Mindestlohngesetz

Neue Regelungen ab 2015


Jasmin Theuringer

Ab dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland das Mindestlohngesetz (MiLoG) und damit ein Min-destlohn von 8,50€ brutto pro Stunde. Was das Gesetz für Apotheken bedeutet und welcher Handlungsbedarf sich unter Umständen für Apothekenleiter ergibt, wird nachfolgend aufgezeigt.

Nach der bisherigen Rechtslage war stets zu unterscheiden, ob es sich um ein tarifgebundenes Arbeitsverhältnis handelte – dann galt zwingend der jeweilige Tariflohn als Untergrenze – oder um ein nicht tarifgebundenes Arbeitsverhältnis. In den nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen galt die Privatautonomie, die Höhe der Vergütung für die zu leistende Arbeit konnte grundsätzlich frei vereinbart werden. Hierbei war keine gesetzlich festgeschriebene Untergrenze zu beachten, ein Korrektiv zu niedriger Löhne war das Prinzip des Lohnwuchers.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Vergütung, welche die übliche Vergütung um mehr als ein Drittel unterschreitet, als sogenannter Lohnwucher sittenwidrig. Der Arbeitnehmer kann dann anstelle der sittenwidrigen Vergütung die übliche Vergütung verlangen. Als Anhaltspunkt für die übliche Vergütung wird ein in der jeweiligen Branche geltender Tarifvertrag genommen. Das bedeutet, dass in solchen Apotheken, die keiner Tarifbindung unterliegen, zumindest zwei Drittel der tariflichen Vergütung gezahlt werden mussten.

In der Apothekenpraxis werden jedoch sowohl in tarifgebundenen als auch in nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen regelmäßig mindestens die Tariflöhne gezahlt. Insoweit wird sich die Einführung des Mindestlohns also nicht bemerkbar machen.

Auszubildende

Stundenlöhne deutlich unterhalb des Mindestlohns erhalten in Apotheken die Auszubildenden zur Pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten, Pharmazie- und PTA-Praktikanten. Bei diesen Auszubildenden handelt es sich jedoch nicht um Arbeitnehmer. Es steht nicht das Austauschverhältnis Arbeit gegen Lohn im Vordergrund, sondern vielmehr die Vermittlung der Ausbildungsinhalte.

Dementsprechend schränkt das MiLoG den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes in §22 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 dahingehend ein, dass Praktikanten, die ein im Rahmen ihrer Ausbildung verpflichtendes Praktikum absolvieren, und auch die klassischen Auszubildenden keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben. Auch hier ändert sich für Apotheken durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns also nichts.

Weitere Arbeitnehmer

Ganz anders hingegen sieht es bei denjenigen Arbeitnehmern einer Apotheke aus, die nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrags fallen, dies sind in der Apotheke regelmäßig der Bote und die Putzhilfe. Bei ihnen gilt nach wie vor der Grundsatz der Privatautonomie und die Gehälter werden frei vereinbart. Häufig werden diese Arbeitnehmer im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung eingestellt, es wird eine Vergütung von bis zu 450€ monatlich gezahlt und eine wöchentlich bzw. monat- lich einzuhaltende Arbeitszeit vereinbart. Dabei spielt bei den Vertragsverhandlungen der Stundenlohn häufig keine Rolle.

Bekommt zum Beispiel ein Bote für eine monatliche Arbeitszeit von 55 Stunden ein Gehalt von 450€, entspricht dies einem Stundenlohn von etwa 8,18€ und liegt damit unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50€ pro Stunde.

Mindestlohngesetz

Ab Januar 2015 ist das Mindestlohngesetz zu beachten. Durch das MiLoG wird erstmals ein Vergütungsanspruch in einem Gesetz konkret beziffert. Vereinbarungen in Arbeitsverträgen, die den Mindestlohn unterschreiten, sind unwirksam. Das gilt nach §3 MiLoG nicht nur für die Vergütungshöhe selbst, sondern darüber hinaus für Regelungen, die die Durchsetzung des Mindestlohns einschränken sollen. Dies sind vor allem arbeitsvertraglich vereinbarte Verfallklauseln, die künftig für die Durchsetzung des Mindestlohns nicht mehr greifen.

Wird eine Vergütung vereinbart, die unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, wird dadurch der Arbeitsvertrag im Übrigen nicht unwirksam, sondern nur die Vergütungsabrede selbst. Das bedeutet für den vorstehend beschriebenen Beispielsfall, dass die Vereinbarung der monatlichen Arbeitszeit von 55 Stunden Bestand hat, das Gehalt aber nach oben zu korrigieren ist.

In diesem Fall kann das Arbeitsverhältnis aber nicht mehr nach den Regeln einer geringfügigen Beschäftigung abgewickelt werden. Der Arbeitnehmer ist dann ebenfalls an den Sozialabgaben zu beteiligen, wenn auch aufgrund der Gleitzonenregelung nur geringfügig. Bekam er noch bei einem Monatsgehalt in Höhe von 450€ brutto auch 450€ netto ausgezahlt, verdient er nach Einführung des Mindestlohns zwar brutto mehr, netto aber weniger: Bleibt es bei den 55 Arbeitsstunden monatlich und werden diese mit jeweils 8,50€ vergütet, so ergibt dies ein Monatsgehalt in Höhe von 467,50€. Netto bleiben ihm aber nach Abzug seines Anteils an den Sozialabgaben nur noch etwa 410€.

Reduzierung der Arbeitszeit

Es liegt daher nahe, nicht das monatliche Entgelt anzuheben, sondern stattdessen die Arbeitszeit zu reduzieren. Eine einseitige Herabsetzung der monatlichen Arbeitszeit durch den Arbeitgeber ist aber stets dann ausgeschlossen, wenn im Arbeitsvertrag eine regelmäßige Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit vereinbart wurde. Um diese Vereinbarung zu ändern, bedarf es des Einverständnisses des Arbeitnehmers.

Angesichts des geringeren Nettogehalts werden vermutlich viele der geringfügig Beschäftigten mit einer Reduzierung ihrer monatlichen Arbeitszeit auf höchstens 52,5 Stunden einverstanden sein, um von der Abgabenfreiheit weiterhin zu profitieren. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen ein bestimmtes monatliches Einkommen nicht überschreiten wollen, so zum Beispiel Frührentner, die sich anrechnungsfrei etwas dazuverdienen möchten.

In keinem Fall jedoch ist zu empfehlen, Vergütungsvereinbarungen, die unterhalb des Mindestlohns liegen, auch nach dem 1. Januar 2015 unverändert anzuwenden. Das kann zu später notwendig werdenden Nachberechnungen führen, was insbesondere bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen weitreichende Folgen mit sich bringt.

Darüber hinaus ist das Vorenthalten des Mindestlohns als Ordnungswidrigkeit mit empfindlichen Bußgeldern belegt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf die Zahlung des Mindestlohns verzichtet. Ein solcher Verzicht kann nach §3 MiLoG nur im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs wirksam erklärt werden.

Ausnahmen

Neben den Auszubildenden und Praktikanten gibt es eine Reihe weiterer Ausnahmen vom persönlichen Anwendungsbereich des MiLoG. Davon sind für Apotheken zwei Personengruppen relevant:

Bei der Einstellung eines Langzeitarbeitslosen, das sind solche Personen, die mindestens seit einem Jahr arbeitslos waren, gilt in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung der Mindestlohn nicht. Diese Regelung soll die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser fördern, lädt aber leider auch zum Missbrauch ein. Der Anspruch auf den Mindestlohn soll ausgerechnet dann entstehen, wenn auch der allgemeine Kündigungsschutz greift, nämlich nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Aus der Sicht einiger Arbeitgeber sind das gleich zwei Gründe, das Arbeitsverhältnis spätestens nach sechs Monaten wieder zu beenden.

Eine weitere Ausnahme sind Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Diese sollen durch den Mindestlohn nicht davon abgehalten werden, eine regelmäßig deutlich schlechter bezahlte Berufsausbildung zu absolvieren. Das bedeutet für Apotheken, dass zum Beispiel der Schüler, der gelegentlich als Bote aushilft, auch für weniger als 8,50€ brutto pro Stunde beschäftigt werden darf.

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40213 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(16):11-11