Ute Jürgens
Emotionen nicht unterschätzen
Oft genug jedoch gestaltet sich der Wandel als Hindernislauf. Jeder weiß, wie schwer es fällt, sich an etwas Neues zu gewöhnen. Kommen gar emotionale Blockaden hinzu, lassen sich Veränderungen nur aufwendig oder gar nicht etablieren.
Ein Beispiel: Ein Kommissionierautomat soll eingebaut werden. Der Apothekenleiter hat lange überlegt, sich über die Wirtschaftlichkeit informiert, Angebote eingeholt etc. Nun setzt er das Team in Kenntnis – zwei Wochen bevor es losgeht. Die Neuigkeit wird schlecht aufgenommen, zwei Mitarbeiter sprechen sich offen dagegen aus, der Rest ist aufgeregt und verärgert, es gibt endlose Diskussionen. Die Kunden werden in diesen Tagen ohne Engagement bedient, als Störfaktor empfunden und auch so behandelt. Was ist hier falsch gelaufen?
Veränderungen lösen bei den Betroffenen oft negative Gefühle aus. Angestellte fühlen sich eventuell im Stich gelassen, wenn sie nicht frühzeitig mit einbezogen, sondern plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Neues, über das man nichts oder nur Negatives weiß, wirkt bisweilen bedrohlich. Ängste um den Arbeitsplatz entstehen – meist vollkommen unbegründet. Bei unzureichender oder fehlender Schulung potenziert sich die negative Stimmung nochmals. Es ist verblüffend, wie stark Emotionen auf das Arbeitsverhalten und in letzter Konsequenz auf die Umsätze eines Betriebs einwirken.
Sieben Phasen zur Akzeptanz
Ein klassisches Modell vom Prozess des Wandels beschreibt sieben Phasen bis zur endgültigen Akzeptanz:
- Vorahnung und Sorge,
- Verdrängung und Angst,
- Widerstand mit Ärger und Wut,
- rationale Einsicht mit Frustration,
- Trauer,
- Öffnung mit erwachender Neugier und
- Integration mit Zuversicht.
Dieses Muster zeigt sich immer wieder, ganz gleich, ob es um die Umstellung des Computersystems, ein großes Umräumen, die Einführung eines aufwendigen Qualitätsmanagements, die Einstellung neuer Mitarbeiter oder andere Veränderungen geht.
Apothekenleiter können diese Phasen beobachten und sind so vorgewarnt, wenn ihnen z.B. Ablehnung entgegenschlägt. Diese sollten sie nicht persönlich nehmen, sondern gelassen abwarten oder ruhig darauf eingehen. Stellen die Mitarbeiter Fragen, die noch nicht beantwortet werden können, ist es besser zu sagen, dass die Informationen dazu noch nicht vorliegen, als zu schweigen und damit Irritationen zu fördern. Die „Trauerphase“ kann Lethargie und ein Leistungstief verursachen. Der Apothekenleiter sollte sich all dieser Vorgänge bewusst sein, um behutsam eingreifen und entsprechend steuern zu können. Dann ist die Apotheke den unbewussten inneren Vorgängen nicht ausgeliefert und die Umsätze erleiden keine Talfahrt.
Damit eine Apotheke den Wechsel unbeschadet übersteht, heißt es:
- rechtzeitig mit den Vorbereitungen anfangen, um Stress zu vermeiden;
- gegebenenfalls ein halbes Jahr vorher mit Aufräumen und Aussortieren alter, nicht mehr gebrauchter Unterlagen und Gerätschaften beginnen;
- Bedenken der Angestellten – auch wenn sie für den Leiter absolut nicht nachvollziehbar sind – ernst nehmen und zum Thema machen;
- die Mitarbeiter frühzeitig in arbeitsbezogene Überlegungen mit einbeziehen;
- erstklassig schulen;
- Begeisterung über einzelne vollzogene Abschnitte des Wechsels deutlich äußern und feiern.
Bei Veränderungen, die mit einer Einarbeitung in eine neue Methode verbunden sind, reicht es nicht, das Neue einmal mitzuteilen oder zu zeigen. Die Autoren Mentzel/Grotzfelt/Haub gehen in ihrem Buch (siehe Buch-Tipp)ausführlich auf Unterweisungsgespräche ein. Von der Vorbereitung, bei der sich der Leiter genau überlegt, wie er die neue Arbeitsweise verdeutlichen will, über die Erklärung, das Vormachen sowie das Nachmachen und das Fragenstellen des Mitarbeiters bis zum Abschluss wird alles vorgeplant. Das dauert zwar etwas länger, aber dafür ist der Mitarbeiter direkt danach imstande, selbstständig auf diese Weise zu arbeiten, und muss nicht immer wieder Unklares oder Vergessenes nachfragen.
Der Goldstandard besteht natürlich darin, vorher in einer befreundeten Apotheke, in der das Neue bereits eingeführt ist, einen Tag zu hospitieren.
Ein absolutes Eigentor schießen kann der Chef, wenn er die etwa von einer Softwarefirma angebotene Schulung aus Kostengründen ablehnt und vollmundig das „Learning by Doing“ ankündigt. Auch hier leiden Personal, Kunden und Umsätze durch Verzögerungen, Ärger und Frustration.
Das Einbeziehen der Mitarbeiter in der Frühphase der Veränderung hat mehrere Vorteile. Wenn wir mitentscheiden, tragen wir Verantwortung und sind motiviert und bereit für die Umsetzung. Wenn mehrere überlegen, führen mehr Wissen und mehr Kreativität zu besseren und der Praxis angepassten Entscheidungen. Der Leiter hat weniger Arbeit, weil er Teile der Überlegungen dem Personal überlassen kann.
Ein Beispiel: Einheitliche Kleidung soll die teilweise zwanzig Jahre alten Kittel oder die Privatkleidung, die einige Kollegen aus Bequemlichkeit vorziehen, ablösen. Bevor der Chef „Rot-Weiß“ verordnet und damit teilweise auf Ablehnung stößt, ist es sinnvoller, das Team einzubeziehen und sich gemeinsam auf ein für alle stimmiges Konzept zu einigen. Damit wird das Ziel, nach außen einheitlich zu wirken, bestens umgesetzt.
Anerkennung motiviert
Wenn Teilabschnitte bei größeren Wechseln vollzogen sind, sollte das entsprechend erwähnt, gelobt und auf die eine oder andere Weise gefeiert werden. Falls Sie als Chef nur äußern, dass vorher alles schlecht, beispielsweise zu langsam war, und nun alles besser ist, wirkt das unter Umständen demotivierend, weil sich schließlich schon immer alle angestrengt haben.
Eine Würdigung in Form eines Blumenstraußes oder eines Büchergutscheins bzw. die Lieferung einer Cateringfirma in der Mittagszeit als Anerkennung dafür, dass jeder den etwa bei einem Umbau entstehenden Lärm und Dreck gelassen erträgt, sorgen für gute Stimmung. Dann entsteht mehr Toleranz bei den normalen Unbilden und unvorhersehbaren Pannen, die solche Lebensphasen einer Apotheke mit sich bringen.
Bei einem gelungenen Change Management kann der Knick in der Umsatzkurve nicht nur verhindert werden. Bietet man den Kunden in dieser Zeit mehr Informationen und besondere Angebote, die auch sie vom Veränderungsprozess profitieren lassen, entstehen auf dieser Seite ebenfalls mehr Toleranz und bessere Stimmung. Das fängt beim Beispiel Umbau mit einem bereits im Vorfeld angekündigten Tag der offenen Tür nach Abschluss der „wilden Phase“ an und hört bei Sonderangeboten und Preisnachlässen auf.
Buch-Tipp
Wolfgang Mentzel, Svenja Grotzfeld, Christine Haub:
Mitarbeitergespräche erfolgreich führen. Haufe-Lexware. 2012. 29,95 €
zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(06):10-10