Mobbing

Es kann auch den Chef treffen


Ute Jürgens

Mitarbeiter, die den Chef „mobben“ – das ist nicht nur in großen Unternehmen, sondern auch in Apotheken möglich. Ursache ist meist ein ungelöster Konflikt, der sich verselbstständigt. Den Mitarbeitern ist oft nicht klar, dass sie falsch reagieren und sich ins eigene Fleisch schneiden.

Mobbing als Ventil

Die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten am Arbeitsplatz ist in den letzten Jahren gestiegen. Personalknappheit, steigender Konkurrenzdruck, das erhöhte Arbeitstempo und andere Faktoren vergrößern Stress und Frust. Mobbing bietet ein Ventil dafür, da ein Schuldiger gesucht wird. Typisch ist dabei die Gedankenlosigkeit, niemand überlegt, was er mit seinem Verhalten anrichtet.

Für die „Zielperson“ ist das Ganze äußerst belastend, wenn sie sich darüber klar wird, welcher Prozess im Gange ist. Verunsicherung setzt ein, erste Fehler passieren, das Team oder der einzelne Angestellte fühlt sich in seiner Annahme bestätigt, dass der Chef unfähig ist.

Aktiv werden kann die Leitung, indem sie zunächst Abstand gewinnt. Der Autor Rolf Sellin empfiehlt, sich folgende Fragen zu stellen:

  • Was ist Fakt?
  • Wie sind die Kräfteverhältnisse?
  • Was muss ich hinnehmen und was nicht?
  • Welchen Einfluss habe ich noch und wie setze ich ihn ein?

Eine Erste-Hilfe-Anleitung für die innere Balance bietet die Kommunikationstrainerin Barbara Berckhan. Sie rät, den Druck aus der Situation zu nehmen und sich durch Dinge zu stärken, die einem gut tun. Es ist richtig, sich zu fragen, ob man sich falsch verhalten hat; sich deswegen unendliche Vorwürfe zu machen und sich durch negative Kritik zu destabilisieren, ist jedoch nicht angebracht. Falls Ärger und Ängste aufkommen, ist auch das normal, das Sich-Hineinsteigern hingegen nicht.

Inwiefern ist das Mitarbeiterverhalten normal und wo ist die Grenze? Hat der Angestellte nur einen schlechten Tag oder ist das unangemessene Verhalten schon ein Dauerzustand? Konflikte gehören in den üblichen Arbeits­alltag, analysieren Sie die Geschehnisse. Selbst wenn Sie sicher sind, dass Mobbing im Gange ist, sollten Sie es im Weiteren auf keinen Fall als solches benennen. Falls Sie sich irren, lösen Sie einen Flächenbrand aus. Ihre Mitarbeiter fühlen sich des Vertrauens beraubt und die Probleme fangen dann erst richtig an.

Wie können Sie reagieren?

  • Suchen Sie frühzeitig das Gespräch mit einer Vertrauens­person außerhalb der Apotheke oder mit einem Coach.
  • Halten Sie die Balance zwischen Überempfindlichkeit und dem Durchgehenlassen von Respektlosigkeiten und Schikanen. Wo ist Ihre Grenze?
  • Beobachten Sie, aus welcher Ecke Angriffe kommen, und machen Sie deutlich, dass Sie der­jenige sind, der führt. Gehen Sie gradlinig und ehrlich vor, suchen Sie das Einzelgespräch. Manche Mitarbeiter lassen sich aus Angst mitreißen, selbst zur Zielscheibe zu werden, haben aber weder etwas gegen Sie als Person noch gegen Ihr Verhalten.
  • Führen Sie Tagebuch, damit Sie Beispiele parat haben und den Mitarbeitern verdeutlichen können, worum es Ihnen geht.
  • Arbeiten Sie an sich selbst und bilden Sie sich durch Literatur, Kurse, Coaching etc. in Mitarbeiterführung weiter. So werden Sie selbstbewusst, kompetent und handlungssouverän.
  • Führen Sie die Einzelgespräche nicht nur einmal, sondern regelmäßig. Fordern Sie Ihre Mitarbeiter auch zu Feedback auf und fragen Sie nach den Wünschen. Benennen Sie einzelne Situationen und unangebrachte Verhaltensweisen, eruieren Sie das Warum und Wozu und hören Sie aufmerksam zu. Hier klärt sich manches Missverständnis.
  • Falls das Verhalten anhält, zeigen Sie noch einmal die Grenze auf und die Konsequenzen bei Nichtbeachtung. Wichtig ist es, dass Sie in diesem Fall nicht drohen und dann nichts tun, sondern wirklich handeln. Das heißt: Denken Sie realistisch, Ihre Maßnahme sollte weder über- noch untertrieben sein, sondern der Situation angepasst. Fragen Sie ggf. bei der Kammer nach, was rechtlich möglich ist.
  • Nehmen Sie gerechtfertigte Kritik an. Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie nach. Was genau hat der Angestellte aus Ihrem ursprünglichen Verhalten herausgelesen, hat er Rückmeldungen anderer Personen, Mitarbeiter oder Kunden zu dem Thema? Was ist Ihr eigener Vorschlag, wie könnte es besser gehen?
  • Bleiben Sie gerecht, aufmerksam und respektvoll, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Es hilft nichts, wenn Sie sich genauso benehmen, wie Sie es gerade bei den Mitarbeitern beanstandet haben.

Beugen Sie vor!

Sorgen Sie für ein gutes Betriebsklima, in dem weder Neid noch Eifersucht zu Hause sind, genug Anerkennung besteht, Stress und Überforderung eher die Ausnahme als die Regel sind und die Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen.

Die im QM-Ordner oder auf der Internetseite hochgehaltene Unternehmensphilosophie sollte kein leeres Versprechen sondern gelebte Firmenkultur sein. Reflektieren Sie: „Wenn Sie bei einem Chef mit Ihrem Verhalten und Ihrer Einstellung den Mit­arbeitern gegenüber angestellt wären, würden Sie Ihre Arbeit genießen oder schon am Montagmorgen das Wochenende her­beisehnen und in ständiger Furcht vor der nächsten unan­genehmen Be­gegnung sein?“

Wie geht es Ihnen selbst? Ist die Betriebsleitung für Sie zunehmend schwieriger, wünschen Sie sich eine Beratung oder Weiterbildung irgendeiner Art? Wenn Sie sich nicht vorstellen können, in der gleichen Weise wie bisher bis zur Rente zu arbeiten, ist es gut, wenn Sie jetzt Änderungen einleiten und nicht die Situation durchhalten solange es irgend geht.

Buch-Tipp

Barbara Berckhan: Das dicke Fell. Wie Sie sich vor Frustfallen und Nervensägen schützen. Kösel Verlag. 2014. 12,99€

Rolf Sellin: Bis hierher und nicht weiter. Wie Sie sich zentrieren, Grenzen setzen und gut für sich sorgen. Kösel Verlag. 2014. 16,99€

zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(13):8-8