolvenzverfahrens unwahrscheinlich, zudem minderten die dabei anfallenden Kosten von 20 Mio.€ die Insolvenzmasse. Verbreitet wurden auch „Verschwörungstheorien“, nach denen PROKON von den Banken und der Energiewirtschaft als unbequemer Konkurrent zerstört werden solle.
Gleichzeitig kamen andere negative Aspekte ans Licht der Öffentlichkeit: So wurde das Genussrechtskapital entgegen der Erwartung der Anleger überwiegend in Darlehen an andere PROKON-Firmen investiert. Zudem gab das Unternehmen zu, dass der Vorwurf „Schneeballsystem“ nicht gänzlich unbegründet ist: „Wir können“ – so war im „Brandbrief“ zu lesen – „nur das auszahlen, was wir durch Umsätze … und aus Neuzeichnungen von Genusskapital erzielen“. Auch die „Verschwörungstheorie“ wird von Experten angezweifelt, machen die PROKON-Umsätze doch nur einen winzigen Buchteil des Gesamtmarkts aus.
Selbst wenn davon auszugehen ist, dass dem gezeichneten PROKON-Kapital vergleichsweise hohe Vermögenswerte gegenüberstehen, sodass nach der Insolvenz sogar eine Fortführung denkbar ist, zeigt dieses Beispiel doch die generelle Problematik: Produkte vom grauen Kapitalmarkt, zu denen die nicht börsennotierten PROKON-Genussrechte zählen, unterliegen kaum einer behördlichen Kontrolle. Zudem verdrängen hohe Renditeprognosen ebenso wie das durchaus lobenswerte Investmentziel jegliche Skepsis der Anleger, sodass die Verkaufsprospekte nicht mehr sorgfältig genug gelesen werden. Gerade die Vielzahl der Schieflagen in der Branche der regenerativen Energien sollte aber als Warnung dienen, keinesfalls ohne eine detaillierte Prüfung zu investieren. Jede Rendite von mehr als 4,0%, die derzeit im Bereich der „noch soliden“ Mittelstandsanleihen zu erzielen ist, beinhaltet eine nicht zu unterschätzende „Zitterprämie“. Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren mehr als jedes zweite derart konstruierte Anlageprodukt zum Pleitefall werden könnte.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(03):15-15