Prof. Dr. Reinhard Herzog
Termine prüfen
Bekannt gemacht werden bevorstehende Zwangsversteigerungen beim zuständigen Amtsgericht durch öffentlichen Aushang und durch ein Inserat im jeweiligen Amtsblatt. Aber auch im Internet wird man bei Portalen wie www.zvg-portal.de, www.zvg.com, www.zwangsversteigerung.de oder www.hanmark.de fündig. Beim Grundbuchamt erfahren potenzielle Käufer, ob, und wenn ja, welche Belastungen auf dem Objekt liegen. Hier erkennt der Interessent zudem, wer die Zwangsversteigerung veranlasst hat. Dies kann sich lohnen: Häufig wird in Verhandlungen mit dem Gläubiger erreicht, dass das Objekt nicht zwangsversteigert, sondern unmittelbar zu einem akzeptablen Preis – Faustregel: 60% bis 90% des Verkehrswerts – verkauft wird. Beim Amtsgericht, meist aber auch bei der Bank des Gläubigers, können Interessenten Einblick in das Verkehrswertgutachten nehmen, bei dem sich neben einer Baubeschreibung eine Liste vorhandener Mängel befindet. Auskünfte über unklare rechtliche Fragen erteilt der jeweilige Rechtspfleger.
Potenzielle Käufer sollten sich keinesfalls allein auf das Gutachten als Bewertungsmaßstab verlassen. Mindestens ebenso wichtig erscheint eine Besichtigung des Objekts, wobei die bisherigen Eigentümer bzw. Mieter eine Innenbesichtigung zwar zulassen können, rechtlich aber nicht zulassen müssen. Achten sollten Interessenten ferner auf die Lage des Objekts, seine Verkehrsanbindung und die Infrastruktur vor Ort. Hinsichtlich der Bauqualität sollte zumindest bei Altbauten regelmäßig ein Fachmann hinzugezogen werden, denn eine Gewährleistung gibt es bei Zwangsversteigerungen nicht.
Finanzierung vorab regeln
Im nächsten Schritt ist die Finanzierung zu klären. Interessenten sollten von ihrer Bank eine verbindliche Finanzierungszusage einholen. Das Geldinstitut kann zudem die erforderliche Sicherheitsleistung bereitstellen: Nach erfolgtem Zuschlag muss der Meistbietende eine Sicherheit in Höhe von 10% des Zuschlags hinterlegen, wobei diese nicht mehr in Form von Bargeld erbracht werden kann, sondern entweder per Bankbürgschaft oder einem maximal drei Tage alten Bankscheck geleistet werden muss. Möglich ist es auch, die voraussichtliche Sicherheitsleistung vorab an das Gericht zu überweisen – mit dem Risiko, dass das Objekt teurer wird als erwartet und die Sicherheitsleistung dann nicht mehr ausreicht.
Allerdings sollte sich jeder Interessent ohnehin ein festes persönliches Limit setzen, das keinesfalls überschritten wird. Immer wieder lassen sich unerfahrene Bieter von der Atmosphäre einer Zwangsversteigerung mitreißen, oft sehen Interessenten die Immobilie sogar schon als ihr Eigentum an und planen in Gedanken bereits den Umzug. Die Folge: Der Preis steigt auf ein Niveau, das möglicherweise nicht mehr marktgerecht ist. Um Erfahrungen zu sammeln, ist es ratsam, vorab andere Zwangsversteigerungstermine wahrzunehmen.
Beim eigentlichen Versteigerungstermin müssen sich alle Interessenten mit Pass oder Personalausweis legitimieren, Vollmachten werden nur im Fall einer notariellen Bestätigung anerkannt. Was viele nicht wissen: Soll die Immobilie von zwei Ehepartnern ersteigert werden, ist die Anwesenheit beider Ehepartner erforderlich; im Vertretungsfall ist auch hier eine notarielle Vollmacht notwendig.
Grundbuch maßgeblich
Zunächst werden im „Bekanntmachungsteil“ die rechtlichen Formalien erledigt. Achten sollten Interessenten dabei darauf, ob das Objekt lastenfrei erworben werden kann oder ob noch Grundschulden oder Hypotheken mit zu übernehmen sind. Auch manche Mieter, ein eingeräumter Nießbrauch oder ein Wohnrecht können den Wert eines Objekts deutlich mindern, ebenso ein Geh- und Fahrtrecht durch das Grundstück oder ein Rohrleitungsrecht.
Wird eine Immobilie erstmals versteigert, darf der Zuschlag im Interesse des bisherigen Eigentümers nicht unter 50% des Verkehrswerts liegen; der Versteigerer wird dann den Zuschlag verweigern. Erst bei einem zweiten Termin darf diese Grenze grundsätzlich unterschritten werden. Allerdings darf die Unterschreitung der 50%-Marke nicht eine für den Schuldner sittenwidrige Härte darstellen. Beim Ersttermin haben aber auch die Gläubiger noch ein Mitspracherecht: Werden bei der Versteigerung nicht mindestens 70% des Verkehrswerts erreicht, kann der Gläubiger dem Zuschlag widersprechen.
Abgegeben werden die Gebote in der „Bietstunde“, die seit 1998 nur noch (mindestens) 30 Minuten dauert. Die Versteigerung wird allerdings nicht nach der halben Stunde abgebrochen, sondern dauert so lange, wie noch Gebote eingehen – möglicherweise sogar mehrere Stunden. Taktisches Vorgehen lohnt sich: Ein besonders niedriges Gebot zu Beginn der Bietstunde lockt dazu, dass andere Kaufinteressenten einsteigen und den Preis in die Höhe treiben. Sinnvoller ist daher ein angemessenes Gebot, das jedoch noch Spielraum zum Mitsteigern im Rahmen des selbst gesteckten Limits bietet. Aber auch Gebote mit „krummen“ Beträgen helfen, die Mitbieter zu verwirren – und sich selbst damit möglicherweise einen günstigen Zuschlag zu sichern. Die eigentliche Hektik kommt meist erst in den letzten Minuten auf, denn jetzt geben sich auch diejenigen Interessenten zu erkennen, die bisher lediglich passiv das Auktionsgeschehen beobachtet haben.
Ist der Zuschlag an den Meistbietenden erteilt, folgen die „Verhandlungen über den Zuschlag“. Der Meistbietende wird dann sofort Eigentümer der Immobilie, wenn hier keine gegenteiligen Anträge gestellt werden, z.B. wegen Nichterreichens der 70%- Grenze. Ist diese Frage geklärt, sind vom Käufer 10% des Erlöses als Sicherheitsleistung zu erbringen. Der restliche Kaufpreis ist innerhalb von meist vier bis acht Wochen zur Zahlung fällig.
Zu Problemen kommt es häufig, wenn das Haus noch bewohnt ist. Bei einer Teilungsversteigerung müssen zwar eventuelle Miteigentümer ausziehen, nicht jedoch Mieter. Vielmehr tritt der Ersteigerer mit dem Zuschlag in alle Rechten und Pflichten des Mietvertrags ein. Kündigungsmöglichkeiten hat er nur nach den geltenden Bestimmungen, z.B. wegen Eigenbedarfs.
Anders die Lage bei einer Vollstreckungsversteigerung: Hier ist ein bisheriger Eigentümer, der noch im Objekt wohnt, zur umgehenden Räumung nach schriftlicher Aufforderung verpflichtet. Eine Kündigung ist nicht erforderlich. Im Übrigen ist der Zuschlagsbeschluss gleichzeitig ein Vollstreckungstitel, sodass für den Fall einer erforderlichen Zwangsräumung nur eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses vonnöten ist.
Ist das Objekt vermietet, steht dem neuen Eigentümer ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Der Vertrag kann unter Wahrung der gesetzlichen Fristen selbst dann gekündigt werden, wenn er eigentlich auf eine längere Zeit befristet ist. Das gilt aber nur, wenn der erste zulässige Kündigungstermin eingehalten wurde. Dies ist spätestens der dritte Werktag des auf den Zuschlag folgenden Monats zum Ablauf des übernächsten Monats. Bei Gewerbeobjekten ist der erste zulässige Kündigungstermin der dritte Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres. In allen Fällen gilt jedoch: Zeichnen sich Probleme mit den bisherigen Bewohnern ab, sollte umgehend qualifizierte Anwaltshilfe in Anspruch genommen werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(07):15-15