Prof. Dr. Uwe May
Im Gegensatz zu ärztlichen Dienst- und Beratungsleistungen werden entsprechende pharmazeutische Dienstleistungen in Apotheken meist nicht oder in geringer Höhe honoriert. Als Konsequenz daraus werden weiter gehende Services, wie das Überprüfen von Medikationen, Cholesterin- und Blutdruckmessungen oder Ernährungsberatung, nur in begrenztem Umfang von Apotheken aufgrund von persönlichem Engagement oder zum Zweck der Kundenbindung angeboten.
Allerdings steht zu erwarten, dass sowohl Patienten als auch Apotheker und Ärzte davon profitieren könnten, wenn angemessene Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize zu einem steigenden Angebot solcher Apothekenleistungen führen würden. Aus gesundheitsökonomischer Sicht könnte zudem die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert werden, indem die Potenziale der öffentlichen Apotheken noch besser genutzt würden.
Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit an der Hochschule Fresenius eine Befragung von 188 Personen zu Wahrnehmung und Wünschen zur apothekerlichen Beratung durchgeführt. Die Autoren verstehen die Untersuchung als Pilotstudie zur Validierung von Hypothesen und als Diskussionsgrundlage für weiter gehende Überlegungen.
Wert der Beratung
Zunächst sollte untersucht werden, inwiefern eine Beratung der Grund dafür ist, dass der Patient einen Apothekenbesuch tätigt, anstatt sich ein Medikament bei einer Versandapotheke oder einem anderen Vertriebskanal zu kaufen. 54% der Teilnehmer wissen, dass (OTC-)Produkte in Versandapotheken in der Regel günstiger sind als in Apotheken vor Ort. Gleichwohl gaben 88% der Befragten an, bevorzugt ein Produkt für 7€ nach Beratung in einer Apotheke zu erstehen, als das gleiche Produkt für 6€ in der Versandapotheke (oder einem anderen Vertriebskanal) ohne persönliche Beratung zu erwerben.
Um die Zahlungsbereitschaft bzw. den Wert, den der Einzelne der Beratung zuweist, genauer quantifizieren zu können, wurde abgefragt, bis zu welchem Preis die potenziellen Kunden das Produkt mit Beratung in einer Apotheke erstehen würden, anstatt es auf anderem Wege, ohne Beratung, für den Basispreis von 6€ zu erwerben.
Bei 69% der Befragten befindet sich die artikulierte Zahlungsbereitschaft in diesem Szenario im Bereich von 7€ bis 10€. Der Mittelwert der Aussagen der Befragten liegt bei 11,50€, am häufigsten genannt (von 29%) wurden 10,00€. Festhalten lässt sich, dass die große Mehrheit der Befragten eine deutliche Preissteigerung für eine professionelle Beratung in der Apotheke in Kauf nehmen würde, bevor sie einen günstigeren Kauf ohne Beratung in Betracht ziehen würde.
14% der Befragten sagten darüber hinaus, dass sie sich unabhängig vom Preis immer in der Apotheke beraten lassen würden, anstatt ein Präparat anderweitig zu kaufen. Auch wenn erfahrungsgemäß solche geäußerten Zahlungsbereitschaften vom tatsächlichen Verhalten deutlich abweichen können, sind sie ein ernsthafter Ausdruck der subjektiven Wertschätzung seitens der Befragten.
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Ausweitung der Aufgaben
Im Rahmen der Befragung wurde weiter untersucht, wie die Teilnehmer einer Ausweitung der Aufgaben des Apothekers gegenüberstehen. In Aussicht gestellt wurden pharmazeutische Dienstleistungen zur Therapiebegleitung und Krankheitsvorsorge, wie Raucherentwöhnungsprogramme, Medikationsmanagement oder Cholesterin- und Blutzuckerbestimmungen. Die Hälfte der Befragten sprach sich grundsätzlich für eine Ausweitung der apothekerlichen Aufgaben aus, 16% waren sich unsicher und ein Drittel äußerte sich ablehnend.
Weiterhin wurde ermittelt, ob die Befragten Anregungen für zusätzliche Dienstleistungen durch die Apotheken haben. Die Teilnehmer nannten hier u.a. Dienstleistungen entsprechend einem Medikationsmanagement, Bestellung von Folgerezepten bei Dauermedikation, Ernährungsberatung, Diabetesberatung, Blutzuckerbestimmung und Anleitung zu Bewegungstherapien. Grundsätzlich wünschen sich 25% der Befragten einerseits eine umfangreichere und unabhängigere Beratung ohne den „Hintergedanken“ an den Verkauf und andererseits die Ausweitung der Kompetenz hinsichtlich eines Medikationsmanagements. Jeder Fünfte wünscht sich zudem einen Ausbau der logistischen Tätigkeit der Apotheken wie z.B. Lieferservice von Medikamenten, längere Geschäftszeiten, Gratisproben sowie dauerhafte Bevorratung der Arzneimittel von Stammkunden.
Übernahme der Kosten
Aus den Ergebnissen der Befragung lässt sich eine beträchtliche (monetäre) Wertschätzung der pharmazeutischen Tätigkeit der Apotheker seitens der Bevölkerung ableiten. Dies führt zu den Fragen, wer die Kosten für die apothekerliche Honorierung tragen sollte und woran sich die Höhe dieser Honorierung zu orientieren hätte.
Zur ersten Frage fällt die Antwort vieler Teilnehmer relativ differenziert aus: Ebenso wie bei ärztlichen Dienstleistungen sollten die Kosten je nach Art der Leistung entweder durch den Patienten oder die Krankenkasse getragen werden. Nur ein sehr geringer Anteil der Befragten vertritt die Ansicht, dass Apotheken qualifizierte Serviceleistungen kostenlos zu erbringen hätten.
Das Niveau der Vergütung von Apothekendienstleistungen sollte sich nach Ansicht von 85% der Befragten an der Vergütung anderer akademischer Berufe orientieren. Insbesondere das Niveau der ärztlichen Vergütung ist aus Sicht vieler Befragter der geeignete Maßstab für die Honorierung der Apothekerleistungen.
Fazit und Ausblick
Die vorgestellte Studie belegt einmal mehr, dass die Patienten die Kompetenz der Apotheker hoch schätzen. Dies führt dazu, dass viele Befragte einer Ausweitung der apothekerlichen Leistungsbereiche positiv gegenüberstehen. Insbesondere deuten die vorliegenden Erkenntnisse darauf hin, dass Potenzial für eine Optimierung der Schnittstelle zwischen Arzt und Apotheker besteht. Hier ist vor allem ein intensiveres Medikationsmanagement zu nennen, mit dem z.B. unerwünschte Arzneimittelwirkungen und deren Folgen reduziert werden könnten.
Durch eine Stärkung dieser und anderer pharmazeutischer Dienstleistungen und nicht zuletzt durch eine weitere Stärkung der Rolle des Apothekers als erster Ansprechpartner bei kleineren Gesundheitsstörungen könnten Ärzte im Ergebnis kompetenzintensiver arbeiten. Eine Ausweitung apothekerlicher Kompetenzen und Beratungsaufgaben würde auf diese Weise folglich sowohl einen effizienteren Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen bewirken als auch – wie die vorliegende Befragung belegt – den Wünschen der Patienten entgegenkommen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(16):9-9