Kundenbeziehungsmanagement

Was ist für Apotheken wirklich sinnvoll?


Rüdiger Ott

Langfristige Geschäftsbeziehungen sind der Wunsch nahezu aller Unternehmen. Für Apotheken sind sie besonders interessant, weil der Gesundheitsbedarf der Kunden mit dem Lebens­alter steigt und die Käufer mit der Zeit immer lukrativer werden. Doch lohnt sich der Aufwand?

Bestandskunden stehen im Vordergrund

Wie dem auch immer sei: Im Fokus des Kundenbeziehungsmanagements stehen die Bestandskunden, zu denen wir in der Apotheke vor allem die Stammkunden zählen. Ziel ist es, die Marketingaktivitäten stärker an den Bedürfnissen dieser Gruppen zu orientieren.

Hierzu ist die Apothekensoftware heute ein unerlässliches Medium geworden, mit dem sowohl Kaufverhalten analysiert als auch Strategien für die Zukunft entwickelt werden können. Doch solch ein Programm kann nur verwertbare Ergebnisse liefern, wenn der Nutzer die Daten entsprechend pflegt. Kundenmerkmale wie Diabetiker, Sportler, Naturkosmetik-Liebhaber, Homöopathie-Freund, Ernährungsbewusste oder Besorger gilt es praxisnah zu definieren, damit daraus Konzepte entwickelt werden können.

Apotheke muss Vorteile erzielen

Das Streben nach langfristigen Kundenbeziehungen erscheint jedem spontan als sinnvoll. Doch sollten wir uns bewusst machen, dass dies nicht für alle Apotheken und alle Kundengruppen zwangsläufig ein erstrebenswertes Ziel ist. Es gibt durchaus Apotheken in ausgeprägten Lauf­lagen oder in Urlaubsregionen, für die es Erfolg versprechender ist, in Maßnahmen zu investieren, die Kunden unmittelbar und spontan anlocken.

Die Vorteile, die eine Apotheke aus stabilen, langfristigen Kundenbeziehungen ziehen kann, sind vielfältig:

  • Umsatzbezogene Vorteile: Im Verlauf der Geschäftsbeziehung verstehen wir unsere Kunden immer besser. Wir können Angebote optimieren (z.B. Ausbau von Mutter-Kind- oder Senioren-Sortimenten) und senken im Idealfall die Zahl der Einkaufsquellen des Kunden zu unseren Gunsten. Zudem sind Stammkunden weniger preissensitiv und erhöhen dadurch den Gewinn.
  • Kostenbezogene Vorteile: Ab­gesehen davon, dass die Akquise von Neukunden deutlich kostenintensiver ist als die Stammkundenpflege – im Konsumgütermarkt spricht man von Faktor 10 –, nehmen Bestandskunden un­sere Werbung besser wahr als Nicht-Kunden und sind leichter zum Kauf „konvertierbar“.
  • Stabilitätsbezogene Vorteile: Langfristige Kundenbeziehungen stabilisieren den Geschäftsverlauf eines Unternehmens und tragen signifikant zum Unternehmenswert bei. Sie sind quasi „die sichere Miete“ und bilden den Grundstock des Einkommens auch in schwierigen Zeiten.

Kundenbeziehungsmanagement ist für die Apotheke dann sinnvoll, wenn daraus unter dem Strich ein Mehrwert generiert wird. Ist dies nicht zu erwarten, sind alternative Strategien zu empfehlen.

Kundenbindung ist facettenreich

Experten definieren Kundenbindung als ein psychisches Kon­strukt der Verbundenheit oder Verpflichtung gegenüber einer anderen Person oder einem Unternehmen. Während Verbunden­heit mit einem positiven Gefühl einhergeht, kann Verpflichtung sowohl positiv als auch negativ erlebt werden. Einer moralischen Verpflichtung (z.B. nach Hilfe im Notdienst) liegt meist das gute Gefühl der Dankbarkeit zugrunde. Vertragliche Verpflichtungen (z.B. Exklusiv-Depot-Verträge von Kosmetikfirmen oder Krankenkassenverträge mit ausgewählten Apotheken) können beim Kunden das Gegenteil auslösen. Der „verpflichtete Kunde“ muss daher besonders umsorgt und von der Apotheke überzeugt und begeistert werden.

Kundenzufriedenheit allein genügt nicht

Hohe Kundenzufriedenheit ist eine gute Voraussetzung dafür, dass Kunden der Apotheke über lange Zeit treu bleiben. Deshalb wird gerade dieser Parameter von Apotheken mittels verschiedener Maßnahmen in regelmäßigen Abständen immer wieder erfasst. Das kann auf mehreren Wegen erfolgen:

  • Schriftliche Kundenbefragung: Den Kunden wird nach einem vorab festgelegten Verteilungsschlüssel ein Bogen überreicht, der idealerweise an eine neutrale Adresse geschickt wird (frankierten Umschlag mitgeben!). Während die Noten nicht zwangsläufig Aufschluss über Stärken und Schwächen der Apotheke geben, sind Eintragungen unter „Ihr persönlicher Kommentar“ extrem wichtig. Nicht vergessen: eine Gesamtbeurteilung am Ende der Befragung („Welche Tipps möchten Sie dem Apothekenteam mit auf den Weg geben?“).
  • Mündliche Befragung: Der Interviewer kann das Gespräch lenken, sich auf die Person gut einstellen und gezielt nachfragen oder Fragen genauer erläutern. Wird dies objektiv und professionell gemacht, können sowohl von Kunden als auch von Nicht-Kunden wertvolle Erkenntnisse gesammelt werden. Externe Interviewer lassen sich schnell und zuverlässig über Internetagenturen engagieren (z.B. www.jobruf.de).
  • Kummerkasten: Hierbei handelt es sich quasi um eine Vorgängerversion der Kundenbefragung. Der Vorteil: Er ist immer zugegen. Der Nachteil: Der Fokus liegt auf Beschwerden, d.h. auf Negativerlebnissen, während nach Stärken nicht gefragt wird. Der Lerneffekt für die Apotheke ist entsprechend gering.

Alles in allem ist von Befragungen zu erwarten, dass gerade bei Stammkunden die Zufriedenheit sehr hoch ist. Daher ist die Meinung von Nicht-Kunden (in einem Umkreis der Apotheke von 200 Metern) deutlich interessanter. Last but not least müssen wir uns auch dessen bewusst sein, dass die Kundenzufriedenheit allein noch keinen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen darstellt.

Nicht nur Patienten sind wertvolle Kunden

Grundgedanke des Strebens nach langfristigen Kundenbeziehungen ist der Kundenwert („Customer Lifetime Value“). In der Automobilbranche werden derartige Kalkulationen bis zur Perfektion getrieben. Da die Margen beim Neuwagenkauf immer mehr schrumpfen, werden Gewinne heute vorrangig mit Finanzierungen und der Ersatzteilversorgung erzielt. Jedes Fahrzeug, das in den Markt gebracht wird – egal zu welchen Konditionen – sichert einen Gewinn in einer späteren Phase seines Produktlebenszyklus.

Apotheken sollten sich bei ihren Berechnungen nicht ausschließlich auf die „lukrativen“ Patienten – z.B. Chroniker mit Diabetes und Bluthochdruck – beschränken, sondern unbedingt langfristig denken und auch die „Be­sorger“ analysieren. Sie machen etwa ein Drittel der Kunden aus und spielen daher eine außerordentlich große Rolle. Häufig handelt es sich um Mütter, die sowohl ihre eigenen Kinder als auch ihre eigenen Eltern versorgen. Kundenbindungsprogramme für diese Zielgruppe sind absolut empfehlenswert.

Die richtigen Maßnahmen für die richtigen Kunden ergreifen

Fazit: Die Apotheke hat die besten Voraussetzungen dafür, Kundenbeziehungen zu managen. Keine andere Branche verfügt über derart präzise Daten zum Kaufverhalten. Es gilt, die richtigen Maßnahmen für die richtigen Kunden zu ergreifen. Das Engagement kann sich lohnen, denn schließlich hat eine Apotheke theoretisch die Möglichkeit, ein und denselben Kunden ein ganzes Leben lang zu begleiten. Welche andere Branche vermag dies schon von sich zu behaupten?

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(04):8-8