Prof. Dr. Reinhard Herzog
Zentralruf informiert
In jedem Fall unverzichtbar ist es, die Versicherung des Unfallgegners zu kennen. Dies sollte möglichst noch an der Unfallstelle geklärt werden, alternativ bietet der Zentralruf der Autoversicherer (+49 (40) 300 330 300) Unterstützung bei der Ermittlung – vorausgesetzt, das Kennzeichen des Unfallgegners ist bekannt und er ist in einem EU-Mitgliedsstaat versichert. Über den Zentralruf erfährt man aber auch, welche deutsche Gesellschaft als Schadenregulierungsbeauftragter eingesetzt ist. An diesen kann sich jeder Geschädigte wenden und den entsprechenden Schadensersatz einfordern – ohne langwierige Diskussionen mit dem ausländischen Versicherer führen zu müssen. Der Schadenregulierungsbeauftragte hat für die Abwicklung drei Monate Zeit. Kommt er seinen Verpflichtungen nicht nach oder hat die ausländische Versicherung keine entsprechende Stelle beauftragt, ist die Verkehrsopferhilfe der nächste Ansprechpartner.
Um der Problematik mit dem unzureichenden Deckungsumfang ausländischer Policen aus dem Weg zu gehen, bieten die meisten deutschen Versicherer seit einigen Jahren den Auslandsschadenschutz an, wahlweise bereits enthalten im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung oder gegen rund 20€/Jahr Aufpreis als separaten Baustein. Dieser Auslandsschadenschutz bietet zwei Vorteile: Zum einen werden eventuelle Deckungslücken in der Schadensabwicklung geschlossen, d.h., der Kunde wird so gestellt, als ob der Unfall in Deutschland geschehen wäre. Zum anderen – und dies erscheint noch wesentlich bedeutsamer – kümmert sich der eigene Versicherer um die gesamte Korrespondenz mit dem Unfallgegner. Langwierige rechtliche Diskussionen lassen sich auf diesem Weg für wenig Geld vermeiden. Wichtig in jedem Fall: Das Reiseland muss beim Auslandsschadenschutz ausdrücklich einbezogen sein – was nicht bei allen europäischen Ländern der Fall ist.
Alternativ bietet sich der Rückgriff auf die eigene Kfz-Vollkaskoversicherung an. Auch hier ist zu beachten, dass eine Deckung – im Gegensatz zur Kfz-Versicherung – keineswegs in allen Ländern Europas selbstverständlich ist. Vielmehr werden manche Staaten, z.B. in Osteuropa, vom Versicherungsschutz ausgenommen, sodass vor Reiseantritt eine entsprechende Zusatzversicherung abgeschlossen werden sollte.
Vollkasko mit Rückstufung
Weiterhin muss man sich darüber im Klaren sein, dass jeder Schaden automatisch zu einer Rückstufung beim Schadensfreiheitsrabatt führt. Und dies kann sich über die Jahre derart summieren, dass es oftmals sinnvoll ist, Schäden bis zu rund 1.500€ aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Aber auch hierfür gibt es eine Alternative: Wer bereits eine hohe Rabattstufe erreicht hat, kann bei den meisten Versicherern gegen einen Aufpreis von in der Regel 15€ bis 25€/Jahr einen „Rabattretter“ abschließen, d.h., man wird bei nur einem Schadensfall pro Jahr nicht zurückgestuft. Gänzlich separat abgewickelt werden Schäden im Übrigen, wenn man eine Reisekaskoversicherung abgeschlossen hat, die von einigen Gesellschaften angeboten wird. Hier gibt es keine Rückstufung oder anderweitige Schlechterstellung, der Vertrag läuft zum vereinbarten Zeitpunkt aus.
Nahezu jeder Unfall wirft aber auch Fragen nach der Abwicklung vor Ort auf. Handelt es sich lediglich um einen kleinen Schaden am eigenen Fahrzeug, kann die Reise meist fortgesetzt werden; die Reparatur erfolgt erst zuhause. Bei größeren Schäden kann jedoch eine Reparatur vor Ort oder sogar ein Rücktransport des Fahrzeugs nach Deutschland notwendig werden. Im schlimmsten Fall ist sogar eine Verschrottung des Wagens im Ausland vorzunehmen. Noch gravierender werden die Probleme bei Personenschäden, etwa in Hinblick auf einen erforderlichen Krankenhausaufenthalt oder einen Personenrücktransport.
Gut beraten sind hier Reisende, die rechtzeitig einen Auslandsschutzbrief abgeschlossen haben – wahlweise bei ihrer Kfz-Versicherung, bei einem freien Anbieter oder einem Automobilclub. Hier sind zum einen die meisten dieser Schadensfälle abgedeckt, zum anderen kann man sich üblicherweise aber auch einer professionellen Hilfe durch einen deutschsprachigen Ansprechpartner sicher sein. Gerade bei kleineren Gesellschaften sollte man dennoch vorab klären, ob eine 24-Stunden-Hotline zur Verfügung steht und entsprechende Kooperationsverträge z.B. mit ausländischen Automobilclubs bestehen. Denn nur dann ist sichergestellt, dass nicht nur die Schadenskosten übernommen werden, sondern auch aktiv und effektiv Beistand geleistet wird.
Doch auch bei bestehendem Schutzbrief ist blindes Vertrauen nicht unbedingt sinnvoll. Zum einen gilt es zu klären, ob das Reiseland im Versicherungsschutz enthalten ist, zum anderen sollte man auch einen Blick auf den Deckungsumfang werfen. Bevor man Leistungen in Anspruch nimmt, sollte mit dem Versicherer in jedem Fall die Deckung durch die Police geprüft werden.
Wissen sollte man zudem, dass oft auch Ansprüche an andere Anbieter bestehen können. Wer etwa Mitglied beim Roten Kreuz oder den Maltesern ist, kann möglicherweise auch hierüber den Personenrücktransport beanspruchen. Gänzlich überflüssig wird der Auslandsschutzbrief in der Regel dann, wenn man über eine geeignete Kreditkarte verfügt. Denn hier sind viele Leistungen bereits mit dem Kartenpreis bezahlt – vorausgesetzt, es besteht ein ausreichender Deckungsumfang. Im Übrigen bietet auch eine private Krankenversicherung regelmäßig Leistungen im Ausland an. Für gesetzlich Versicherte ist der Abschluss einer Auslandsreise-Krankenversicherung in jedem Fall empfehlenswert – vorzugsweise als Ganzjahrespolice.
Kompetenter Rechtsbeistand
Schließlich ist jede Unfallabwicklung, aber auch jeder Verkehrsverstoß im Ausland mit rechtlichen Fragen verbunden. Wer beispielsweise in der Schweiz einen Verkehrsunfall verursacht, muss mit Strafzahlungen im vierstelligen Frankenbereich rechnen oder wer in Italien deutlich zu schnell unterwegs ist, hat die Beschlagnahme seines Fahrzeugs zu befürchten. Neben der rechtlichen Beratung in Verbindung mit der Mitgliedschaft in einem Automobilclub oder über den Auslandsschutzbrief ist die Verkehrs-Rechtsschutzversicherung von Bedeutung. Auch hier sollte wiederum auf den Deckungsumfang geachtet werden, denn manche Versicherungspolicen erstrecken sich nur auf das Inland. Bereits vor Reiseantritt sollte man sich im Übrigen die Telefonnummer des Versicherers notieren, sodass man z.B. nach einer Verhaftung schnell Hilfe anfordern kann.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(04):15-15